Bauwerk
Hauptschule Koblach
Ines Bösch, Reinhold Bösch - Koblach (A) - 1994
An einem Bächlein helle
Reduziert – und doch nicht monoton: das Schulgebäude von Ines und Reinhold Bösch in Koblach, Vorarlberg. Mit einem Energiekonzept, das Zukunft hat. Ein Schulversuch.
26. August 1995 - Liesbeth Waechter-Böhm
Schon die Baustelle war spektakulär. Denn als die Realisierung des Schulgebäudes der Architekten Ines und Reinhold Bösch auf der grünen Wiese im Zentrum von Koblach in Angriff genommen wurde, gab es zunächst nichts zu sehen als die 20 jeweils zehn Meter hohen, betonierten Pfeiler, die jetzt das Rückgrat des Hauses bilden – ein Stonehenge der neuzeitlichen Art.
Diese Sichtbetonpfeiler haben die Installationen und Lüftungsführungen aufgenommen, gemeinsam mit den Sichtbetonträgern bilden sie die primäre Tragstruktur des Hauses. Der Klassentrakt, der insgesamt drei Ebenen umfaßt, besteht im wesentlichen aus drei aufeinandergestapelten, 90 Meter langen Hallen, die nach den Vorgaben der Schulbehörde und unter Ausnutzung des Konstruktionsrhythmus der Fertigteildecken (nicht aus Beton, der Akustik wegen) in die verschiedenen Klassenzimmer und Nebenräume unterteilt sind. Alle Trennwände sind dabei nichttragende Gipsständerwände, sodaß Nutzungsänderungen jederzeit ohne großen Aufwand berücksichtigt werden können.
Aber fangen wir außen an. Denn der mehrteilige Gebäudekomplex von Ines und Reinhold Bösch mit Klassentrakt und Dreifachturnsaal, mit einem eigenen kleinen Verwaltungsbau und einer öffentlichen Bücherei steht zwar auf einem großen, langgestreckten und durch den Lauf eines Baches romantisch grünen Grundstück – aber eben doch mitten im „Ländle“. Und was das vom Maßstab der umliegenden Bebauung her bedeutet, weiß man: Einfamilienhäuser überall. Es hätte also auch sehr schiefgehen können, eine so große Schule dazwischen hineinzubauen (wiewohl es manchmal auch gut tut, einen etwas massiveren städtebaulichen Akzent in einer so orientierungslosen Gegend zu haben).
Ines und Reinhold Bösch haben sich um Vermittlung bemüht. Erstens haben sie das Gebäude so geschickt auf dem Grundstück plaziert, daß keine unbenützbaren Restflächen entstanden sind; zweitens haben sie vor dem Eingangsbereich einen großen, eigentlich urbanen Vorplatz geschaffen; drittens blieb noch genug Raum für großzügige Sportanlagen im Freien; und last not least kommen nur die Schmalseiten des Komplexes der kleinteiligen Wohnbebauung nahe.
Die Situierung des Gebäudekomplexes ist wesentlich durch den geschwungenen Bachverlauf bestimmt und durch die Nord-Süd-Orientierung des Hauses. Eines der Kriterien im Gutachterverfahren von 1990 war nämlich ein wirtschaftliches und umweltfreundliches Energiekonzept. Die Architekten haben sich daher für passive Sonnenenergienutzung entschieden, alle Klassen ausnahmslos nach Süden orientiert und den Turnsaal nach Norden. Im Norden liegt auch der große Vorplatz mit Parkplätzen, Fahrradabstellraum und Haupteingang. Ein zweiter Zugang führt von der Bushaltestelle im Osten über eine kleine Brücke am Verwaltungsgebäude vorbei.
Dieser Zugangsbereich ist durch die skulpturale, ein wenig spitz zulaufende Durchbildung des Verwaltungsbaus mit der Bücherei und der separat erschlossenen Schulwartwohnung sehr deutlich und einladend formuliert. Überdies fallen auf den beiden Wegen hin zum Eingang zwei kleine Besonderheiten auf: Einmal – von der Haltestelle kommend – die sehr minimierte Brücke, deren Tragkonstruktion das Geländer bildet, während man auf dem Steg über hängende Holzbohlen geht. Die zweite Besonderheit sind lange, offene Sitztribünen in der Nähe des Eingangs, die auf Vorplatz und Parkplatz schauen und unter denen die Fahrradständer verborgen sind; übrigens ein durchaus spannender Raum, wenn durch die Schlitze zwischen den Stufen das Sonnenlicht in schmalen Streifen einfällt. Und man kann sich gut vorstellen, daß die Schüler in der warmen Jahreszeit von dieser Aufenthaltsmöglichkeit gern Gebrauch machen.
