Zeitschrift
Metamorphose 06/09
Museen
Fokus: Museen
„Ein Museum muß einen Raum der Kontemplation bieten. Da genügt es nicht, daß der Lichteinfall stimmt – es braucht Ruhe, Gelassenheit und Sinnfreude, die sich mit der Betrachtung des Kunstwerks verbinden.“ (Renzo Piano, 1998 [1])
Bei Ausstellungen in alten Gemäuern stellt sich für Architekten vor allem eine Frage: Wie verhalten sich Exponate und vorgefundener Raum zueinander? Bei Umnutzungen muss sie ebenso beantwortet werden wie bei denkmalgeschützten Gebäuden, die selbst zum Hauptexponat avancieren, oder bei bestehenden Museen, deren Ausstellung eine Verjüngungskur erfährt.
Nur selten eignen sich leerstehende Industriehallen, Verkehrsbauten oder andere Bestandsgebäude ohne weiteres dafür, sich zum Museum umnutzen zu lassen. Meist müssen entweder die Exponate den Gegebenheiten des Bestands untergeordnet werden oder aber das Bauwerk wird für die neue Nutzung radikal umgebaut. Wenn die Architektur weitgehend unverändert erhalten bleiben soll, dann kommt es zumindest bei Kunstmuseen zum Konflikt zwischen Bauwerk und Ausgestelltem. Der neutrale weiße Raum, den sich Künstler für die Präsentation ihrer Werke häufig wünschen, kann hier nicht eingefordert werden. Das Kunstwerk wird in einen neuen Zusammenhang gestellt, den der Künstler nicht beabsichtigt hat und im schlimmsten Fall auch nicht gutheißt: Etwa, wenn die Aussage des Werks vor einer pompösen Architektur untergeht oder die sichtbaren Zeitschichten einer Bestandswand einen falschen Kontext schaffen.
Für leerstehende oder vom Verfall bedrohte Gebäude ist die Umnutzung in ein Museum häufig die einzige Überlebenschance – dem neuen Inhalt darf ihre Identität allerdings nicht geopfert werden. Einen Versuch, die Anforderungen der Denkmalpflege und jene der Kunstsammler unter einen Hut zu bringen, zeigt in diesem Heft die Umnutzung der Punta della Dogana in Venedig (S. 32 ff). Ob die Präsentation der Kunstwerke vor den ruppigen Ziegelwänden der kirchenschiffartigen Hallen die Wirkung der Kunst verfälscht, bleibt dem Urteil der Besucher überlassen. Die Assoziationen, die durch das Zusammenwirken von Kunst und Architektur entstehen, könnten für viele von ihnen den emotionalen Zugang zu den Werken aber sogar eher erleichtern. Und auch eine Kontemplation, wie sie Renzo Piano für ein gelungenes Museum fordert, ist in den Räumen ohne Frage möglich.
Wenn ein Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, wird den Exponaten häufig mehr Autonomie eingeräumt. Das Bauwerk dient dann unter Umständen nur als Hülle, das Innere wird den Bedürfnissen der Ausstellungsmacher entsprechend radikal umgestaltet. Es entstehen „White Cubes“ und „Black Boxes“, in denen die Störungen durch den Bestand weitgehend ausgeblendet sind. Das Charakteristische des Bauwerks geht dabei aber verloren. In Zeiten, in denen jedes Museum nach einem Alleinstellungsmerkmal sucht, ist eine solche räumliche Gesichtslosigkeit – zumindest was das Marketing angeht – eher von Nachteil.
Neben den Fällen, in denen die Architektur und die Kunstwerke eine gleichberechtigte Rolle spielen, und jenen, in denen der Bestand vor allem als Hülle dient und sich ansonsten unterordnet, findet sich eine weitere Form des Ausstellungshauses: das Museum seiner selbst, bei dem die Besucher die Architektur vergangener Zeiten oder Kulturen bewundern können. Auch wenn das Gebäude hier das Hauptexponat ist, lässt sich die Entwurfsaufgabe doch auf viele verschiedene Arten lösen: In diesem Heft zeigen das die Beiträge zum Museum Stift Altenburg (S. 24 ff) und zum Humpis-Quartier in Ravensburg (S. 36 ff). Während im Stift Altenburg tatsächlich nur das Gebäude selbst, die gotische Bausubstanz, ausgestellt wird, sollte in Ravensburg zusätzlich eine Möglichkeit gefunden werden, stadtgeschichtliche Exponate in dem mittelalterlichen Ensemble unterzubringen. Die dadurch erforderliche technische Ausstattung ließ sich jedoch nicht ohne gravierende Eingriffe in die denkmalgeschützte Konstruktion integrieren.
