Bauwerk
Anukoo Fair Fashion Shop
Atelier Heiss Architekten - Wien (A) - 2011
Korrekt wie im Bioladen
Am Beginn stand die Öko-Bewegung mit selbst gestrickten XXL-Pullis. Nun präsentiert sich Fair-Trade-Mode in Wien als Haute Couture im stylishen Ambiente. Der Dritte-Welt-Laden im 21. Jahrhundert.
18. Juni 2011 - Iris Meder
Es war einmal: eine Zeit, da demonstrierte man politisch und ökologisch korrekte Gesinnung durch selbst gefärbte violette Latzhosen, windelartige Halstücher, Jute-Einkaufstaschen und selbst angerührte Cremes (die immer schnell ranzig wurden und ausflockten). Da saßen Abgeordnete des deutschen Bundestags mit Strickzeug im Plenarsaal und verarbeiteten handgesponnene Wolle zu noch mehr sackartigen Pullovern, als sie ohnehin schon am Leib trugen (das Kratzen der mitgesponnenen Dornen und Zweigstücke kennt die Autorin aus eigener Erfahrung, weswegen ihr die Häme verziehen sei).
Heute hat Deutschland seinen ersten grünen Ministerpräsidenten, und selbst konservative Politiker und Politikerinnen sehen sich aus pragmatischen Gründen gezwungen, den Ausstieg aus der Kernenergie eigentlich doch zu befürworten. So fatal die Gründe hierfür sind, so erfreulich ist dennoch das im Laufe der letzten drei Dekaden gewachsene und gefestigte Bewusstsein für eine ökologische und soziale Verantwortlichkeit auch im persönlichen Konsum. Mehr als das: Korrektes Gebaren ist schick geworden, und auch als Hollywoodstar kann man heute schon fast nicht mehr anders, als sich im superkorrekten Hybridfahrzeug fortzubewegen. Vor allem hat sich aber mit der Ausweitung der Zielgruppe auch das Angebot an korrekt produzierten und fair gehandelten Produkten erweitert. Dabei muss natürlich gesagt werden, dass biologisch produziert und fair gehandelt nicht dasselbe ist, wenn es auch naturgemäß große Schnittmengen gibt.
Für Wien bedeutete die Einrichtung des Geschäftslokals von EZA Fairer Handel (früher hieß so etwas „Dritte-Welt-Laden“) am Lichtensteg im ersten Bezirk im Jahr 2002 eine neue Sichtweise bewussten Konsums. Die fair gehandelten Produkte gewannen durch ihre Präsentation in dem als Schaufenster seiner selbst mit großer Glasfront und zurückgenommener Einrichtung mit hochwertigen Materialien gestalteten Shop ein neues, durchaus stylishes Image. Das Büro Christian Heiss plante wenig später auch den EZA-Shop in der Lerchenfelder Straße in ähnlicher Weise. Dass Christian Heiss seine Karriere mit der Einrichtung von Burgerketten-Filialen begonnen und mit dem Bau des Evangelischen Kirchenzentrums in Wien-Währing erfolgreich fortgesetzt hat, ist dabei durchaus kein Widerspruch – qualitätvolle Gestaltung im Alltag sollte eben letztlich weder ein Privileg der Hochpreis-Konsumationsklasse noch eine Antithese zu biologisch, ökologisch und ethisch verantwortungsvoller Lebensführung sein.
Heute betreibt EZA ein eigenes Modelabel namens Anukoo, was aus dem Hindi kommt und so viel wie „passend, geeignet, vorteilhaft“ bedeutet. Nicht ohne Grund – ein Großteil der verarbeiteten Baumwolle stammt von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen aus Indien, kleinere Teile aus Malaysia und Burkina Faso. Die Produzenten verpflichten sich zur Einhaltung von Kernarbeitsnormen, effizientem Wassereinsatz, soweit wie möglich reduziertem Einsatz von Pestiziden und dem Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut; bei Produktion gemäß Biostandards wird eine zusätzliche Prämie ausgezahlt. Transparenz und Qualitätskontrolle sind Voraussetzungen des gesamten Produktions- und Vertriebsprozesses. Während die Baumwolle in Mauritius in einer Spinnerei von behinderten Menschen verarbeitet wird, kommt die angebotene Seide von Handwebstühlen in indischen Dörfern – so wie es Mahatma Gandhi propagierte, um die ländliche Bevölkerung vom britischen Mutterland unabhängiger zu machen.
