Veranstaltung
BAUEN! Jüdische Identität in der zeitgenössischen Architektur
Ausstellung
3. März 2005 bis 29. Mai 2005
Jüdisches Museum Berlin, Altbau, 1.OG
Veranstalter:in: Jüdisches Museum Berlin
Architektur und Identität
Zeitgenössische Bauten für die jüdische Gemeinschaft
6. Mai 2005 - Roman Hollenstein
Die klassische Moderne strebte einst eine international gültige Architektur an, die funktionale Klarheit, formale Einfachheit und materielle Ehrlichkeit über alle regionalen oder kulturellen Ansprüche setzte. Dies wirkt bedingt bis heute nach, wenn etwa das japanische Büro Sanaa für Lausanne, Herzog & de Meuron aber für Peking planen, ohne dass sie ihr jeweiliges Idiom aufgeben müssen. Allerdings haben sich die international tätigen Baukünstler längst von der Anonymität der Moderne losgesagt und eine Architektur der Markenzeichen entwickelt, die vor allem ihre eigene Identität zelebriert. Die Frage, ob die heutige Baukunst - über die banale Inszenierung von Corporate Identity hinaus - auch der Identität einzelner Auftraggeber oder gar ganzer Gemeinschaften gerecht werden kann, stellt sich nun im Zusammenhang mit der Ausstellung «Jüdische Identität in der zeitgenössischen Architektur», die, aus Amsterdam kommend (NZZ 13. 4. 04), zurzeit im Jüdischen Museum in Berlin siebzehn Bauten und Projekte von zwölf Architekten präsentiert. Dabei gibt das Ausstellungsgebäude von Daniel Libeskind als eines der Hauptexponate besonders interessanten Anschauungsstoff. Deckt sich doch das Bewegte und Instabile dieses Bauwerks mit Bruno Zevis Sicht der jüdischen Architektur, als deren Charakteristika er 1993 in seiner Schrift «Ebraismo ed Architettura» das Dynamische und Expressive zu erkennen glaubte.
Nun zeigt aber die Schau auch statische Bauten wie die monolithische Synagoge von Wandel Hoefer Lorch und Hirsch in Dresden oder die burgartige Cymbalista-Synagoge von Mario Botta in Tel Aviv, die beide - von Louis Kahns unrealisierter Hurvah-Synagoge in Jerusalem inspiriert - den Dualismus von Stiftszelt und Tempel thematisieren und so im weitesten Sinne der jüdischen Tradition verpflichtet sind. Nicht zuletzt durch ihre Funktion bedingt, versuchen diese Bauten etwas unverwechselbar Jüdisches zu vermitteln: sowohl über spezifisch räumliche Ausformungen als auch bezüglich der symbolischen Inhalte.
Libeskinds Berliner Museum hingegen verweist von seiner äusseren Form her zunächst einmal auf den Meister selbst und könnte damit ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Erst das Innere mit seinen dramatischen Leerräumen stellt den Bezug zur Shoah und damit auch zur Geschichte der Juden in Deutschland her. In die Ausstellung wurde - ausser Katalog - aber auch Libeskinds jüngstes Berliner Projekt aufgenommen: die Hofüberdachung des barocken Altbaus von Berlins Jüdischem Museum. Hier beziehen sich einzig der Arbeitstitel «Sukkah», der an die temporären Bauten des Laubhüttenfests erinnert, und mit ihm das baumförmige Stützsystem auf den jüdischen Kontext. Das geplante Bauwerk selbst hat aber nicht viel mit jüdischen Inhalten gemein. Spätestens hier verrät die konzeptuelle Unschärfe der Schau, dass im Grunde kaum von einer «jüdischen Identität in der zeitgenössischen Architektur» gesprochen werden kann. Einen Zusammenhang zwischen zeitgenössischer Architektur und jüdischer Identität existiert aber insofern, als die in der Ausstellung versammelten Synagogen, Museen, Schulen und Mahnmale durch ihre architektonische Qualität das Selbstwertgefühl der Juden in der Diaspora zu stärken vermögen.