Dass die Anforderungen an Technik und Museumsdidaktik gewachsen sind, macht sich aber nicht nur bei Umnutzungen bemerkbar: Viele bestehende Museen versuchen, eine energetische Sanierung mit einer Modernisierung der Licht- und Sicherheitstechnik zu verbinden und bei dieser Gelegenheit auch gleich die Exponate neu zu inszenieren, um neue Besucher anzulocken. In diesem Heft erlaubt der Beitrag zum Liebieghaus in Frankfurt am Main (S. 42 ff) einen Einblick, wie sich ein Museum vom Staub der Vergangenheit befreit und durch ein überarbeitetes Ausstellungskonzept in den Kampf um die Besucher zieht.
Claudia Hildner
Anmerkungen:
[01] Renzo Piano, Roberto Brignolo: Mein Architektur-Logbuch. Ostfildern 1998. S. 252
Bestandsaufnahme
06-09 | Spa über dem Altar: Hotel im ehemaligen Colegio de Santo Tomás, Alcalá de Henares (E)
10-17 | Projekte, Bücher, Termine
18-19 | Museen
20-23 | Ausstellen im Ausgestellten: Museen in umgenutzter Bausubstanz
24-31 | 01 Im Schichtwerk der Jahrhunderte: Museum Stift Altenburg (A)
32-35 | 02 Kunst zu Füßen von Fortuna: Punta della Dogana in Venedig
36-41 | 03 Transhistorisches Präparat: Stadtmuseum Humpis-Quartier in Ravensburg
42-47 | 04 Wandlung einer Sammlung: Liebieghaus in Frankfurt am Main
Technik
48-51 | Blick in den Himmel? Zenitale Tageslichtsysteme in alten Museumsgebäuden
52-53 | Koloss mit neuen Fugen: Fugeninstandsetzung bei Fertigteil-Bauten
Produkte
54-55 | Glas
56-57 | Abdichtungen
58-59 | Neuheiten
Fortbildung
60-61 | Schweizer Denkmalpflege à la carte: Masterstudium „Denkmalpflege und Umnutzung“ in Burgdorf (CH)
Verkannte Perlen
64-65 | Schleichender Verfall: Kenzo Tanges Stadtzentrum in Skopje gefährdet
Rubriken
66 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis
„Ein Museum muß einen Raum der Kontemplation bieten. Da genügt es nicht, daß der Lichteinfall stimmt – es braucht Ruhe, Gelassenheit und Sinnfreude, die sich mit der Betrachtung des Kunstwerks verbinden.“ (Renzo Piano, 1998 [1])
Bei Ausstellungen in alten Gemäuern stellt sich für Architekten vor allem eine Frage: Wie verhalten sich Exponate und vorgefundener Raum zueinander? Bei Umnutzungen muss sie ebenso beantwortet werden wie bei denkmalgeschützten Gebäuden, die selbst zum Hauptexponat avancieren, oder bei bestehenden Museen, deren Ausstellung eine Verjüngungskur erfährt.
Nur selten eignen sich leerstehende Industriehallen, Verkehrsbauten oder andere Bestandsgebäude ohne weiteres dafür, sich zum Museum umnutzen zu lassen. Meist müssen entweder die Exponate den Gegebenheiten des Bestands untergeordnet werden oder aber das Bauwerk wird für die neue Nutzung radikal umgebaut. Wenn die Architektur weitgehend unverändert erhalten bleiben soll, dann kommt es zumindest bei Kunstmuseen zum Konflikt zwischen Bauwerk und Ausgestelltem. Der neutrale weiße Raum, den sich Künstler für die Präsentation ihrer Werke häufig wünschen, kann hier nicht eingefordert werden. Das Kunstwerk wird in einen neuen Zusammenhang gestellt, den der Künstler nicht beabsichtigt hat und im schlimmsten Fall auch nicht gutheißt: Etwa, wenn die Aussage des Werks vor einer pompösen Architektur untergeht oder die sichtbaren Zeitschichten einer Bestandswand einen falschen Kontext schaffen.