Die Architekten versichern, daß sie keine minimalistische Blackbox bauen wollten. Wenn man vor den 90 Meter langen, betont flächigen und geometrisierten, nur auf der Addition gleicher Teile basierenden Hauptfassaden steht, kommen einem daran Zweifel. Denn wovon sonst sollte man sprechen als von einem rigorosen Verzicht auf das nichtbegründete Detail und in diesem Sinn eben doch einer Minimalisierung? Wichtig ist vor allem, daß trotz solcher Reduktion keine Monotonie aufkommt; und die etwas schiefe, zum Bach ausgreifende Stellung des kleineren Verwaltungsbaus – in Ziegelmauerwerk und Ortbeton ausgeführt – gibt der Anlage jenen leichten Dreh, der eine spannende Situation entstehen läßt.
Man wird wie selbstverständlich hineingeführt in das Haus und erlebt auf dem Weg zu den Klassenzimmern differenzierte Raumschichten. Das ist offensichtlich eines der Themen der Architekten gewesen, da sie zunächst eine innenräumliche Situation schaffen, in der man „gleichzeitig innen und außen“ ist. Erster wichtiger Raumeindruck: ein verglastes Foyer, das sich durch das Öffnen einer Schiebewand mit dem angrenzenden Musikraum verbinden läßt und bei Veranstaltungen auch mit Speisesaal und Küche. Spektakulärstes innenräumliches Erlebnis: Die glasgedeckte Zwischenzone, die sich rund um die Turnhalle und von Eingang zu Eingang entwickelt und aus den drei Geschoßen des Hauses eine Raumeinheit macht.
Der Trick dieser dreigeschoßigen Erschließungszone, die den Turnsaal durch eine 45 Meter lange und sechs Meter hohe Glaswand optisch einbezieht, liegt darin, daß sie sich durch einen Luftraum von den Klassen absetzt, daß sie eine gewisse Distanz hält zum eigentlichen Unterrichtsraum. In den gelangt man über gläserne Brücken – nicht durchsichtig, nur durchscheinend –, was das Betreten des Klassenzimmers sicher zur bewußten und besonderen Handlung werden läßt.
Wichtig auch, daß es architektonisch in einer Schule nicht bloß dekorativ, sondern konsequent und substantiell zugeht. Und das ist hier ganz sicher der Fall: Die Schüler sind durch die Konsequenz der Architektur, die die konstruktive Struktur als Gestaltungsmittel einsetzt, einfach aufgefordert, über die Logik und Intelligenz des Bauwerks nachzudenken.
Das räumliche und konstruktive Gerippe der Schule beruht auf einem Modul von 4,2 Metern, das in den verschiedensten Unterteilungen und Vervielfachungen den Zuschnitt fast aller Räume bis hin zu den konstruktiven Bauteilen ergibt. Die Pfeilerstruktur mit ihren 2,80 Metern Breite ist außerdem durch Verglasungen geschlossen, sodaß ein ganz neues Bild von Unterricht entsteht: Das Klassenzimmer ist nicht die isolierte Zelle, in die keiner hineinschauen soll oder darf, sondern sie wird zum integralen Organ des lebendigen Organismus Schule.
Ines und Reinhold Bösch haben beim Turnsaal etwas eigenwillige Vorstellungen realisiert. Denn die Architekten sind der Ansicht, da man sich dort wohler und sicherer fühlt, wenn die Wände senkrecht und Boden und Decke parallel und waagrecht sind. Richters bemerkenswerter Turnsaal mit seiner schrägen Verglasung paßt insofern nicht ganz in ihr Konzept, ebensowenig der Turnsaal von Fellerer und Vendl in Graz.
Bei ihrem eigenen Bau ergab sich daraus aber ein konstruktives Problem, denn sie mußten einen speziellen Stegträger entwickeln, der zwischen der Vier-Grad-Neigung des Schuldaches und der 24-Grad-Neigung über Foyer und Gang vermittelt. Das haben die Architekten mit Hilfe eines speziellen Holzleimbinders erreicht, der in eine minimierte Stahlkonstruktion und in das Glasdach überleitet, sodaß sie ihr eigenes Kriterium einer bodenparallelen Unterkante der Konstruktion erreicht haben.
Energiebewußt wurde unter allen Fundamenten und den Boden berührenden Bauteilen und auch bei den Wänden für eine verstärkte Wärmedämmung gesorgt. Luftkollektoren sorgen für eine Erwärmung der Frischluft, und Wärmeüberschuß wird über Wasserspeicher weiterverwendet, ebenso die warme Klassenabluft.
