Bauwerk
Volksschule und Mehrzwecksaal Dobl
Leitner Pretterhofer Simbeni Architekten - Dobl (A) - 2000
Streulicht ins Schulhausherz
Oftmals überanstrengt zeitgenössisch, nicht selten volkstümelnd: Schulhausbau auf dem Land. Anders in Dobl bei Graz: Dort haben Klaus Leitner, Peter Pretterhofer und Sonja Simbeni eine Volksschule mit Mehrzwecksaal intelligent in die Landschaft hinzugefügt.
30. September 2000 - Walter Zschokke
Wenige Autominuten süd- westlich von Graz liegt das Dorf Dobl am Fuß eines niedrigen Hügelzugs, dessen flache Kuppe ein kleines Schloß, die Kirche, das alte Schulhaus sowie einige Nebengebäude und mehrere Wohnhäuser trägt. Ostseitig, an der Geländeschulter, schließen zwei neu errichtete Baukörper für Volksschule und Mehrzwecksaal den Kirchenbezirk räumlich ab.
Keine 200 Meter weiter nördlich ragt ein konstruktiv interessanter Sendemast in den Himmel, dem umfangreiche Baulichkeiten zugeordnet sind, die erkennbar aus den frühen vierziger Jahren stammen. Es handelt sich um die ehemalige Station „Alpen“ des Senders „Donau und Alpen“ mit einer Reichweite von Norwegen bis Nordafrika. Später sendete von hier der ORF; heute dienen die Räume einem Privatradio. Im Ausgedinge trägt der Mast eine Batterie Mobilfunkantennen.
Die Anlage steht unter Denkmalschutz. Friedrich Achleitner, der die monumentale Baukörperfolge entlang der Hangkante vor Jahren registrierte, attestiert ihr insofern Bedeutung, als es sich „um ein selten gut erhaltenes Beispiel eines technischen Baus handelt, der unter rigorosen ideologischen Bedingungen entstand“.
Nun, dieselbe Hangkante trägt auch die uns interessierenden Schulgebäude. Der Entwurf lehnt sich gestalterisch nicht an die nördliche Nachbarschaft an. Siedlungsbaulicher Bezug ist die Gebäudegruppe um die Kirche. Die Architekten verdrängen nicht, sondern analysieren nüchtern den prinzipiellen Charakter der ordensburghaft dräuenden Anlage. Und stoßen dabei auf die Art, wie Architekt Walther Schmidt, Berlin, sich auf die Topographie bezog. Das übrige an gestalterischem Ausdruck sei Fachleuten Mahnung, sogar Warnung, eine Identifikation mit demonstrativ totalitärer Machtpolitik vorher zu bedenken, nicht nachher zu vermelden, man hätte nicht anders gekonnt. Achleitner „erscheint die Anlage als eine Art Psychogramm einer Ideologie und als Akt der symbolischen Verklammerung gespaltener, ja konträrer Interessen“.
Jedenfalls vermieden die Entwerfenden - Klaus Leitner, Peter Pretterhofer und Sonja Simbeni - eine Überreaktion. Sie plazierten ihre breitgelagerten Baukörper solcherart an die Hangkante, daß die beiden Teile in der Ansicht von Osten, von wo auch die neue Zufahrt erfolgt, den spitzbehelmten Kirchturm flankieren. Im südlichen Trakt (im Bild rechts) befindet sich die Volksschule, im nördlichen Trakt der Mehrzwecksaal. Von der hofartigen Plattform dazwischen bietet sich ein Ausblick über den sanften Abhang, Straße und Wald. Talseitig wird erkennbar, daß die beiden von oben getrennt scheinenden Teile im unteren Geschoß verbunden sind. Längs über beide Baukörper ziehen sich hohe Dachaufsätze, die über der Mehrzweckhalle den Lüftungsaggregaten, über der Schule jedoch einer durchdachten Innenbelichtung dienen.
Ein erdig dunkles Rot verleiht dem Äußeren der Anlage elementare Kraft, deutet aber zugleich nach Skandinavien: zu Gunnar Asplund und anderen. Nein, hier stand nicht die „Grazer Schule“ Pate, sondern eine in der Steiermark vorhandene schmale Architekturströmung, die auf das Wirken von Franz Riepl zurückzuführen ist. Klaus Leitner und Peter Pretterhofer, ehemalige Assistenten des Grazer Professors, sowie Sonja Simbeni haben als Team den 1998 ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Anton Weber, der durchsetzungskräftige junge Bürgermeister von Dobl gab als Bauherr Tempo vor, und zum heurigen Schulbeginn wurde eröffnet.
Was heute von außen betrachtet zurückhaltend selbstbewußt dasteht, birgt im Inneren eine räumlich interessante und von der Lichtführung her wirkungsstarke Konstellation versetzter Ebenen und räumlicher Durchdringungen. Der an seiner Längsseite nach Osten geöffnete Dachaufsatz läßt das Licht auf die gegenüberliegende gebäudelange Wandscheibe fallen. Von hier wird es diffus hinunter in die Ganghalle reflektiert, die längs mittig das Bauwerk durchzieht. Ohne Blendung gelangt damit eine große Lichtfülle in den die gesamte Anlage erschließenden Raum.