Für leerstehende oder vom Verfall bedrohte Gebäude ist die Umnutzung in ein Museum häufig die einzige Überlebenschance – dem neuen Inhalt darf ihre Identität allerdings nicht geopfert werden. Einen Versuch, die Anforderungen der Denkmalpflege und jene der Kunstsammler unter einen Hut zu bringen, zeigt in diesem Heft die Umnutzung der Punta della Dogana in Venedig (S. 32 ff). Ob die Präsentation der Kunstwerke vor den ruppigen Ziegelwänden der kirchenschiffartigen Hallen die Wirkung der Kunst verfälscht, bleibt dem Urteil der Besucher überlassen. Die Assoziationen, die durch das Zusammenwirken von Kunst und Architektur entstehen, könnten für viele von ihnen den emotionalen Zugang zu den Werken aber sogar eher erleichtern. Und auch eine Kontemplation, wie sie Renzo Piano für ein gelungenes Museum fordert, ist in den Räumen ohne Frage möglich.
Wenn ein Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, wird den Exponaten häufig mehr Autonomie eingeräumt. Das Bauwerk dient dann unter Umständen nur als Hülle, das Innere wird den Bedürfnissen der Ausstellungsmacher entsprechend radikal umgestaltet. Es entstehen „White Cubes“ und „Black Boxes“, in denen die Störungen durch den Bestand weitgehend ausgeblendet sind. Das Charakteristische des Bauwerks geht dabei aber verloren. In Zeiten, in denen jedes Museum nach einem Alleinstellungsmerkmal sucht, ist eine solche räumliche Gesichtslosigkeit – zumindest was das Marketing angeht – eher von Nachteil.
Neben den Fällen, in denen die Architektur und die Kunstwerke eine gleichberechtigte Rolle spielen, und jenen, in denen der Bestand vor allem als Hülle dient und sich ansonsten unterordnet, findet sich eine weitere Form des Ausstellungshauses: das Museum seiner selbst, bei dem die Besucher die Architektur vergangener Zeiten oder Kulturen bewundern können. Auch wenn das Gebäude hier das Hauptexponat ist, lässt sich die Entwurfsaufgabe doch auf viele verschiedene Arten lösen: In diesem Heft zeigen das die Beiträge zum Museum Stift Altenburg (S. 24 ff) und zum Humpis-Quartier in Ravensburg (S. 36 ff). Während im Stift Altenburg tatsächlich nur das Gebäude selbst, die gotische Bausubstanz, ausgestellt wird, sollte in Ravensburg zusätzlich eine Möglichkeit gefunden werden, stadtgeschichtliche Exponate in dem mittelalterlichen Ensemble unterzubringen. Die dadurch erforderliche technische Ausstattung ließ sich jedoch nicht ohne gravierende Eingriffe in die denkmalgeschützte Konstruktion integrieren.
Dass die Anforderungen an Technik und Museumsdidaktik gewachsen sind, macht sich aber nicht nur bei Umnutzungen bemerkbar: Viele bestehende Museen versuchen, eine energetische Sanierung mit einer Modernisierung der Licht- und Sicherheitstechnik zu verbinden und bei dieser Gelegenheit auch gleich die Exponate neu zu inszenieren, um neue Besucher anzulocken. In diesem Heft erlaubt der Beitrag zum Liebieghaus in Frankfurt am Main (S. 42 ff) einen Einblick, wie sich ein Museum vom Staub der Vergangenheit befreit und durch ein überarbeitetes Ausstellungskonzept in den Kampf um die Besucher zieht.
Claudia Hildner
Anmerkungen:
[01] Renzo Piano, Roberto Brignolo: Mein Architektur-Logbuch. Ostfildern 1998. S. 252
Bestandsaufnahme
06-09 | Spa über dem Altar: Hotel im ehemaligen Colegio de Santo Tomás, Alcalá de Henares (E)
10-17 | Projekte, Bücher, Termine
18-19 | Museen
20-23 | Ausstellen im Ausgestellten: Museen in umgenutzter Bausubstanz
24-31 | 01 Im Schichtwerk der Jahrhunderte: Museum Stift Altenburg (A)
32-35 | 02 Kunst zu Füßen von Fortuna: Punta della Dogana in Venedig
36-41 | 03 Transhistorisches Präparat: Stadtmuseum Humpis-Quartier in Ravensburg
42-47 | 04 Wandlung einer Sammlung: Liebieghaus in Frankfurt am Main
Technik
48-51 | Blick in den Himmel? Zenitale Tageslichtsysteme in alten Museumsgebäuden
52-53 | Koloss mit neuen Fugen: Fugeninstandsetzung bei Fertigteil-Bauten
Produkte
54-55 | Glas
56-57 | Abdichtungen
58-59 | Neuheiten
Fortbildung
60-61 | Schweizer Denkmalpflege à la carte: Masterstudium „Denkmalpflege und Umnutzung“ in Burgdorf (CH)
Verkannte Perlen
64-65 | Schleichender Verfall: Kenzo Tanges Stadtzentrum in Skopje gefährdet
Rubriken
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