Publikation

Die formale Grundlegung der modernen Architektur
Die formale Grundlegung der modernen Architektur
Herausgeber:in: Werner Oechslin
ISBN: 3856760679
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2005
Umfang: 250 S., zahlreiche Abbildungen
Format: Broschur, 24 x 17 cm

Streben nach Proportion und Harmonie

Palladio und die Architektur der Moderne

Mit dem klassischen Formenrepertoire der Bauten Palladios konnte die Moderne wenig anfangen. Umso mehr interessierte sein radikaler Zugang zu den entwerferischen Grundlagen der Architektur. Palladio hat das moderne Körperideal und das Prinzip Fassade radikal vorgedacht.

12. Mai 2007 - Werner Oechslin
Die moderne Architektur kündigt sich im Zeichen der Überwindung historischer Architektur und von deren wirkungsmächtigstem Symbol, der Säule, an. Bezeichnenderweise ist es Vignola, der prominenteste Vertreter der Säulenlehre, der dafür herhalten muss. Le Corbusier wendet sich allerdings nicht so sehr gegen die Säule, die er in der Form der Pilotis weiter benützt. Er zielt vielmehr auf das Doktrinäre, das sich damit verbindet. François Blondel hatte in der in Paris 1671 gegründeten Architekturakademie von der Säulenlehre und insbesondere von Vignola ausgehend die klassische Architekturtheorie herangebildet, deren erklärtes Ziel die Formulierung eines verlässlichen Regelwerks war. Die Nachfolgeinstitution, die Académie des Beaux-Arts, bekämpft Le Corbusier in seiner «Croisade» 1933 aufs Schärfste. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch selbst hier Einvernehmen: Eine ordnungsgebende «ordonnance», ein von Proportion und Harmonie bestimmtes Gefüge wünschen sich Blondel wie Le Corbusier.

REGELWERK CONTRA KUNSTWERK

Die frühe Publikation der Tracés régulateurs in «Esprit Nouveau», die Le Corbusier als Versicherung «contre l'arbitraire» vorbringt, zeigt über dem Titel Blondels Porte Saint-Denis. Unter dem Eindruck eines Textes zu den musikalischen Proportionen von Ouvrard wandte sich Blondel am Ende seines Cours d'architecture der Frage der Proportionierung eines Baukörpers zu. Und hier fiel der Blick in erster Linie auf Palladio. Briseux, der dies 1752 in seinem «Traité du Beau essentiel» aufnahm, verdeutlichte, dass es hier weniger um objektive Massbezüge als um die Wirkung auf den Betrachter geht: «Tous ceux qui ont vû les bâtimens de Palladio, convient qu'ils ravissent au premier coup d'œil.» Was ins Auge fällt, ist entscheidend. Und dies bezeichnet «beauté». Le Corbusier hat seiner Entwurfslehre in nuce, den Tracés régulateurs, genau diese Beobachtung hinzugesetzt: Es interessiert in erster Linie und unmittelbar «das, was das Auge sieht». «Preuve par l'expérience», das ist die Losung von Briseux, die er auf Palladio projiziert; und das markiert das Gegenteil der Empfehlung «upon right models of perfection» von Anthony Earl of Shaftesbury, nach dem die englischen Neopalladianer sich richteten, um beinahe blindlings Palladios Fassaden in endlosen Varianten herunterzudeklinieren.