Die obere Zugangsebene greift ins Bauwerk hinein, wo ein geräumiges Foyer bei Regenwetter als Pausenbereich dient. Von hier führen zwei Stiegenanlagen zu den beiden halbgeschoßig versetzten Ebenen der ostorientierten Klassenzimmer. Einmal quer zur Längsachse, die vom vertikalen Lichtraum verkörpert wird, und einmal parallel dazu, was erlaubt, beim Wechsel der Niveaus den hohen Längsraum auf zwei Arten zu erfahren.
Derzeit modische Glasbrüstungen sucht man hier vergebens, weil die Entwerfenden massive Brüstungen zur räumlichen Definition sowie als lichtstreuende Flächen einsetzen. Daß sich unter der Spachtelung und einem dematerialisierend weißen Anstrich meist scheibenförmige, strukturell tragende Glieder aus Stahlbeton verbergen, wird nur fachkundigen Beobachtern auffallen. Sie ermöglichen jedoch langgezogene, stützenfreie Öffnungen, die vor allem räumlich wirken, ohne ihre statisch-konstruktive Funktion in den Vordergrund zu stellen.
Die Lichtfülle läßt einen attraktiven Binnenraum entstehen: nicht Lichthof, nicht Korridor, eher ein räumliches Herz des Schulgebäudes, von dem alle angrenzenden Zimmer und Räume profitieren. Vom Foyer blickt man diagonal durch gangseitige Oberlichter über die Köpfe der somit ungestört lernenden Schüler hinweg, aus den ostseitigen Fenstern auf die Wiese. Auch in dieser Außenmauer wird das Prinzip einer - in diesem Fall gelochten - Scheibe angewendet.
Um dies anzudeuten, sind die Fenster versetzt angeordnet. Im Grundriß ist die aus dem Versatz resultierende halbe Klasse als Gruppenraum vermerkt. Scheinbar formale Aspekte erweisen sich damit als mit dem Kontext des architektonisch sorgfältig durchkomponierten Gesamtkonzepts vernetzt.
Der Mehrzwecksaal öffnet sich nach Osten auf einen Vorplatz, den ein halbes Dutzend Linden in wenigen Jahren beschatten werden. Im Inneren verschwinden die Sportgeräte hinter Wandverkleidungen, weil man für die zahlreichen Anlässe der Dorfgemeinschaft den Turnhallencharakter hintan halten wollte. Eine einfache Bar im unteren Foyer, von einer schwenkbaren Wand verdeckt, verspricht heiteres Festefeiern. Damit ist für Schule und Dorfgemeinschaft doppelt vorgesorgt: architektonisch auf überregional herzeigbarem Niveau, ist das Bauwerk zugleich einfühlsam gegenüber Ansprüchen des lokalen Dorflebens.
Keine 200 Meter weiter nördlich ragt ein konstruktiv interessanter Sendemast in den Himmel, dem umfangreiche Baulichkeiten zugeordnet sind, die erkennbar aus den frühen vierziger Jahren stammen. Es handelt sich um die ehemalige Station „Alpen“ des Senders „Donau und Alpen“ mit einer Reichweite von Norwegen bis Nordafrika. Später sendete von hier der ORF; heute dienen die Räume einem Privatradio. Im Ausgedinge trägt der Mast eine Batterie Mobilfunkantennen.
Die Anlage steht unter Denkmalschutz. Friedrich Achleitner, der die monumentale Baukörperfolge entlang der Hangkante vor Jahren registrierte, attestiert ihr insofern Bedeutung, als es sich „um ein selten gut erhaltenes Beispiel eines technischen Baus handelt, der unter rigorosen ideologischen Bedingungen entstand“.
Nun, dieselbe Hangkante trägt auch die uns interessierenden Schulgebäude. Der Entwurf lehnt sich gestalterisch nicht an die nördliche Nachbarschaft an. Siedlungsbaulicher Bezug ist die Gebäudegruppe um die Kirche. Die Architekten verdrängen nicht, sondern analysieren nüchtern den prinzipiellen Charakter der ordensburghaft dräuenden Anlage. Und stoßen dabei auf die Art, wie Architekt Walther Schmidt, Berlin, sich auf die Topographie bezog. Das übrige an gestalterischem Ausdruck sei Fachleuten Mahnung, sogar Warnung, eine Identifikation mit demonstrativ totalitärer Machtpolitik vorher zu bedenken, nicht nachher zu vermelden, man hätte nicht anders gekonnt. Achleitner „erscheint die Anlage als eine Art Psychogramm einer Ideologie und als Akt der symbolischen Verklammerung gespaltener, ja konträrer Interessen“.
