Veranstaltung
Zaha Hadid
Ausstellung
3. Juni 2006 bis 25. Oktober 2006
Guggenheim Museum
New York
New York
Veranstalter:in: Guggenheim Foundation
Ein Laufsteg für die Diva
Die Architektin Zaha Hadid im New Yorker Guggenheim Museum
Das New Yorker Guggenheim Museum feiert Zaha Hadid, das Enfant terrible der zeitgenössischen Architektur, mit einer breit angelegten Retrospektive. Die Ausstellung in Frank Lloyd Wrights Museumsrotunde ist ein fulminanter Bilderreigen, der viele Fragen offen lässt.
1. Juli 2006 - Martino Stierli
Nach der vielbesuchten Frank-Gehry-Schau im Jahr 2001 ist die derzeitige Zaha-Hadid-Ausstellung für das vor bald fünfzig Jahren nach Plänen von Frank Lloyd Wright errichtete Guggenheim Museum in New York die zweite üppig ausgebreitete Retrospektive zu einem Star der zeitgenössischen Architektur. Die 1950 in Bagdad geborene und in London tätige Zaha Hadid, die 2004 als erste und bisher einzige Frau mit dem Pritzker- Architekturpreis geadelt wurde, versteht die New Yorker Veranstaltung als eine Art «Heimkehr», hatte sie doch 1992 für die Ausstellung «The Great Utopia» zur sowjetischen Avantgardearchitektur im Guggenheim Museum das Ausstellungsdesign beigesteuert. Daneben machte sie sich mit ihren prächtigen Architekturbildern auf dem Kunstmarkt einen Namen. Denn ihre architektonischen Visionen galten als unausführbar - bis sie 1994 mit dem Vitra-Feuerwehrhaus in Weil am Rhein den Gegenbeweis antreten konnte.
Schau mit Schwächen
Dass sich das Guggenheim 1992 nicht zufällig an die umtriebige Baukünstlerin gewandt hatte, wird bei einem Gang durch die kürzlich eröffnete Retrospektive deutlich. Diese beleuchtet von Hadids Diplomarbeit an der Londoner Architectural Association im Jahre 1977 bis zur Gegenwart das Gesamtwerk der Architektin und Designerin. Der Schwerpunkt der weitgehend chronologisch aufgebauten Ausstellung liegt bei den grossformatigen Architekturbildern, mit denen der Rundgang eröffnet wird. Für das Medium der Malerei hatte sich Hadid entschieden, weil konventionelle Mittel der architektonischen Repräsentation wie der Grund- und Aufriss oder die Isometrie ihrer Meinung nach dem Entwurf und der Darstellung ihrer experimentellen Raumgebilde nicht genügten. In der Tat handelt es sich um abstrakte Gemälde, die von architektonischer Vorstellungskraft zeugen, aber keine physische Wirklichkeit wiedergeben. Charakteristisch ist das Nebeneinander unterschiedlicher Perspektiven, das es den Betrachtern schwer macht, die Bilder zu dechiffrieren. Es sind gemalte Architektur-Utopien, die an die von gesellschaftlichem Aufbruch und technischem Optimismus geprägten 1960er Jahre ebenso anschliessen wie an die Arbeiten der konstruktivistisch ausgerichteten russischen Avantgarde der 1920er Jahre.
Deren Einfluss ist in Hadids Frühwerk allenthalben ablesbar; die Diplomarbeit «Malewitschs Tektonik» das erste Exponat der Ausstellung bildet gleichsam eine Hommage an den Protagonisten der suprematistischen Malerei. Von visueller Prägnanz und bisweilen berückender Schönheit sind die zweidimensionalen Stadtlandschaften. Sie bezeugen Hadids intensive Recherche an der Schnittstelle von Architektur und Städtebau, die 2003 mit dem Rosenthal Center for Contemporary Art in Cincinnati eine überzeugende Umsetzung fand. Besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang auch das längst legendäre Projekt «The Peak» in Hongkong, mit dem Hadid 1983 schlagartig ins Rampenlicht der Architekturwelt trat. Die Präsentation des Projekts zusammen mit ihren frühesten, ungefähr zeitgleich ausgeführten Möbelentwürfen auf der ersten Rampe von Wrights Rotunde unterstreicht die zentrale Bedeutung dieser Arbeit auch in der Ausstellung.