Auf die Gestaltung des Anukoo-Shops in der Gumpendorfer Straße haben diese Hintergründe – auch das ist ein Teil des neuen Images und Selbstverständnisses von Fair-Trade-Mode und ihren Konsumenten und Konsumentinnen – keinen sichtbaren Einfluss: Asia-Folklore darf man nicht erwarten. Den 70-Quadratmeter-Raum im szenig geprägten Bezirk Mariahilf kennzeichnen weiße Wände, das schöne, fahle Braun von Boden und Regalfronten, die in gewitterten, roh belassenen Eschenbrettern ausgeführt wurden, und das frische Apfelgrün eines als Miniatur-Lounge fungierenden Einbau-Sofas am hinteren Ende des Raumes.
Das leicht trapezförmige Geschäftslokal wurde durch den Einbau einer Zwischenwand, hinter der auf kleinem Raum zwei Umkleiden, Lager und Personal-Infrastruktur untergebracht sind, zur Keilform verdichtet. Verkaufs- und Regalpult führen die Schräge in den vorderen Teil des Geschäfts weiter, während die Seitenwände von Hängeregalen mit den (in dieser Saison hauptsächlich in Rot, Blau, Violett und Grün daherkommenden) Kleidungsstücken eingenommen werden. Unter ihnen werden auf niedrigen Sockeln Taschen, Etuis und Portemonnaies präsentiert. Mit der grünen Mini-Lounge wurde ein mit Kaffeemaschine und Leseecke ausgestatteter Ruhepunkt für urbanes Verweilen unter einem alten Fenster zum Hinterhof geschaffen. Eine halbkugelförmige weiße Deckenlampe sorgt hier zusätzlich für Intimität. Die Öffnung zum Hof erweitert außerdem den nicht besonders großen Raum durch die optische Durchlässigkeit und zweiseitige natürliche Belichtung.
Der Schriftzug des namengebenden Labels Anukoo präsentiert sich außen wie innen dezent als immaterielle Licht-Negativform, wenn er selbst leuchtend an der Fassade und innen an der Stirnwand des vorderen Raumteils (dort hinter weißen Voile-Vorhängen) beziehungsweise als indirekt beleuchtete Aussparung in der Front der hölzernen Verkaufstheke erscheint. Indirektes Licht leuchtet auch unter dem Verkaufspult hervor, während an einer Schiene unter der historischen Decke, an der freigelegte Spuren alter Bemalung sichtbar belassen wurden, montierte Strahler die zu erwerbenden Kleidungsstücke in Szene setzen – deren Preise im Übrigen nicht höher als in den Stores der großen Einkaufsstraßen sind.
„Nicht nur das Kleid muss passen, sondern auch das Umfeld, in dem es entsteht“ ist der Wahlspruch von Anukoo. Und zudem die Umgebung, in der es präsentiert wird, möchte man hinzufügen. Gelungen.
Heute hat Deutschland seinen ersten grünen Ministerpräsidenten, und selbst konservative Politiker und Politikerinnen sehen sich aus pragmatischen Gründen gezwungen, den Ausstieg aus der Kernenergie eigentlich doch zu befürworten. So fatal die Gründe hierfür sind, so erfreulich ist dennoch das im Laufe der letzten drei Dekaden gewachsene und gefestigte Bewusstsein für eine ökologische und soziale Verantwortlichkeit auch im persönlichen Konsum. Mehr als das: Korrektes Gebaren ist schick geworden, und auch als Hollywoodstar kann man heute schon fast nicht mehr anders, als sich im superkorrekten Hybridfahrzeug fortzubewegen. Vor allem hat sich aber mit der Ausweitung der Zielgruppe auch das Angebot an korrekt produzierten und fair gehandelten Produkten erweitert. Dabei muss natürlich gesagt werden, dass biologisch produziert und fair gehandelt nicht dasselbe ist, wenn es auch naturgemäß große Schnittmengen gibt.
Für Wien bedeutete die Einrichtung des Geschäftslokals von EZA Fairer Handel (früher hieß so etwas „Dritte-Welt-Laden“) am Lichtensteg im ersten Bezirk im Jahr 2002 eine neue Sichtweise bewussten Konsums. Die fair gehandelten Produkte gewannen durch ihre Präsentation in dem als Schaufenster seiner selbst mit großer Glasfront und zurückgenommener Einrichtung mit hochwertigen Materialien gestalteten Shop ein neues, durchaus stylishes Image. Das Büro Christian Heiss plante wenig später auch den EZA-Shop in der Lerchenfelder Straße in ähnlicher Weise. Dass Christian Heiss seine Karriere mit der Einrichtung von Burgerketten-Filialen begonnen und mit dem Bau des Evangelischen Kirchenzentrums in Wien-Währing erfolgreich fortgesetzt hat, ist dabei durchaus kein Widerspruch – qualitätvolle Gestaltung im Alltag sollte eben letztlich weder ein Privileg der Hochpreis-Konsumationsklasse noch eine Antithese zu biologisch, ökologisch und ethisch verantwortungsvoller Lebensführung sein.
