Zeitschrift
TEC21 2009|07
Landschaft in 3D
1884 veröffentlichte Edwin Abbott eine Kurzgeschichte unter dem Titel «Flatland: A Romance of Many Dimensions».[1] Der Protagonist der Geschichte, der Ich-Erzähler, lebt in Flatland, einer zweidimensionalen und unendlich weiten Welt. Entsprechend haben ihre Bewohner die Gestalt zweidimensionaler regelmässiger Polygone – Dreiecke, Quadrate, Hexa- und Pentagone. Dem Erzähler mit Namen A. Square, ist – nomen est omen – die Form eines Quadrats gegeben. Alles, was die Polygone sehen können, sind Linien, die von den Seiten ihrer Mitbewohner gebildet werden. Es gibt kein Oben und kein Unten – bis die dreidimensionale Kugel in A. Squares Leben tritt. Zunächst erscheint sie nur als Punkt, wächst sich dann, als die plane Ebene von Flatland den Äquator der Kugel passiert, zu einem Kreis aus, ehe sie sich wieder auf einen Punkt verdichtet. Da Flachländer nicht imstande sind, höhere Dimensionen zu imaginieren, «entführt» die Kugel A. Square nach Spaceland. Zusammen mit ihm erfahren wir das atemberaubende Erlebnis einer bisher unvorstellbaren Dimension.
Wer Debatten über die Auswirkungen von Bauten auf das Landschaftsbild beiwohnt, fühlt sich zuweilen «förmlich» nach Flatland versetzt. Während manche Architekten auf den Faktor Zeit in ihren Gestaltungen verweisen – mithin die vierte Dimension –, blenden wir die dritte aus, wenn es um die Landschaftsverträglichkeit eines Bauwerks geht: Wenn nur der «Fussabdruck» gering genug ist, wird es «zertifiziert» – als könnten wir die dritte Dimension nicht einmal imaginieren, geschweige denn sehen. Das ist erstaunlich in einem Land, dessen touristisches Kapital die Berge sind. Auch die Landschaft kann man nicht mit Hypotheken überfrachten. Dass das System kollabiert, wenn man auf Pump lebt, bedarf keiner Anschauung mehr – zumal, wenn man auf die folgenden Generationen setzt. Denn von ihnen ist die Landschaft geliehen.
Daher möchte man, um die Artikel in diesem Heft zu «gewichten», Abbott anstimmen: «Doch lebe ich in der Hoffnung, dass diese meine Erinnerungen [...] ihren Weg in die Gehirne der Menschheit irgendeiner Dimension finden und ein Geschlecht von Rebellen hervorbringen mögen, die sich weigern, sich in einer beschränkten Dimensionalität einschliessen zu lassen.»[2]
Rahel Hartmann Schweizer
Anmerkungen
[1] Der Mathematikprofessor Ian Stewart publizierte 2001 den Roman «Flatterland: like flatland, only more so», in dem er das Prinzip von Abbotts Werk auf die Gegenwart überträgt. Protagonistin ist die Ururenkelin von A. Square, Victoria Line, die nun in null- und mehrdimensionale Welten, fraktale Geometrien, gekrümmte Räume und Raum-Zeit-«Gebilde» eingeführt wird.
[2] Abbott, Edwin A.: Flächenland – ein mehrdimensionaler Roman, verfasst von einem alten Quadrat, aus dem Englischen von Joachim Kalka. Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 1982, S. 239
05 WETTBEWERBE
Letzter Bauabschnitt München Riem | Erlebnisraum Römerstrasse | Berlin Tempelhof – neue Rezepte
10 MAGAZIN
Futuristisches Gründach | Caumasee-Pegel wird ausgeglichen | Brachen: grosses Umnutzungspotenzial
16 GELIEHENE LANDSCHAFT
Hansjörg Gadient
Das Wort Landschaft bezeichnet sowohl das Bild selbst als auch seinen Gegenstand. Die lange Tradition der Landschaftsbetrachtung und -gestaltung zeigt in der Schweiz kaum Wirkung. Angesichts der Verstädterung fehlt es an einer Planung in der dritten Dimension.
22 NIE GESEHENE BILDER
Hansjörg Gadient
Der Künstler Florio Puenter schafft Bilder von Landschaften, wie sie nie ein Mensch gesehen hat. Er greift in das Naturbild auf eine Weise ein, dass die im doppelten Sinn verbrauchte Landschaft erhabener und ergreifender ins Bild gerückt wird denn je.
