Bauwerk
Auenweide
einszueins architektur - Österreich - 2022
Eine Oase und gar nicht teuer
Wild, organisch und magisch: So lauten die zentralen Qualitäten, die von den Begründern des Wohnprojekts Auenweide vor vier Jahren definiert wurden. Nun ist die Siedlung im niederösterreichischen St. Andrä-Wördern bezogen. Ökologisch, sozial, leistbar: Es geht!
1. September 2022 - Franziska Leeb
Möglichkeiten positiver Einflussnahme auf typische Wohn- und Siedlungsformen im ländlichen Raum“ lautete der Titel einer von den Architekten Herbert Prader und Franz Fehringer Ende der 1970er-Jahre initiierten und lang nach dem Tod Praders 1987 publizierten Forschungsarbeit. Sie kritisierten den „Landschaftsfraß“, die hohen Aufschließungs- und Erhaltungskosten und auch die Lebensqualität in den neuen Einfamilienhäusern. „Ist es wirklich erstrebenswert, ein Leben fernab der größeren Gemeinschaft zu leben? Ist es wirklich soo angenehm, immer auf das Auto angewiesen zu sein? Ist es wirklich das Geld oder gar eine lang belastende Verschuldung wert?“, fragten die Studienautoren. „Anstelle lebendiger Dorfgemeinschaften treten, wuchernd wie Krebsgeschwüre, unmenschliche Siedlungen, die die Kulturlandschaft unwiederbringlich ruinieren.“
Als Gegenmodell zum Üblichen stellten sie auch partizipativ entwickelte Wohnsiedlungen vor, darunter die Ökosiedlung Gärtnerhof in Gänserndorf von Architekt Helmut Deubner. Auf einem rund 6000 Quadratmeter großen Grundstück in St. Andrä-Wördern hatte Deubner rund drei Jahrzehnte nach seiner Pioniersiedlung mit einer soziokratisch organisierten Gruppe ein Wohnprojekt bis zur Umsetzungsfähigkeit fertiggeplant, das schließlich 2015 wegen einer verhängten Bausperre scheiterte. Als das Grundstück wieder zur Verfügung stand, fanden sich eine Baugemeinschaft, die ab 2018 mit Architekt Markus Zilker und seinem Team von einszueins Architektur ein neues Projekt in Angriff nahm, in dem seit heuer 45 Erwachsene und 30 Kinder leben.
„Ohne Gemeinschaft würde ich nicht in ein Dorf ziehen“, betont eine der Bewohnerinnen. Isoliert vom Rest der Dorfgesellschaft ist die Auenweide trotz der oasenhaften Anmutung nicht. In der Zuzugsgemeinde St. Andrä-Wördern gibt es eine Reihe von Initiativen, Vereinen und Unternehmen, die sich nachhaltiges, solidarisches Leben und Wirtschaften auf die Fahnen geheftet haben – da fiel es leicht, anzudocken.
Die 25 Wohneinheiten mit Größen von 35 bis 115 Quadratmetern sind in acht Mehrfamilienhäusern untergebracht, gruppiert um einen zentralen Platz. Der Platz im Zentrum mit seinen geschwungenen unversiegelten Wegen, der begrünten Mulde, in der das Regenwasser versichern kann und der mit Aushubmaterial geformte Spielhügel signalisieren auf den ersten Blick, wie hier hohe ökologische Standards mit alltagstauglicher und gleichermaßen ästhetischer Gestaltung verbunden wurden. Kein Zaun umgrenzt die Siedlung, allein die Position der Häuser schafft eine geborgene Mitte und definiert einen klaren Siedlungseingang. Der liegt dort, wo sich zwei auf runden Grundrissen komponierte Gemeinschaftsgebäude an das Wäldchen schmiegen, das im Osten etwa ein Sechstel des Grundstücks einnimmt. Hier gibt es unter anderem Platz für kleine Konzerte und andere Veranstaltungen sowie eine große Gemeinschaftsküche. Ein Terrassenplateau verbindet die Häuser und bildet Richtung Siedlungsmitte eine Art „Dorfloggia“, während sie an der Waldseite zum wildromantischen Wandelpfad und Rückzugsort unter Bäumen wird.
Die Wohnhäuser unterliegen einem hohen Grad an Standardisierung, was einerseits wirtschaftliche Gründe hat, andererseits auch der Harmonie des Erscheinungsbildes zuträglich ist. Es wurden stets Grundmodule mit gleichen Deckenspannweiten eingesetzt, die gedreht und gespiegelt zu einander ähnlichen Häusern mit (Maisonette-)wohnungen zusammengebaut wurden. Mit Satteldächern auf den dreigeschoßigen Häusern im Norden ist die Silhouette der Auenweide gut in das vorhandene Siedlungsgefüge integriert.