Peter Eisenman scheint die inhaltlichen Widersprüche der Schau erkannt zu haben, als er sich gegen eine in diesem Rahmen nicht sehr passende Aufnahme seines Holocaust-Mahnmals in die Berliner Präsentation aussprach. Trotz ihren Ungereimtheiten ist die Ausstellung sehenswert: zum einen wegen ihrer Exponate, dann aber auch, weil sie zum Nachdenken über Architektur und Identität ganz allgemein anregt. Zu beanstanden ist höchstens, dass auch in Berlin auf die Präsentation des von Manuel Herz 1999 entworfenen jüdischen Zentrums Mainz, des seit Louis Kahn vielleicht weltweit interessantesten Synagogenprojekts, verzichtet wurde. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass dieser aussergewöhnliche, entfernt dem Dekonstruktivismus verpflichtete Entwurf des jungen Kölner Architekten, der sich in seiner Recherche wie kein anderer mit Wesen und Geschichte der europäischen Juden beschäftigt hat, bald gebaut werden kann.
[ Bis 29. Mai in Berlin, anschliessend in Wien, München und London. Katalog: Jüdische Identität in der zeitgenössischen Architektur. Hrsg. Angeli Sachs. Prestel-Verlag, München 2004. 176 S., Fr. 100.- (Euro 29.95 in der Ausstellung). ]
Nun zeigt aber die Schau auch statische Bauten wie die monolithische Synagoge von Wandel Hoefer Lorch und Hirsch in Dresden oder die burgartige Cymbalista-Synagoge von Mario Botta in Tel Aviv, die beide - von Louis Kahns unrealisierter Hurvah-Synagoge in Jerusalem inspiriert - den Dualismus von Stiftszelt und Tempel thematisieren und so im weitesten Sinne der jüdischen Tradition verpflichtet sind. Nicht zuletzt durch ihre Funktion bedingt, versuchen diese Bauten etwas unverwechselbar Jüdisches zu vermitteln: sowohl über spezifisch räumliche Ausformungen als auch bezüglich der symbolischen Inhalte.
Libeskinds Berliner Museum hingegen verweist von seiner äusseren Form her zunächst einmal auf den Meister selbst und könnte damit ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Erst das Innere mit seinen dramatischen Leerräumen stellt den Bezug zur Shoah und damit auch zur Geschichte der Juden in Deutschland her. In die Ausstellung wurde - ausser Katalog - aber auch Libeskinds jüngstes Berliner Projekt aufgenommen: die Hofüberdachung des barocken Altbaus von Berlins Jüdischem Museum. Hier beziehen sich einzig der Arbeitstitel «Sukkah», der an die temporären Bauten des Laubhüttenfests erinnert, und mit ihm das baumförmige Stützsystem auf den jüdischen Kontext. Das geplante Bauwerk selbst hat aber nicht viel mit jüdischen Inhalten gemein. Spätestens hier verrät die konzeptuelle Unschärfe der Schau, dass im Grunde kaum von einer «jüdischen Identität in der zeitgenössischen Architektur» gesprochen werden kann. Einen Zusammenhang zwischen zeitgenössischer Architektur und jüdischer Identität existiert aber insofern, als die in der Ausstellung versammelten Synagogen, Museen, Schulen und Mahnmale durch ihre architektonische Qualität das Selbstwertgefühl der Juden in der Diaspora zu stärken vermögen.
Peter Eisenman scheint die inhaltlichen Widersprüche der Schau erkannt zu haben, als er sich gegen eine in diesem Rahmen nicht sehr passende Aufnahme seines Holocaust-Mahnmals in die Berliner Präsentation aussprach. Trotz ihren Ungereimtheiten ist die Ausstellung sehenswert: zum einen wegen ihrer Exponate, dann aber auch, weil sie zum Nachdenken über Architektur und Identität ganz allgemein anregt. Zu beanstanden ist höchstens, dass auch in Berlin auf die Präsentation des von Manuel Herz 1999 entworfenen jüdischen Zentrums Mainz, des seit Louis Kahn vielleicht weltweit interessantesten Synagogenprojekts, verzichtet wurde. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass dieser aussergewöhnliche, entfernt dem Dekonstruktivismus verpflichtete Entwurf des jungen Kölner Architekten, der sich in seiner Recherche wie kein anderer mit Wesen und Geschichte der europäischen Juden beschäftigt hat, bald gebaut werden kann.
[ Bis 29. Mai in Berlin, anschliessend in Wien, München und London. Katalog: Jüdische Identität in der zeitgenössischen Architektur. Hrsg. Angeli Sachs. Prestel-Verlag, München 2004. 176 S., Fr. 100.- (Euro 29.95 in der Ausstellung). ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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