24 EXPERIMENT LANDSCHAFT
Annemarie Bucher
Mit dem Forschungsprojekt «Landschaft im Ballungsraum» postuliert die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ein Umdenken in der Landschaftsplanung: Experimentell und proaktiv soll sie sein sowie Wissenschaft und Praxis miteinander verbinden.
28 SIA
Neue Erhaltungsnormen SIA 269 | Brückenschlag ins 21. Jahrhundert | SIA-Form: Konflikte im Bauwesen
31 FIRMEN
32 PRODUKTE
37 IMPRESSUM
38 VERANSTALTUNGEN
Wer Debatten über die Auswirkungen von Bauten auf das Landschaftsbild beiwohnt, fühlt sich zuweilen «förmlich» nach Flatland versetzt. Während manche Architekten auf den Faktor Zeit in ihren Gestaltungen verweisen – mithin die vierte Dimension –, blenden wir die dritte aus, wenn es um die Landschaftsverträglichkeit eines Bauwerks geht: Wenn nur der «Fussabdruck» gering genug ist, wird es «zertifiziert» – als könnten wir die dritte Dimension nicht einmal imaginieren, geschweige denn sehen. Das ist erstaunlich in einem Land, dessen touristisches Kapital die Berge sind. Auch die Landschaft kann man nicht mit Hypotheken überfrachten. Dass das System kollabiert, wenn man auf Pump lebt, bedarf keiner Anschauung mehr – zumal, wenn man auf die folgenden Generationen setzt. Denn von ihnen ist die Landschaft geliehen.
Daher möchte man, um die Artikel in diesem Heft zu «gewichten», Abbott anstimmen: «Doch lebe ich in der Hoffnung, dass diese meine Erinnerungen [...] ihren Weg in die Gehirne der Menschheit irgendeiner Dimension finden und ein Geschlecht von Rebellen hervorbringen mögen, die sich weigern, sich in einer beschränkten Dimensionalität einschliessen zu lassen.»[2]
Rahel Hartmann Schweizer
Anmerkungen
[1] Der Mathematikprofessor Ian Stewart publizierte 2001 den Roman «Flatterland: like flatland, only more so», in dem er das Prinzip von Abbotts Werk auf die Gegenwart überträgt. Protagonistin ist die Ururenkelin von A. Square, Victoria Line, die nun in null- und mehrdimensionale Welten, fraktale Geometrien, gekrümmte Räume und Raum-Zeit-«Gebilde» eingeführt wird.
[2] Abbott, Edwin A.: Flächenland – ein mehrdimensionaler Roman, verfasst von einem alten Quadrat, aus dem Englischen von Joachim Kalka. Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 1982, S. 239
05 WETTBEWERBE
Letzter Bauabschnitt München Riem | Erlebnisraum Römerstrasse | Berlin Tempelhof – neue Rezepte
10 MAGAZIN
Futuristisches Gründach | Caumasee-Pegel wird ausgeglichen | Brachen: grosses Umnutzungspotenzial
16 GELIEHENE LANDSCHAFT
Hansjörg Gadient
Das Wort Landschaft bezeichnet sowohl das Bild selbst als auch seinen Gegenstand. Die lange Tradition der Landschaftsbetrachtung und -gestaltung zeigt in der Schweiz kaum Wirkung. Angesichts der Verstädterung fehlt es an einer Planung in der dritten Dimension.
22 NIE GESEHENE BILDER
Hansjörg Gadient
Der Künstler Florio Puenter schafft Bilder von Landschaften, wie sie nie ein Mensch gesehen hat. Er greift in das Naturbild auf eine Weise ein, dass die im doppelten Sinn verbrauchte Landschaft erhabener und ergreifender ins Bild gerückt wird denn je.
24 EXPERIMENT LANDSCHAFT
Annemarie Bucher
Mit dem Forschungsprojekt «Landschaft im Ballungsraum» postuliert die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ein Umdenken in der Landschaftsplanung: Experimentell und proaktiv soll sie sein sowie Wissenschaft und Praxis miteinander verbinden.
28 SIA
Neue Erhaltungsnormen SIA 269 | Brückenschlag ins 21. Jahrhundert | SIA-Form: Konflikte im Bauwesen
31 FIRMEN
32 PRODUKTE
37 IMPRESSUM
38 VERANSTALTUNGEN
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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine
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