Jedenfalls vermieden die Entwerfenden - Klaus Leitner, Peter Pretterhofer und Sonja Simbeni - eine Überreaktion. Sie plazierten ihre breitgelagerten Baukörper solcherart an die Hangkante, daß die beiden Teile in der Ansicht von Osten, von wo auch die neue Zufahrt erfolgt, den spitzbehelmten Kirchturm flankieren. Im südlichen Trakt (im Bild rechts) befindet sich die Volksschule, im nördlichen Trakt der Mehrzwecksaal. Von der hofartigen Plattform dazwischen bietet sich ein Ausblick über den sanften Abhang, Straße und Wald. Talseitig wird erkennbar, daß die beiden von oben getrennt scheinenden Teile im unteren Geschoß verbunden sind. Längs über beide Baukörper ziehen sich hohe Dachaufsätze, die über der Mehrzweckhalle den Lüftungsaggregaten, über der Schule jedoch einer durchdachten Innenbelichtung dienen.
Ein erdig dunkles Rot verleiht dem Äußeren der Anlage elementare Kraft, deutet aber zugleich nach Skandinavien: zu Gunnar Asplund und anderen. Nein, hier stand nicht die „Grazer Schule“ Pate, sondern eine in der Steiermark vorhandene schmale Architekturströmung, die auf das Wirken von Franz Riepl zurückzuführen ist. Klaus Leitner und Peter Pretterhofer, ehemalige Assistenten des Grazer Professors, sowie Sonja Simbeni haben als Team den 1998 ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Anton Weber, der durchsetzungskräftige junge Bürgermeister von Dobl gab als Bauherr Tempo vor, und zum heurigen Schulbeginn wurde eröffnet.
Was heute von außen betrachtet zurückhaltend selbstbewußt dasteht, birgt im Inneren eine räumlich interessante und von der Lichtführung her wirkungsstarke Konstellation versetzter Ebenen und räumlicher Durchdringungen. Der an seiner Längsseite nach Osten geöffnete Dachaufsatz läßt das Licht auf die gegenüberliegende gebäudelange Wandscheibe fallen. Von hier wird es diffus hinunter in die Ganghalle reflektiert, die längs mittig das Bauwerk durchzieht. Ohne Blendung gelangt damit eine große Lichtfülle in den die gesamte Anlage erschließenden Raum.
Die obere Zugangsebene greift ins Bauwerk hinein, wo ein geräumiges Foyer bei Regenwetter als Pausenbereich dient. Von hier führen zwei Stiegenanlagen zu den beiden halbgeschoßig versetzten Ebenen der ostorientierten Klassenzimmer. Einmal quer zur Längsachse, die vom vertikalen Lichtraum verkörpert wird, und einmal parallel dazu, was erlaubt, beim Wechsel der Niveaus den hohen Längsraum auf zwei Arten zu erfahren.
Derzeit modische Glasbrüstungen sucht man hier vergebens, weil die Entwerfenden massive Brüstungen zur räumlichen Definition sowie als lichtstreuende Flächen einsetzen. Daß sich unter der Spachtelung und einem dematerialisierend weißen Anstrich meist scheibenförmige, strukturell tragende Glieder aus Stahlbeton verbergen, wird nur fachkundigen Beobachtern auffallen. Sie ermöglichen jedoch langgezogene, stützenfreie Öffnungen, die vor allem räumlich wirken, ohne ihre statisch-konstruktive Funktion in den Vordergrund zu stellen.
Die Lichtfülle läßt einen attraktiven Binnenraum entstehen: nicht Lichthof, nicht Korridor, eher ein räumliches Herz des Schulgebäudes, von dem alle angrenzenden Zimmer und Räume profitieren. Vom Foyer blickt man diagonal durch gangseitige Oberlichter über die Köpfe der somit ungestört lernenden Schüler hinweg, aus den ostseitigen Fenstern auf die Wiese. Auch in dieser Außenmauer wird das Prinzip einer - in diesem Fall gelochten - Scheibe angewendet.
Um dies anzudeuten, sind die Fenster versetzt angeordnet. Im Grundriß ist die aus dem Versatz resultierende halbe Klasse als Gruppenraum vermerkt. Scheinbar formale Aspekte erweisen sich damit als mit dem Kontext des architektonisch sorgfältig durchkomponierten Gesamtkonzepts vernetzt.
Der Mehrzwecksaal öffnet sich nach Osten auf einen Vorplatz, den ein halbes Dutzend Linden in wenigen Jahren beschatten werden. Im Inneren verschwinden die Sportgeräte hinter Wandverkleidungen, weil man für die zahlreichen Anlässe der Dorfgemeinschaft den Turnhallencharakter hintan halten wollte. Eine einfache Bar im unteren Foyer, von einer schwenkbaren Wand verdeckt, verspricht heiteres Festefeiern. Damit ist für Schule und Dorfgemeinschaft doppelt vorgesorgt: architektonisch auf überregional herzeigbarem Niveau, ist das Bauwerk zugleich einfühlsam gegenüber Ansprüchen des lokalen Dorflebens.
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