Man darf vermuten, daß dieses ausgetüftelte Energiekonzept nicht das Hauptanliegen der Architekten war. Es wird aber sicher in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Für den Augenblick sind die Intelligenz und der Einfallsreichtum der architektonischen Lösung und auch die unvoreingenommene inhaltliche Auseinandersetzung von Ines und Reinhold Bösch mit dem Thema Schule überzeugend genug.
Diese Sichtbetonpfeiler haben die Installationen und Lüftungsführungen aufgenommen, gemeinsam mit den Sichtbetonträgern bilden sie die primäre Tragstruktur des Hauses. Der Klassentrakt, der insgesamt drei Ebenen umfaßt, besteht im wesentlichen aus drei aufeinandergestapelten, 90 Meter langen Hallen, die nach den Vorgaben der Schulbehörde und unter Ausnutzung des Konstruktionsrhythmus der Fertigteildecken (nicht aus Beton, der Akustik wegen) in die verschiedenen Klassenzimmer und Nebenräume unterteilt sind. Alle Trennwände sind dabei nichttragende Gipsständerwände, sodaß Nutzungsänderungen jederzeit ohne großen Aufwand berücksichtigt werden können.
Aber fangen wir außen an. Denn der mehrteilige Gebäudekomplex von Ines und Reinhold Bösch mit Klassentrakt und Dreifachturnsaal, mit einem eigenen kleinen Verwaltungsbau und einer öffentlichen Bücherei steht zwar auf einem großen, langgestreckten und durch den Lauf eines Baches romantisch grünen Grundstück – aber eben doch mitten im „Ländle“. Und was das vom Maßstab der umliegenden Bebauung her bedeutet, weiß man: Einfamilienhäuser überall. Es hätte also auch sehr schiefgehen können, eine so große Schule dazwischen hineinzubauen (wiewohl es manchmal auch gut tut, einen etwas massiveren städtebaulichen Akzent in einer so orientierungslosen Gegend zu haben).
Ines und Reinhold Bösch haben sich um Vermittlung bemüht. Erstens haben sie das Gebäude so geschickt auf dem Grundstück plaziert, daß keine unbenützbaren Restflächen entstanden sind; zweitens haben sie vor dem Eingangsbereich einen großen, eigentlich urbanen Vorplatz geschaffen; drittens blieb noch genug Raum für großzügige Sportanlagen im Freien; und last not least kommen nur die Schmalseiten des Komplexes der kleinteiligen Wohnbebauung nahe.
Die Situierung des Gebäudekomplexes ist wesentlich durch den geschwungenen Bachverlauf bestimmt und durch die Nord-Süd-Orientierung des Hauses. Eines der Kriterien im Gutachterverfahren von 1990 war nämlich ein wirtschaftliches und umweltfreundliches Energiekonzept. Die Architekten haben sich daher für passive Sonnenenergienutzung entschieden, alle Klassen ausnahmslos nach Süden orientiert und den Turnsaal nach Norden. Im Norden liegt auch der große Vorplatz mit Parkplätzen, Fahrradabstellraum und Haupteingang. Ein zweiter Zugang führt von der Bushaltestelle im Osten über eine kleine Brücke am Verwaltungsgebäude vorbei.
Dieser Zugangsbereich ist durch die skulpturale, ein wenig spitz zulaufende Durchbildung des Verwaltungsbaus mit der Bücherei und der separat erschlossenen Schulwartwohnung sehr deutlich und einladend formuliert. Überdies fallen auf den beiden Wegen hin zum Eingang zwei kleine Besonderheiten auf: Einmal – von der Haltestelle kommend – die sehr minimierte Brücke, deren Tragkonstruktion das Geländer bildet, während man auf dem Steg über hängende Holzbohlen geht. Die zweite Besonderheit sind lange, offene Sitztribünen in der Nähe des Eingangs, die auf Vorplatz und Parkplatz schauen und unter denen die Fahrradständer verborgen sind; übrigens ein durchaus spannender Raum, wenn durch die Schlitze zwischen den Stufen das Sonnenlicht in schmalen Streifen einfällt. Und man kann sich gut vorstellen, daß die Schüler in der warmen Jahreszeit von dieser Aufenthaltsmöglichkeit gern Gebrauch machen.