Unter drei straßenseitigen Häusern wurden die Stellplätze in einem nach außen kaum in Erscheinung tretenden Parkdeck versenkt. Trotz der Lage am Übergang zu den Feldern ist ein eigener Pkw nicht lebensnotwendig, der Bahnhof ist in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Zwei Häuser sind mit Technikräumen unterkellert, die anderen berühren die Erde nur mittels Punktfundamenten. Eine Grundwasser-Wärmepumpe, ein Niedertemperatur-Nahwärmenetz und Fotovoltaik liefern umweltschonende Energie.
Das Hauptbaumaterial ist Holz, gedämmt wurde mit Stroh sowie Jute aus recycelten Kaffeesäcken. Außen schützt eine hinterlüftete Holzfassade, innen kamen statt Gipskartonwänden Lehmbauplatten und als Oberfläche ein Lehmputz zum Einsatz. Möglichst naturnahe, gesunde und in der Entsorgung unproblematische Baustoffe, lautete die Devise. Während es im privaten Einfamilienhausbau wie auch im mehrgeschoßigen Wohnbau diesbezüglich meist heißt, „aus Kostengründen nicht möglich“, mussten hier keine Abstriche gemacht werden. Das hat u. a. damit zu tun, dass nach vorheriger Anleitung durch Fachleute einfachere Arbeiten wie das Anbringen des Lehmputzes oder die Verlegung der Terrassenbeläge die Gruppe im Selbstbau erledigte.
Zur Leistbarkeit trug auch die Finanzierungsform bei. Zur Hälfte wurde über das relativ neue Modell Vermögenspool finanziert. Das funktioniert so, dass kleinere und größere Anleger:innen, die nicht zwangsläufig in der Siedlung wohnen, ihr Geld in ein sinnvolles Projekt mit realem Gegenwert investieren, statt es dem Finanzmarkt zu überantworten. Die Einlagen werden treuhänderisch verwaltet, sind in Höhe der Inflation wertgesichert und können bei Bedarf entnommen werden. So war es möglich, dass für den einmaligen Finanzierungsbeitrag von 1100 Euro pro Quadratmeter nicht zwangsläufig die Bewohner selbst aufkommen mussten, womit auch weniger finanzkräftige Menschen in der Siedlung wohnen können. Eigentümer der Siedlung ist der Verein Wohnprojekt Wördern, die Bewohner:innen sind Vereinsmitglieder und mieten ihre Wohnungen um neun Euro pro Quadratmeter inklusive Betriebskosten und Heizung, womit man durchaus mit dem Segment des geförderten Wohnbaus konkurrenzfähig ist.
Wenn Architekt und Bewohnerinnen von den Mühen der Projektentwicklung berichten, dann unterscheiden sich die Problemstellungen insofern von jenen der Häuslbauer oder Bauträger, dass sie lustvoller und kreativer bewältigt wurden. Neben den Architekten hatten auch einzelne Vereinsmitglieder Erfahrung mit selbstorganisierten Wohnprojekten, womit in Eigenregie hochprofessionell agiert werden konnte. Zwei halbtags angestellte Vereinsmitglieder kümmerten sich um die Projektkoordination. Gemeinsam und achtsam mit der Natur besser leben: Die Auenweide zeigt, dass und wie es geht.
Eine Bauvisite der Reihe „Orte vor Ort“ gibt am 16. September ab 16.30 Uhr Gelegenheit zum Lokalaugenschein. Infos und Anmeldung: www.orte-noe.at
Als Gegenmodell zum Üblichen stellten sie auch partizipativ entwickelte Wohnsiedlungen vor, darunter die Ökosiedlung Gärtnerhof in Gänserndorf von Architekt Helmut Deubner. Auf einem rund 6000 Quadratmeter großen Grundstück in St. Andrä-Wördern hatte Deubner rund drei Jahrzehnte nach seiner Pioniersiedlung mit einer soziokratisch organisierten Gruppe ein Wohnprojekt bis zur Umsetzungsfähigkeit fertiggeplant, das schließlich 2015 wegen einer verhängten Bausperre scheiterte. Als das Grundstück wieder zur Verfügung stand, fanden sich eine Baugemeinschaft, die ab 2018 mit Architekt Markus Zilker und seinem Team von einszueins Architektur ein neues Projekt in Angriff nahm, in dem seit heuer 45 Erwachsene und 30 Kinder leben.
„Ohne Gemeinschaft würde ich nicht in ein Dorf ziehen“, betont eine der Bewohnerinnen. Isoliert vom Rest der Dorfgesellschaft ist die Auenweide trotz der oasenhaften Anmutung nicht. In der Zuzugsgemeinde St. Andrä-Wördern gibt es eine Reihe von Initiativen, Vereinen und Unternehmen, die sich nachhaltiges, solidarisches Leben und Wirtschaften auf die Fahnen geheftet haben – da fiel es leicht, anzudocken.