Dass die Schau primär um formale Fragestellungen kreist, wird in der Sektion der ästhetisch nicht minder ansprechenden Modelle - vom Papierrelief bis hin zur Kunstharzmaquette - deutlich. Dieser Abschnitt bricht den chronologischen Ablauf der Ausstellung vorübergehend auf: Die Modelle sind zu thematischen Blöcken gruppiert und zeigen dabei entwerferische Grundkonstanten Hadids auf. Sie basieren auf Begriffen wie «Felder», «Bänder» oder «Clusters», die den konzeptuellen Ansatz ihrer Architektur illustrieren. Die Sichtbarmachung des Transformationsvorgangs von abstrakten Kräften im urbanen Raum zum gebauten Körper ist eines der Verdienste des für die Ausstellung gewählten formalistischen Ansatzes. Allerdings geht dieser auf Kosten des Informationsgehalts, aber auch der Dokumentation der realisierten Bauten, die nur am Rande mit einigen Schwarzweissfotografien und eingestreuten Videoprojektionen geleistet wird.
Dabei kommen hauptsächlich Grossbauten aus jüngster Zeit wie das Phæno Science Center in Wolfsburg oder die BMW-Fabrik in Leipzig (beide 2005), aber auch Infrastrukturbauten wie die Tramendstation in Strassburg zur Sprache. Unbefriedigend ist auch die Präsentation der aktuellen Projekte im zweiten Teil der Ausstellung. Sie sind wie Tapeten als grossformatige Farbbilder und Renderings auf ondulierende Seitenwände aufgezogen und lassen jede Hintergrundinformation vermissen. Die Visualisierung von Bauwerken ist ebenso wenig das Ziel der Schau wie die Präsentation des Architekturbüros als kreativer Werkstatt, wie es jüngst bei den Ausstellungen von Renzo Piano, Rem Koolhaas oder Herzog & de Meuron der Fall war.
Verflüssigung des Raums
Dafür trägt der chronologische Ausstellungsaufbau zum Verständnis der Evolution des formalen Repertoires bei. Während Hadids frühe Arbeiten mit ihren (de)konstruktivistischen Anleihen von einer Hard-Edge-Ästhetik geprägt sind, zeigt sich in den jüngeren Projekten von urbanem Massstab mehr und mehr eine Tendenz zur Verflüssigung, indem sich die futuristischen Entwürfe als geronnene Hohlformen dynamischer Kraftfelder oder als Kommunikations- und Bewegungskanäle der Stadt erweisen.
Das Thema der Verflüssigung des Raumes die grundlegende Entwicklungstendenz von Hadids Architektur in den vergangenen drei Jahrzehnten knüpft überdies an den Genius Loci an, wurde doch schon Wrights Museumsbau in der zeitgenössischen Kritik als Triumph räumlicher Verflüssigung gefeiert. Die Dialektik zwischen dem Oberpriester der Moderne und der Diva des zeitgenössischen Architekturbetriebs hätte in diesem Spannungsfeld durchaus noch eine pointiertere Inszenierung erlaubt.
[ Bis 25. Oktober. Katalog: Zaha Hadid. Guggenheim Museum Publications / D. A. P., New York 2006. 198 S., $ 39.95. ]
Schau mit Schwächen
Dass sich das Guggenheim 1992 nicht zufällig an die umtriebige Baukünstlerin gewandt hatte, wird bei einem Gang durch die kürzlich eröffnete Retrospektive deutlich. Diese beleuchtet von Hadids Diplomarbeit an der Londoner Architectural Association im Jahre 1977 bis zur Gegenwart das Gesamtwerk der Architektin und Designerin. Der Schwerpunkt der weitgehend chronologisch aufgebauten Ausstellung liegt bei den grossformatigen Architekturbildern, mit denen der Rundgang eröffnet wird. Für das Medium der Malerei hatte sich Hadid entschieden, weil konventionelle Mittel der architektonischen Repräsentation wie der Grund- und Aufriss oder die Isometrie ihrer Meinung nach dem Entwurf und der Darstellung ihrer experimentellen Raumgebilde nicht genügten. In der Tat handelt es sich um abstrakte Gemälde, die von architektonischer Vorstellungskraft zeugen, aber keine physische Wirklichkeit wiedergeben. Charakteristisch ist das Nebeneinander unterschiedlicher Perspektiven, das es den Betrachtern schwer macht, die Bilder zu dechiffrieren. Es sind gemalte Architektur-Utopien, die an die von gesellschaftlichem Aufbruch und technischem Optimismus geprägten 1960er Jahre ebenso anschliessen wie an die Arbeiten der konstruktivistisch ausgerichteten russischen Avantgarde der 1920er Jahre.