Heute betreibt EZA ein eigenes Modelabel namens Anukoo, was aus dem Hindi kommt und so viel wie „passend, geeignet, vorteilhaft“ bedeutet. Nicht ohne Grund – ein Großteil der verarbeiteten Baumwolle stammt von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen aus Indien, kleinere Teile aus Malaysia und Burkina Faso. Die Produzenten verpflichten sich zur Einhaltung von Kernarbeitsnormen, effizientem Wassereinsatz, soweit wie möglich reduziertem Einsatz von Pestiziden und dem Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut; bei Produktion gemäß Biostandards wird eine zusätzliche Prämie ausgezahlt. Transparenz und Qualitätskontrolle sind Voraussetzungen des gesamten Produktions- und Vertriebsprozesses. Während die Baumwolle in Mauritius in einer Spinnerei von behinderten Menschen verarbeitet wird, kommt die angebotene Seide von Handwebstühlen in indischen Dörfern – so wie es Mahatma Gandhi propagierte, um die ländliche Bevölkerung vom britischen Mutterland unabhängiger zu machen.
Auf die Gestaltung des Anukoo-Shops in der Gumpendorfer Straße haben diese Hintergründe – auch das ist ein Teil des neuen Images und Selbstverständnisses von Fair-Trade-Mode und ihren Konsumenten und Konsumentinnen – keinen sichtbaren Einfluss: Asia-Folklore darf man nicht erwarten. Den 70-Quadratmeter-Raum im szenig geprägten Bezirk Mariahilf kennzeichnen weiße Wände, das schöne, fahle Braun von Boden und Regalfronten, die in gewitterten, roh belassenen Eschenbrettern ausgeführt wurden, und das frische Apfelgrün eines als Miniatur-Lounge fungierenden Einbau-Sofas am hinteren Ende des Raumes.
Das leicht trapezförmige Geschäftslokal wurde durch den Einbau einer Zwischenwand, hinter der auf kleinem Raum zwei Umkleiden, Lager und Personal-Infrastruktur untergebracht sind, zur Keilform verdichtet. Verkaufs- und Regalpult führen die Schräge in den vorderen Teil des Geschäfts weiter, während die Seitenwände von Hängeregalen mit den (in dieser Saison hauptsächlich in Rot, Blau, Violett und Grün daherkommenden) Kleidungsstücken eingenommen werden. Unter ihnen werden auf niedrigen Sockeln Taschen, Etuis und Portemonnaies präsentiert. Mit der grünen Mini-Lounge wurde ein mit Kaffeemaschine und Leseecke ausgestatteter Ruhepunkt für urbanes Verweilen unter einem alten Fenster zum Hinterhof geschaffen. Eine halbkugelförmige weiße Deckenlampe sorgt hier zusätzlich für Intimität. Die Öffnung zum Hof erweitert außerdem den nicht besonders großen Raum durch die optische Durchlässigkeit und zweiseitige natürliche Belichtung.
Der Schriftzug des namengebenden Labels Anukoo präsentiert sich außen wie innen dezent als immaterielle Licht-Negativform, wenn er selbst leuchtend an der Fassade und innen an der Stirnwand des vorderen Raumteils (dort hinter weißen Voile-Vorhängen) beziehungsweise als indirekt beleuchtete Aussparung in der Front der hölzernen Verkaufstheke erscheint. Indirektes Licht leuchtet auch unter dem Verkaufspult hervor, während an einer Schiene unter der historischen Decke, an der freigelegte Spuren alter Bemalung sichtbar belassen wurden, montierte Strahler die zu erwerbenden Kleidungsstücke in Szene setzen – deren Preise im Übrigen nicht höher als in den Stores der großen Einkaufsstraßen sind.
„Nicht nur das Kleid muss passen, sondern auch das Umfeld, in dem es entsteht“ ist der Wahlspruch von Anukoo. Und zudem die Umgebung, in der es präsentiert wird, möchte man hinzufügen. Gelungen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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