Die 25 Wohneinheiten mit Größen von 35 bis 115 Quadratmetern sind in acht Mehrfamilienhäusern untergebracht, gruppiert um einen zentralen Platz. Der Platz im Zentrum mit seinen geschwungenen unversiegelten Wegen, der begrünten Mulde, in der das Regenwasser versichern kann und der mit Aushubmaterial geformte Spielhügel signalisieren auf den ersten Blick, wie hier hohe ökologische Standards mit alltagstauglicher und gleichermaßen ästhetischer Gestaltung verbunden wurden. Kein Zaun umgrenzt die Siedlung, allein die Position der Häuser schafft eine geborgene Mitte und definiert einen klaren Siedlungseingang. Der liegt dort, wo sich zwei auf runden Grundrissen komponierte Gemeinschaftsgebäude an das Wäldchen schmiegen, das im Osten etwa ein Sechstel des Grundstücks einnimmt. Hier gibt es unter anderem Platz für kleine Konzerte und andere Veranstaltungen sowie eine große Gemeinschaftsküche. Ein Terrassenplateau verbindet die Häuser und bildet Richtung Siedlungsmitte eine Art „Dorfloggia“, während sie an der Waldseite zum wildromantischen Wandelpfad und Rückzugsort unter Bäumen wird.
Die Wohnhäuser unterliegen einem hohen Grad an Standardisierung, was einerseits wirtschaftliche Gründe hat, andererseits auch der Harmonie des Erscheinungsbildes zuträglich ist. Es wurden stets Grundmodule mit gleichen Deckenspannweiten eingesetzt, die gedreht und gespiegelt zu einander ähnlichen Häusern mit (Maisonette-)wohnungen zusammengebaut wurden. Mit Satteldächern auf den dreigeschoßigen Häusern im Norden ist die Silhouette der Auenweide gut in das vorhandene Siedlungsgefüge integriert.
Unter drei straßenseitigen Häusern wurden die Stellplätze in einem nach außen kaum in Erscheinung tretenden Parkdeck versenkt. Trotz der Lage am Übergang zu den Feldern ist ein eigener Pkw nicht lebensnotwendig, der Bahnhof ist in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Zwei Häuser sind mit Technikräumen unterkellert, die anderen berühren die Erde nur mittels Punktfundamenten. Eine Grundwasser-Wärmepumpe, ein Niedertemperatur-Nahwärmenetz und Fotovoltaik liefern umweltschonende Energie.
Das Hauptbaumaterial ist Holz, gedämmt wurde mit Stroh sowie Jute aus recycelten Kaffeesäcken. Außen schützt eine hinterlüftete Holzfassade, innen kamen statt Gipskartonwänden Lehmbauplatten und als Oberfläche ein Lehmputz zum Einsatz. Möglichst naturnahe, gesunde und in der Entsorgung unproblematische Baustoffe, lautete die Devise. Während es im privaten Einfamilienhausbau wie auch im mehrgeschoßigen Wohnbau diesbezüglich meist heißt, „aus Kostengründen nicht möglich“, mussten hier keine Abstriche gemacht werden. Das hat u. a. damit zu tun, dass nach vorheriger Anleitung durch Fachleute einfachere Arbeiten wie das Anbringen des Lehmputzes oder die Verlegung der Terrassenbeläge die Gruppe im Selbstbau erledigte.
Zur Leistbarkeit trug auch die Finanzierungsform bei. Zur Hälfte wurde über das relativ neue Modell Vermögenspool finanziert. Das funktioniert so, dass kleinere und größere Anleger:innen, die nicht zwangsläufig in der Siedlung wohnen, ihr Geld in ein sinnvolles Projekt mit realem Gegenwert investieren, statt es dem Finanzmarkt zu überantworten. Die Einlagen werden treuhänderisch verwaltet, sind in Höhe der Inflation wertgesichert und können bei Bedarf entnommen werden. So war es möglich, dass für den einmaligen Finanzierungsbeitrag von 1100 Euro pro Quadratmeter nicht zwangsläufig die Bewohner selbst aufkommen mussten, womit auch weniger finanzkräftige Menschen in der Siedlung wohnen können. Eigentümer der Siedlung ist der Verein Wohnprojekt Wördern, die Bewohner:innen sind Vereinsmitglieder und mieten ihre Wohnungen um neun Euro pro Quadratmeter inklusive Betriebskosten und Heizung, womit man durchaus mit dem Segment des geförderten Wohnbaus konkurrenzfähig ist.
Wenn Architekt und Bewohnerinnen von den Mühen der Projektentwicklung berichten, dann unterscheiden sich die Problemstellungen insofern von jenen der Häuslbauer oder Bauträger, dass sie lustvoller und kreativer bewältigt wurden. Neben den Architekten hatten auch einzelne Vereinsmitglieder Erfahrung mit selbstorganisierten Wohnprojekten, womit in Eigenregie hochprofessionell agiert werden konnte. Zwei halbtags angestellte Vereinsmitglieder kümmerten sich um die Projektkoordination. Gemeinsam und achtsam mit der Natur besser leben: Die Auenweide zeigt, dass und wie es geht.
Eine Bauvisite der Reihe „Orte vor Ort“ gibt am 16. September ab 16.30 Uhr Gelegenheit zum Lokalaugenschein. Infos und Anmeldung: www.orte-noe.at
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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