Deren Einfluss ist in Hadids Frühwerk allenthalben ablesbar; die Diplomarbeit «Malewitschs Tektonik» das erste Exponat der Ausstellung bildet gleichsam eine Hommage an den Protagonisten der suprematistischen Malerei. Von visueller Prägnanz und bisweilen berückender Schönheit sind die zweidimensionalen Stadtlandschaften. Sie bezeugen Hadids intensive Recherche an der Schnittstelle von Architektur und Städtebau, die 2003 mit dem Rosenthal Center for Contemporary Art in Cincinnati eine überzeugende Umsetzung fand. Besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang auch das längst legendäre Projekt «The Peak» in Hongkong, mit dem Hadid 1983 schlagartig ins Rampenlicht der Architekturwelt trat. Die Präsentation des Projekts zusammen mit ihren frühesten, ungefähr zeitgleich ausgeführten Möbelentwürfen auf der ersten Rampe von Wrights Rotunde unterstreicht die zentrale Bedeutung dieser Arbeit auch in der Ausstellung.
Dass die Schau primär um formale Fragestellungen kreist, wird in der Sektion der ästhetisch nicht minder ansprechenden Modelle - vom Papierrelief bis hin zur Kunstharzmaquette - deutlich. Dieser Abschnitt bricht den chronologischen Ablauf der Ausstellung vorübergehend auf: Die Modelle sind zu thematischen Blöcken gruppiert und zeigen dabei entwerferische Grundkonstanten Hadids auf. Sie basieren auf Begriffen wie «Felder», «Bänder» oder «Clusters», die den konzeptuellen Ansatz ihrer Architektur illustrieren. Die Sichtbarmachung des Transformationsvorgangs von abstrakten Kräften im urbanen Raum zum gebauten Körper ist eines der Verdienste des für die Ausstellung gewählten formalistischen Ansatzes. Allerdings geht dieser auf Kosten des Informationsgehalts, aber auch der Dokumentation der realisierten Bauten, die nur am Rande mit einigen Schwarzweissfotografien und eingestreuten Videoprojektionen geleistet wird.
Dabei kommen hauptsächlich Grossbauten aus jüngster Zeit wie das Phæno Science Center in Wolfsburg oder die BMW-Fabrik in Leipzig (beide 2005), aber auch Infrastrukturbauten wie die Tramendstation in Strassburg zur Sprache. Unbefriedigend ist auch die Präsentation der aktuellen Projekte im zweiten Teil der Ausstellung. Sie sind wie Tapeten als grossformatige Farbbilder und Renderings auf ondulierende Seitenwände aufgezogen und lassen jede Hintergrundinformation vermissen. Die Visualisierung von Bauwerken ist ebenso wenig das Ziel der Schau wie die Präsentation des Architekturbüros als kreativer Werkstatt, wie es jüngst bei den Ausstellungen von Renzo Piano, Rem Koolhaas oder Herzog & de Meuron der Fall war.
Verflüssigung des Raums
Dafür trägt der chronologische Ausstellungsaufbau zum Verständnis der Evolution des formalen Repertoires bei. Während Hadids frühe Arbeiten mit ihren (de)konstruktivistischen Anleihen von einer Hard-Edge-Ästhetik geprägt sind, zeigt sich in den jüngeren Projekten von urbanem Massstab mehr und mehr eine Tendenz zur Verflüssigung, indem sich die futuristischen Entwürfe als geronnene Hohlformen dynamischer Kraftfelder oder als Kommunikations- und Bewegungskanäle der Stadt erweisen.
Das Thema der Verflüssigung des Raumes die grundlegende Entwicklungstendenz von Hadids Architektur in den vergangenen drei Jahrzehnten knüpft überdies an den Genius Loci an, wurde doch schon Wrights Museumsbau in der zeitgenössischen Kritik als Triumph räumlicher Verflüssigung gefeiert. Die Dialektik zwischen dem Oberpriester der Moderne und der Diva des zeitgenössischen Architekturbetriebs hätte in diesem Spannungsfeld durchaus noch eine pointiertere Inszenierung erlaubt.
[ Bis 25. Oktober. Katalog: Zaha Hadid. Guggenheim Museum Publications / D. A. P., New York 2006. 198 S., $ 39.95. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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