Bauwerk
sued_see Neubau Einfamilienhaus
GERNER GERNER PLUS. - Jois (A) - 2002
Mit Jalousie vom Segelbauer
„Süd.See“ hieß das Projekt bei den Architekten: Der Neusiedler See im Süden markiert die Horizontgrenze. Im Volksmund heißt es „das fliegende Haus“: Der lange Baukörper kragt weit über einen Hang aus. Wie Gerner & Gerner aus einem Bauplatz in Jois das Optimum herausholten.
2. Februar 2002 - Liesbeth Waechter-Böhm
Auf den Bürgermeister kommt es an. Das ist eine Tatsache, mit der man auf architektonischen Sightseeing-Touren überall in Österreich konfrontiert wird. Wenn der Bürgermeister nicht will, dann geht gar nichts. Und meistens will er nicht, weil nicht nur er selbst unter einem Satteldach wohnt, sondern weil so viele österreichische Landgemeinden ein solches Dach (auch noch ziegel-gedeckt) zwingend vorschreiben.
Daß diese Vorschriften individuelle (und zeitadäquatere) Interpretationen zulassen, kann man neuerdings auch in der burgenländischen Ortschaft Jois in Augenschein nehmen. Dort fand das Architektenehepaar Gerner & Gerner einen aufgeschlossenen Bauherrn, der, aus Wien kommend, einen persönlichen Traum verwirklichen wollte; dort fand es aber auch den Bürgermeister, der für eine solche Initiative offen war. Bemerkenswert ist: Gleich nebenan baut der Bürgermeister selbst - ein Satteldachhaus gängiger Prägung. Aber das hat ihn nicht so blind gemacht, daß er die Besonderheit des Gerner-Hauses nicht erkannt und für Jois als wichtig empfunden hätte. Hypothetischer Hintergedanke: Wo sich jemand ansiedelt, der ein so spezielles Haus baut, da kommen womöglich andere nach. Es dürfte genug burgenländische Ortschaften geben, denen diese Art des „ideellen“ Investitionsschubs ebenfalls guttäte.
Im Volksmund heißt es: das fliegende Haus. Und der Volksmund ist bekanntlich schnell mit solchen verbalen Etiketten. Aber er erfaßt auch immer wieder das Wesentliche. Im Fall des Gerner-Hauses besteht es darin, daß sich die Architekten für einen 35 Meter langen, eingeschoßigen Baukörper entschieden, der weit über einen Hang auskragt, und daß sie davor einen zweiten Baukörper gesetzt haben - interner Name, der visuell wirklich zutrifft: Monitor -, der auf zwei Geschoßen einen Arbeitsraum für den Bauherrn und Gästezimmer (auch eine Wohnung für die „Nanny“ der Kinder) aufnimmt.
Das Haus ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es hat sein Satteldach. Aber es hat es in einer so sanften Neigung, daß man es schon fast nicht mehr sieht. Andererseits: Was man davon sieht, ist okay. Es drückt irgendwie die Schnittstelle zwischen offener Küche und Wohnraum nach außen sichtbar aus, obwohl drinnen gerade diese durchgängige Raumausbildung nur durch einen Niveausprung artikuliert ist. Das ist sehr schön: Koch-, Eß- und Wohnbereich - insgesamt 16 Meter Länge bei einer maximalen Raumhöhe von 4,50 Metern - bilden einfach eine riesige Wohninsel, die in sich zwar leichte Differenzierungen aufweist (eben durch den Niveausprung), aber vor allem eine Großzügigkeit offeriert, wie man sie in heutigen, neu gebauten Häusern selten antrifft.
Man muß sich die Gesamtsituation so vorstellen: Süd.See heißt das Projekt bei den Architekten. Das heißt natürlich, daß der Neusiedler See im Süden die Horizontgrenze markiert. Und auf diesen Horizont hin sind alle Wohn- und Schlafräume des Hauses orientiert. Und zwar gläsern - sie sind total offen. Das ist indes kein Diktat der Architekten, das wollte vor allem der Bauherr so. Aber man hat Vorsorge getroffen. Es gibt natürlich eine Außen-beschattung. Und die hat, das wiederum ist erwähnenswert, ein Segelbauer vom Neusiedler See gemacht. Die Gerners haben ein ganz einfaches Außenjalousie-System eigens für dieses Haus entwickelt - mit seinen Schnüren und Rollen hat es viel vom Schiffsbau -, das ganz leicht, aber mechanisch zu bedienen ist, das preisgünstig war und das noch dazu aus den lokalen Ressourcen schöpft. Denn wo sonst würde man schon einen Segelbauer zu diesem Thema befragen.
