Bauwerk
Funkstation
Julius Maria Luthman - Kootwijk (NL) - 1921
Monument auf der Heide
1. November 1997 - Hubertus Adam
Wälder, Hügel und Heide prägen das Gebiet zwischen Arnhem und Apeldoorn; «De hoge Veluwe», der südliche Bereich des Gebiets, hat den Status eines Nationalparks erlangt.
Etwas weiter nördlich davon liegt ein mächtiges und wenig bekanntes Gebäude, die Funkstation Kootwijk. Sie wurde zwischen 1919 und 1922 von dem in Amsterdam geborenen Architekten Julius Maria Luthman (1890-1973) errichtet. Eine einsame Strasse führt durch den Wald bis zur Grenze des abgesperrten Terrains. Hat man den Schlagbaum passiert, sieht man in der Ferne einen grauen, hochaufragenden Bau. Halb Bunker, halb Kathedrale, spiegelt sich die Front des aus Stahlbeton errichteten Bauwerks in einem vorgelagerten Wasserbecken, was den Eindruck von der Wucht des Baus nochmals verstärkt. «Radiostation» heisst es in Versalien über dem Eingangsportal; ein Relief des Bildhauers Hendrik Albert van den Eindje zeigt eine von zwei Figuren umgebene Maske mit geöffnetem Mund. Zeitgenossen sahen in der Maske den durch die Räume entsandten Fernruf, während die weiblichen Gestalten das Abendland und den kolonialen Osten repräsentieren.
Van den Eindje versinnbildlichte die Funktion des Gebäudes, das als fester Langwellensender für den Funkverkehr mit Bandung auf Java in der damaligen Kolonie Niederländisch-Indien diente.
Ende 1918 begannen die Planierungsarbeiten auf dem in Staatsbesitz befindlichen Terrain bei Kootwijk, dessen Abgelegenheit für den Sendebetrieb günstig war. Anfang 1920 setzten die Fundamentierungsarbeiten ein, im Februar 1923 wurde der Sendebetrieb offiziell aufgenommen. Dass der junge und relativ unbekannte Luthman den grossen Auftrag - er umfasste neben dem Sendegebäude auch einen Wasserturm, ein Beamtenwohnhaus, ein (heute zerstörtes) Transformatorenhaus und eine Arbeitersiedlung - bekam, ist H. Th. Teeuwisse zu verdanken, dem Direktor des Rijksgebouwendienst. Teeuwisse war Anhänger der von der Amsterdamer Schule verfochtenen, stark plastisch geprägten Formensprache. Luthman, damals gerade 29 Jahre alt, hatte an der Akademie der bildenden Künste und technischen Wissenschaften in Rotterdam studiert und in verschiedenen Büros gearbeitet, bevor er 1915 ins Stadtbauamt Amsterdam wechselte. Dort, aber auch im Büro Baanders, lernte er die Architektur der Amsterdamer Schule kennen und traf mit deren Protagonisten zusammen; das Beamtenwohnhaus von Radio Kootwijk, ein Backsteinbau mit hohem Walmdach, ist von den Amsterdamer Formvorstellungen am deutlichsten beeinflusst.
Wasserturm und Sendegebäude sind in unverkleidetem Stahlbeton gehalten. Das hat nicht nur funktionale Gründe, wie etwa die Abschirmung atmosphärischer Störungen von den Sendegeräten. Luthman stand vor der Aufgabe, eine adäquate Form für eine noch junge Bauaufgabe zu finden, die bisher typologisch nicht fixiert war. Funkstationen waren zuvor reine Zweckgebilde gewesen: ein Sendemast, daneben ein Schuppen für die technischen Geräte. Doch in Kootwijk handelte es sich um ein nationales Prestigeprojekt und um eine neue, weltumspannende Technik. Traditionelle und moderne, retrospektive und prospektive, nobilitierende und funktionale Elemente wurden vereinigt, und es entstand ein hybrides, eindrucksvolles Gebäude.
Die Teilung in Turm und Schiff nimmt das sakrale Schema auf, die westliche Stirnseite mit dem Adlerrelief über dem Bogenscheitel kann als Triumphbogenmotiv verstanden werden, und der Aufbau der symmetrischen Turmfront mit Wasserbecken und Vorhof erinnert an Monumentalkonzepte der Jahrhundertwende. Doch wirken diese formalen Reprisen nicht vordergründig. Luthman hat sich von den dekorativen Bizarrerien der Amsterdamer Schule entfernt und mit klaren Kanten, glatten Flächen und dem Spiel von Licht und Schatten dem Vokabular des frühen De Stijl angenähert.