Die Architekten versichern, daß sie keine minimalistische Blackbox bauen wollten. Wenn man vor den 90 Meter langen, betont flächigen und geometrisierten, nur auf der Addition gleicher Teile basierenden Hauptfassaden steht, kommen einem daran Zweifel. Denn wovon sonst sollte man sprechen als von einem rigorosen Verzicht auf das nichtbegründete Detail und in diesem Sinn eben doch einer Minimalisierung? Wichtig ist vor allem, daß trotz solcher Reduktion keine Monotonie aufkommt; und die etwas schiefe, zum Bach ausgreifende Stellung des kleineren Verwaltungsbaus – in Ziegelmauerwerk und Ortbeton ausgeführt – gibt der Anlage jenen leichten Dreh, der eine spannende Situation entstehen läßt.
Man wird wie selbstverständlich hineingeführt in das Haus und erlebt auf dem Weg zu den Klassenzimmern differenzierte Raumschichten. Das ist offensichtlich eines der Themen der Architekten gewesen, da sie zunächst eine innenräumliche Situation schaffen, in der man „gleichzeitig innen und außen“ ist. Erster wichtiger Raumeindruck: ein verglastes Foyer, das sich durch das Öffnen einer Schiebewand mit dem angrenzenden Musikraum verbinden läßt und bei Veranstaltungen auch mit Speisesaal und Küche. Spektakulärstes innenräumliches Erlebnis: Die glasgedeckte Zwischenzone, die sich rund um die Turnhalle und von Eingang zu Eingang entwickelt und aus den drei Geschoßen des Hauses eine Raumeinheit macht.
Der Trick dieser dreigeschoßigen Erschließungszone, die den Turnsaal durch eine 45 Meter lange und sechs Meter hohe Glaswand optisch einbezieht, liegt darin, daß sie sich durch einen Luftraum von den Klassen absetzt, daß sie eine gewisse Distanz hält zum eigentlichen Unterrichtsraum. In den gelangt man über gläserne Brücken – nicht durchsichtig, nur durchscheinend –, was das Betreten des Klassenzimmers sicher zur bewußten und besonderen Handlung werden läßt.
Wichtig auch, daß es architektonisch in einer Schule nicht bloß dekorativ, sondern konsequent und substantiell zugeht. Und das ist hier ganz sicher der Fall: Die Schüler sind durch die Konsequenz der Architektur, die die konstruktive Struktur als Gestaltungsmittel einsetzt, einfach aufgefordert, über die Logik und Intelligenz des Bauwerks nachzudenken.
Das räumliche und konstruktive Gerippe der Schule beruht auf einem Modul von 4,2 Metern, das in den verschiedensten Unterteilungen und Vervielfachungen den Zuschnitt fast aller Räume bis hin zu den konstruktiven Bauteilen ergibt. Die Pfeilerstruktur mit ihren 2,80 Metern Breite ist außerdem durch Verglasungen geschlossen, sodaß ein ganz neues Bild von Unterricht entsteht: Das Klassenzimmer ist nicht die isolierte Zelle, in die keiner hineinschauen soll oder darf, sondern sie wird zum integralen Organ des lebendigen Organismus Schule.
Ines und Reinhold Bösch haben beim Turnsaal etwas eigenwillige Vorstellungen realisiert. Denn die Architekten sind der Ansicht, da man sich dort wohler und sicherer fühlt, wenn die Wände senkrecht und Boden und Decke parallel und waagrecht sind. Richters bemerkenswerter Turnsaal mit seiner schrägen Verglasung paßt insofern nicht ganz in ihr Konzept, ebensowenig der Turnsaal von Fellerer und Vendl in Graz.
Bei ihrem eigenen Bau ergab sich daraus aber ein konstruktives Problem, denn sie mußten einen speziellen Stegträger entwickeln, der zwischen der Vier-Grad-Neigung des Schuldaches und der 24-Grad-Neigung über Foyer und Gang vermittelt. Das haben die Architekten mit Hilfe eines speziellen Holzleimbinders erreicht, der in eine minimierte Stahlkonstruktion und in das Glasdach überleitet, sodaß sie ihr eigenes Kriterium einer bodenparallelen Unterkante der Konstruktion erreicht haben.
Energiebewußt wurde unter allen Fundamenten und den Boden berührenden Bauteilen und auch bei den Wänden für eine verstärkte Wärmedämmung gesorgt. Luftkollektoren sorgen für eine Erwärmung der Frischluft, und Wärmeüberschuß wird über Wasserspeicher weiterverwendet, ebenso die warme Klassenabluft.
Man darf vermuten, daß dieses ausgetüftelte Energiekonzept nicht das Hauptanliegen der Architekten war. Es wird aber sicher in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Für den Augenblick sind die Intelligenz und der Einfallsreichtum der architektonischen Lösung und auch die unvoreingenommene inhaltliche Auseinandersetzung von Ines und Reinhold Bösch mit dem Thema Schule überzeugend genug.
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