Die Gerners haben offensichtlich ziemlich genau gecheckt, was an diesem speziellen Standort das richtige ist. Denn aufs erste vermutet man in dem Haus mit seiner metallischen Oberfläche - bei der hinterlüfteten Außenhaut verwenden sie das sogenannte Gleit-bügelsystem aus Aluminium - einen Betonbau. Das ist aber nicht der Fall. Abgesehen von einem „Betontisch“, der die Auskragung trägt, ist dieses Haus konstruktiv ein Leichtbau, nämlich ein Holzbau. Schon mit Betondecken dazwischen, aber doch ein Holzbau.
Wenn man die Architekten befragt, dann gab es viele Gründe für diese Entscheidung. Die Metallhaut ist natürlich die wetterbeständigste, pflegeleichteste Lösung, die sich denken läßt. Der Holzbau wiederum konnte vorgefertigt und innerhalb von drei Tagen aufgestellt werden. Das sind schon Argumente - vor allem, wenn man eine Planungs- und Bauzeit von insgesamt nur zehn Monaten zum Ziel hat.
Es gab auch Schwierigkeiten. Zum Beispiel ist der vorgesehene geschliffene Estrich als Boden letztlich nicht so ausgeführt worden, daß er akzeptabel war. Deswegen gibt es jetzt im ganzen Haus einen wunderbaren Schieferboden. Das allerdings machte es notwendig, daß alle Türen um zwei Zentimeter gehoben werden mußten. Was das für eine Aktion gewesen sein muß, kann sich zumindest jeder Bauherr oder auch Häuselbauer vorstellen. Aber daß alles glattgeht, das gibt es nie. Und hier ist - nicht zuletzt auf Grund des Engagements des Bauherrn - ohnehin viel glattgegangen. Die Architekten: „Wir konnten unsere Vorstellungen praktisch hundertprozentig verwirklichen.“
Die Tatsachen: ein übersichtlich organisiertes Haus - auf einer Ebene Eingang, riesiger Eß-/Wohn-Bereich, Schlafräume. Die Lösung mit den nördlich orientierten Badezimmern (für Eltern und Kinder extra) irgendwie organisch integriert ins Haus, nicht allzu deutlich abgesetzt. Und dann der Monitor, der durch eine simple, verglaste Schleuse ans übrige Haus angehängt, davorgestellt ist. Außerdem: ein Kellergeschoß, das Wohngeschoß ist - mit Videoraum, Fitneß-Möglichkeiten, Dampfbad.
Angedacht war auch ein verglastes Schwimmbad unter dem auskragenden Gebäudeteil. Das ist nicht realisiert, hier gibt es nur eine gekieste Fläche. Trotz äußerst günstiger Quadratmeterpreise bei diesem Hausbau - die Architekten haben sich diesbezüglich wirklich angestrengt - hat man sich darauf geeinigt, die Nutzung des Raums unter dem auskragenden Gebäudeteil zunächst offenzulassen. Ein verglastes Schwimmbad ist nun einmal eine ziemlich teure Angelegenheit, daher wurde seine Errichtung in die Zukunft verlagert. Und ein offenes Schwimmbad hat an dieser Stelle nur wenig Sinn: Unter der Auskragung würde es immer im Schatten sein, das möchte man beim Schwimmen im Freien eigentlich nicht haben. Trotzdem: Im Hochsommer wird das ein wunderbarer, geschützter Freiraum sein, an dem die Bewohner noch ihre Freude haben werden.
Es gibt zwei in Richtung See auskragende Terrassen. Sie sind in das Gelände minuziös eingebettet. Eine angeschüttete Böschung, eine Art „Erd-kegel“ darunter, moduliert das Gelände und kann von den Kindern im Winter zum Rodeln und Skifahren genutzt werden. Überhaupt sind die Gerners mit dem Gelände sorgfältigst umgegangen. Das sieht man schon an der Eingangssituation, bei den separierten Zugängen zum Haus und zum Monitor, wo ebenfalls mit leichten Geländemodulationen gearbeitet wurde. Und vor allem daran, daß durch die Auskragung des Hauses ein beachtlicher Teil des Grundstücks freigespielt wurde. Damit haben die Architekten jenen zusätzlichen Flächenverbrauch, den ein eingeschoßiges Haus nun einmal mit sich bringt, wieder wettgemacht.