Da die Funkstation aus einem einzigen Material besteht, war eine Gliederung der Wände nur durch Fensterflächen sowie Vor- und Rücksprünge möglich. Die expressionistisch anmutende Flächengliederung der Längsseiten wird durch den ungewöhnlichen Schnitt der Erdgeschossfenster zusätzlich verstärkt.
Unweigerlich erinnern die skulpturalen Details an Entwürfe von Erich Mendelsohn, vor allem an seinen Potsdamer Einsteinturm, der allerdings erst 1921 fertiggestellt wurde. Dennoch könnte Luthman das Projekt gekannt haben: einerseits reiste er 1919 zur Vorbereitung seines Auftrags nach Berlin (wo er sich auch die im Bau befindliche Grossfunkstation Nauen von Hermann Muthesius angeschaut hat); andererseits war Mendelsohn der erste prominente Architekt, der nach dem Ersten Weltkrieg den Kontakt zur Amsterdamer Architekturszene suchte.
Mendelsohn musste beim Einsteinturm auf verputztes Mauerwerk zurückgreifen. Luthman dagegen wählte zusammen mit seinem Ingenieur J. Emmen einen Mittelweg zwischen klarer funktionaler Form, wie sie sich in der von Stahlbetonbindern rhythmisierten Halle artikuliert, und skulptural-organischer Formung. Er konnte sich einer monolithischen Betonstruktur bedienen.
Inzwischen dient die Radiostation Kootwijk als Kurzwellensender für den Schiffsfunk von Radio Scheveningen; der weithin sichtbare, 220 Meter hohe Sendemast wurde demontiert. Der Bau hat sich vergleichsweise gut erhalten, wurde aber mit einer grauen Spritzbetonschicht überzogen, welche die einstige lebendige Gliederung der Fassade durch die Abdrücke der Schalungsbretter hat verschwinden lassen.
Ende 1998 wird auch Radio Scheveningen seinen Funkverkehr auf Satellit umstellen; was dann mit diesem Meisterwerk der niederländischen Architektur geschieht, weiss bis heute niemand.
Etwas weiter nördlich davon liegt ein mächtiges und wenig bekanntes Gebäude, die Funkstation Kootwijk. Sie wurde zwischen 1919 und 1922 von dem in Amsterdam geborenen Architekten Julius Maria Luthman (1890-1973) errichtet. Eine einsame Strasse führt durch den Wald bis zur Grenze des abgesperrten Terrains. Hat man den Schlagbaum passiert, sieht man in der Ferne einen grauen, hochaufragenden Bau. Halb Bunker, halb Kathedrale, spiegelt sich die Front des aus Stahlbeton errichteten Bauwerks in einem vorgelagerten Wasserbecken, was den Eindruck von der Wucht des Baus nochmals verstärkt. «Radiostation» heisst es in Versalien über dem Eingangsportal; ein Relief des Bildhauers Hendrik Albert van den Eindje zeigt eine von zwei Figuren umgebene Maske mit geöffnetem Mund. Zeitgenossen sahen in der Maske den durch die Räume entsandten Fernruf, während die weiblichen Gestalten das Abendland und den kolonialen Osten repräsentieren.
Van den Eindje versinnbildlichte die Funktion des Gebäudes, das als fester Langwellensender für den Funkverkehr mit Bandung auf Java in der damaligen Kolonie Niederländisch-Indien diente.