Wenn man die richtigen Architekten beauftragt, dann holen sie aus einem Bauplatz eben das Optimum heraus. Hier ist das der Fall. Das macht die Sache erwähnenswert.
Daß diese Vorschriften individuelle (und zeitadäquatere) Interpretationen zulassen, kann man neuerdings auch in der burgenländischen Ortschaft Jois in Augenschein nehmen. Dort fand das Architektenehepaar Gerner & Gerner einen aufgeschlossenen Bauherrn, der, aus Wien kommend, einen persönlichen Traum verwirklichen wollte; dort fand es aber auch den Bürgermeister, der für eine solche Initiative offen war. Bemerkenswert ist: Gleich nebenan baut der Bürgermeister selbst - ein Satteldachhaus gängiger Prägung. Aber das hat ihn nicht so blind gemacht, daß er die Besonderheit des Gerner-Hauses nicht erkannt und für Jois als wichtig empfunden hätte. Hypothetischer Hintergedanke: Wo sich jemand ansiedelt, der ein so spezielles Haus baut, da kommen womöglich andere nach. Es dürfte genug burgenländische Ortschaften geben, denen diese Art des „ideellen“ Investitionsschubs ebenfalls guttäte.
Im Volksmund heißt es: das fliegende Haus. Und der Volksmund ist bekanntlich schnell mit solchen verbalen Etiketten. Aber er erfaßt auch immer wieder das Wesentliche. Im Fall des Gerner-Hauses besteht es darin, daß sich die Architekten für einen 35 Meter langen, eingeschoßigen Baukörper entschieden, der weit über einen Hang auskragt, und daß sie davor einen zweiten Baukörper gesetzt haben - interner Name, der visuell wirklich zutrifft: Monitor -, der auf zwei Geschoßen einen Arbeitsraum für den Bauherrn und Gästezimmer (auch eine Wohnung für die „Nanny“ der Kinder) aufnimmt.
Das Haus ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es hat sein Satteldach. Aber es hat es in einer so sanften Neigung, daß man es schon fast nicht mehr sieht. Andererseits: Was man davon sieht, ist okay. Es drückt irgendwie die Schnittstelle zwischen offener Küche und Wohnraum nach außen sichtbar aus, obwohl drinnen gerade diese durchgängige Raumausbildung nur durch einen Niveausprung artikuliert ist. Das ist sehr schön: Koch-, Eß- und Wohnbereich - insgesamt 16 Meter Länge bei einer maximalen Raumhöhe von 4,50 Metern - bilden einfach eine riesige Wohninsel, die in sich zwar leichte Differenzierungen aufweist (eben durch den Niveausprung), aber vor allem eine Großzügigkeit offeriert, wie man sie in heutigen, neu gebauten Häusern selten antrifft.
Man muß sich die Gesamtsituation so vorstellen: Süd.See heißt das Projekt bei den Architekten. Das heißt natürlich, daß der Neusiedler See im Süden die Horizontgrenze markiert. Und auf diesen Horizont hin sind alle Wohn- und Schlafräume des Hauses orientiert. Und zwar gläsern - sie sind total offen. Das ist indes kein Diktat der Architekten, das wollte vor allem der Bauherr so. Aber man hat Vorsorge getroffen. Es gibt natürlich eine Außen-beschattung. Und die hat, das wiederum ist erwähnenswert, ein Segelbauer vom Neusiedler See gemacht. Die Gerners haben ein ganz einfaches Außenjalousie-System eigens für dieses Haus entwickelt - mit seinen Schnüren und Rollen hat es viel vom Schiffsbau -, das ganz leicht, aber mechanisch zu bedienen ist, das preisgünstig war und das noch dazu aus den lokalen Ressourcen schöpft. Denn wo sonst würde man schon einen Segelbauer zu diesem Thema befragen.