Ende 1918 begannen die Planierungsarbeiten auf dem in Staatsbesitz befindlichen Terrain bei Kootwijk, dessen Abgelegenheit für den Sendebetrieb günstig war. Anfang 1920 setzten die Fundamentierungsarbeiten ein, im Februar 1923 wurde der Sendebetrieb offiziell aufgenommen. Dass der junge und relativ unbekannte Luthman den grossen Auftrag - er umfasste neben dem Sendegebäude auch einen Wasserturm, ein Beamtenwohnhaus, ein (heute zerstörtes) Transformatorenhaus und eine Arbeitersiedlung - bekam, ist H. Th. Teeuwisse zu verdanken, dem Direktor des Rijksgebouwendienst. Teeuwisse war Anhänger der von der Amsterdamer Schule verfochtenen, stark plastisch geprägten Formensprache. Luthman, damals gerade 29 Jahre alt, hatte an der Akademie der bildenden Künste und technischen Wissenschaften in Rotterdam studiert und in verschiedenen Büros gearbeitet, bevor er 1915 ins Stadtbauamt Amsterdam wechselte. Dort, aber auch im Büro Baanders, lernte er die Architektur der Amsterdamer Schule kennen und traf mit deren Protagonisten zusammen; das Beamtenwohnhaus von Radio Kootwijk, ein Backsteinbau mit hohem Walmdach, ist von den Amsterdamer Formvorstellungen am deutlichsten beeinflusst.
Wasserturm und Sendegebäude sind in unverkleidetem Stahlbeton gehalten. Das hat nicht nur funktionale Gründe, wie etwa die Abschirmung atmosphärischer Störungen von den Sendegeräten. Luthman stand vor der Aufgabe, eine adäquate Form für eine noch junge Bauaufgabe zu finden, die bisher typologisch nicht fixiert war. Funkstationen waren zuvor reine Zweckgebilde gewesen: ein Sendemast, daneben ein Schuppen für die technischen Geräte. Doch in Kootwijk handelte es sich um ein nationales Prestigeprojekt und um eine neue, weltumspannende Technik. Traditionelle und moderne, retrospektive und prospektive, nobilitierende und funktionale Elemente wurden vereinigt, und es entstand ein hybrides, eindrucksvolles Gebäude.
Die Teilung in Turm und Schiff nimmt das sakrale Schema auf, die westliche Stirnseite mit dem Adlerrelief über dem Bogenscheitel kann als Triumphbogenmotiv verstanden werden, und der Aufbau der symmetrischen Turmfront mit Wasserbecken und Vorhof erinnert an Monumentalkonzepte der Jahrhundertwende. Doch wirken diese formalen Reprisen nicht vordergründig. Luthman hat sich von den dekorativen Bizarrerien der Amsterdamer Schule entfernt und mit klaren Kanten, glatten Flächen und dem Spiel von Licht und Schatten dem Vokabular des frühen De Stijl angenähert.
Da die Funkstation aus einem einzigen Material besteht, war eine Gliederung der Wände nur durch Fensterflächen sowie Vor- und Rücksprünge möglich. Die expressionistisch anmutende Flächengliederung der Längsseiten wird durch den ungewöhnlichen Schnitt der Erdgeschossfenster zusätzlich verstärkt.
Unweigerlich erinnern die skulpturalen Details an Entwürfe von Erich Mendelsohn, vor allem an seinen Potsdamer Einsteinturm, der allerdings erst 1921 fertiggestellt wurde. Dennoch könnte Luthman das Projekt gekannt haben: einerseits reiste er 1919 zur Vorbereitung seines Auftrags nach Berlin (wo er sich auch die im Bau befindliche Grossfunkstation Nauen von Hermann Muthesius angeschaut hat); andererseits war Mendelsohn der erste prominente Architekt, der nach dem Ersten Weltkrieg den Kontakt zur Amsterdamer Architekturszene suchte.
Mendelsohn musste beim Einsteinturm auf verputztes Mauerwerk zurückgreifen. Luthman dagegen wählte zusammen mit seinem Ingenieur J. Emmen einen Mittelweg zwischen klarer funktionaler Form, wie sie sich in der von Stahlbetonbindern rhythmisierten Halle artikuliert, und skulptural-organischer Formung. Er konnte sich einer monolithischen Betonstruktur bedienen.
Inzwischen dient die Radiostation Kootwijk als Kurzwellensender für den Schiffsfunk von Radio Scheveningen; der weithin sichtbare, 220 Meter hohe Sendemast wurde demontiert. Der Bau hat sich vergleichsweise gut erhalten, wurde aber mit einer grauen Spritzbetonschicht überzogen, welche die einstige lebendige Gliederung der Fassade durch die Abdrücke der Schalungsbretter hat verschwinden lassen.
Ende 1998 wird auch Radio Scheveningen seinen Funkverkehr auf Satellit umstellen; was dann mit diesem Meisterwerk der niederländischen Architektur geschieht, weiss bis heute niemand.
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