Die Gerners haben offensichtlich ziemlich genau gecheckt, was an diesem speziellen Standort das richtige ist. Denn aufs erste vermutet man in dem Haus mit seiner metallischen Oberfläche - bei der hinterlüfteten Außenhaut verwenden sie das sogenannte Gleit-bügelsystem aus Aluminium - einen Betonbau. Das ist aber nicht der Fall. Abgesehen von einem „Betontisch“, der die Auskragung trägt, ist dieses Haus konstruktiv ein Leichtbau, nämlich ein Holzbau. Schon mit Betondecken dazwischen, aber doch ein Holzbau.
Wenn man die Architekten befragt, dann gab es viele Gründe für diese Entscheidung. Die Metallhaut ist natürlich die wetterbeständigste, pflegeleichteste Lösung, die sich denken läßt. Der Holzbau wiederum konnte vorgefertigt und innerhalb von drei Tagen aufgestellt werden. Das sind schon Argumente - vor allem, wenn man eine Planungs- und Bauzeit von insgesamt nur zehn Monaten zum Ziel hat.
Es gab auch Schwierigkeiten. Zum Beispiel ist der vorgesehene geschliffene Estrich als Boden letztlich nicht so ausgeführt worden, daß er akzeptabel war. Deswegen gibt es jetzt im ganzen Haus einen wunderbaren Schieferboden. Das allerdings machte es notwendig, daß alle Türen um zwei Zentimeter gehoben werden mußten. Was das für eine Aktion gewesen sein muß, kann sich zumindest jeder Bauherr oder auch Häuselbauer vorstellen. Aber daß alles glattgeht, das gibt es nie. Und hier ist - nicht zuletzt auf Grund des Engagements des Bauherrn - ohnehin viel glattgegangen. Die Architekten: „Wir konnten unsere Vorstellungen praktisch hundertprozentig verwirklichen.“
Die Tatsachen: ein übersichtlich organisiertes Haus - auf einer Ebene Eingang, riesiger Eß-/Wohn-Bereich, Schlafräume. Die Lösung mit den nördlich orientierten Badezimmern (für Eltern und Kinder extra) irgendwie organisch integriert ins Haus, nicht allzu deutlich abgesetzt. Und dann der Monitor, der durch eine simple, verglaste Schleuse ans übrige Haus angehängt, davorgestellt ist. Außerdem: ein Kellergeschoß, das Wohngeschoß ist - mit Videoraum, Fitneß-Möglichkeiten, Dampfbad.
Angedacht war auch ein verglastes Schwimmbad unter dem auskragenden Gebäudeteil. Das ist nicht realisiert, hier gibt es nur eine gekieste Fläche. Trotz äußerst günstiger Quadratmeterpreise bei diesem Hausbau - die Architekten haben sich diesbezüglich wirklich angestrengt - hat man sich darauf geeinigt, die Nutzung des Raums unter dem auskragenden Gebäudeteil zunächst offenzulassen. Ein verglastes Schwimmbad ist nun einmal eine ziemlich teure Angelegenheit, daher wurde seine Errichtung in die Zukunft verlagert. Und ein offenes Schwimmbad hat an dieser Stelle nur wenig Sinn: Unter der Auskragung würde es immer im Schatten sein, das möchte man beim Schwimmen im Freien eigentlich nicht haben. Trotzdem: Im Hochsommer wird das ein wunderbarer, geschützter Freiraum sein, an dem die Bewohner noch ihre Freude haben werden.
Es gibt zwei in Richtung See auskragende Terrassen. Sie sind in das Gelände minuziös eingebettet. Eine angeschüttete Böschung, eine Art „Erd-kegel“ darunter, moduliert das Gelände und kann von den Kindern im Winter zum Rodeln und Skifahren genutzt werden. Überhaupt sind die Gerners mit dem Gelände sorgfältigst umgegangen. Das sieht man schon an der Eingangssituation, bei den separierten Zugängen zum Haus und zum Monitor, wo ebenfalls mit leichten Geländemodulationen gearbeitet wurde. Und vor allem daran, daß durch die Auskragung des Hauses ein beachtlicher Teil des Grundstücks freigespielt wurde. Damit haben die Architekten jenen zusätzlichen Flächenverbrauch, den ein eingeschoßiges Haus nun einmal mit sich bringt, wieder wettgemacht.
Wenn man die richtigen Architekten beauftragt, dann holen sie aus einem Bauplatz eben das Optimum heraus. Hier ist das der Fall. Das macht die Sache erwähnenswert.
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