Der Gegensatz ist offensichtlich: rigides, mechanisches Regelwerk contra offenes, am Wahrnehmungsvorgang orientiertes Kunstwerk. Le Corbusier hat diesen Dualismus in eine klassische Definition gehüllt, die er 1923 «Vers une architecture» voranstellte und in der nun der moderne Gegensatz von Ingenieur contra Architekt zum Paradigma auserkoren wird. Während der Ingenieur durch den «calcul» - gleichsam naturgesetzlich - die Harmonie herstellt, ist es dem Architekten gegeben, durch seine «ordonnance» das zu erreichen, was die von Menschen empfundene und erlebte Schönheit ausmacht. Dafür, für das «au- delà du calcul», steht Palladio. Die Zeilen stehen am Ende eines Aufsatzes zu «Perennité» (1928), in dem Le Corbusier einmal mehr die Dichotomie Ingenieur/Architekt behandelt und an dessen Ende kommentarlos das Bild der Villa Rotonda gefügt wird: «Ce sera l'architecture qui est tout ce qui est au-delà du calcul.» Mittelbar identifiziert sich Le Corbusier mit Palladio. Theo van Doesburg hatte im ersten Heft von «G» im Juli 1923 mitgeteilt, Le Corbusier habe eben eine Renaissancevilla erstellt. Koinzidenz? Es fiel offensichtlich ins Auge! So besehen ist das, was später im Sinn der Festlegung einer klassischen Moderne durch den Vergleich der Villa Stein in Garches mit Palladios Malcontenta suggeriert wurde, nichts anderes als logische Konsequenz.

Hier entstanden Missverständnisse zuhauf. Der radikale Rückgriff auf Geometrie schien sich im Zeichen absoluter Objektivität jeglicher Geschichtlichkeit entledigen zu wollen. Man übersah, wie wichtig Le Corbusier in seinen Tracés régulateurs das menschliche Auge, die Wahrnehmung war. Selbst Rudolf Wittkower liess sich durch diese gleichsam pythagoräische oder eben neuplatonische Sicht verführen und fiel ins Schema. Er hatte in seinen «Architectural Principles in the Age of Humanism» (1949), deren Einfluss auf die damaligen englischen Architekten und auf Colin Rowe einzigartig war, nicht nur einzelne Villengrundrisse schematisch dargestellt, sondern ihnen ein alles vereinheitlichendes «geometrical pattern of Palladio's villas» hinzugefügt. Dies, die totale Verallgemeinerung der palladianischen Villa im Strichcode, nahm vorweg, was CAAD- Architekten der ersten Stunde mit der «grid construction rule» an Palladio genüsslich vorexerzierten, zweidimensional, versteht sich.

Reyner Banham schrieb damals: «Neo-Palladianism became the order of the day.» Colin Rowe verstand Palladios Architektur als «logical disposition of motifs dogmatically accepted». Von jener Mathematisierung hatten sich die Smithsons, die 1951 für Coventry einen Entwurf «raised on a plan of Neo-Palladian symmetry» entwickelt hatten, schnell losgesagt. Dafür sorgte auch letztlich Le Corbusier, der mit seinen Bauten, dem Paukenschlag von Ronchamp (1956) insbesondere, die Architekten mit Macht an die Architektur erinnerte: auch dies eine «preuve par l'expérience». Nur Peter Eisenman - 1961 auf Italienreise mit Rowe - liess sich, näher dem «calcul» als der bewohnbaren Architektur, auf diese formale Linie ein und fand in Terragni seinen Palladio.

DER KÜNSTLERISCHE AKT

Wie viel Ratio erträgt der Mensch, ist hier die alte und neue Frage. Zwischen der Aufforderung einer Nötigung der Natur und der Warnung vor Hirngespinsten oszilliert selbst Kant. Der Grat ist schmal, das Thema hochsensibel, zutiefst nicht nur in der Erkenntnis, sondern auch in der Erfahrung angesiedelt. Das ist eine nicht unbedingt sichere Basis, jedoch die unausweichliche Bedingung des architektonischen Tuns. Dort, im «operare», hatte der Mentor Palladios, Daniele Barbaro, die architektonische Zuständigkeit angesiedelt. Im «segno dell'Artefice» (modern übersetzt: im künstlerischen Akt), auf Einsicht und Erkenntnis aufgebaut, und im Disegno - dem Entwurf - angelegt, veräusserlicht der Architekt einen inneren Habitus und zeichnet die äussere Materie mittels Qualität und Form. Das beschreibt nicht die Reduktion auf euklidische Geometrie, sondern meint - präzis den Darlegungen der aristotelischen Physik nachgebildet - die notwendige Verschränkung von Form und Materie. Wenn Palladio selbstbewusst seine Nuova usanza, die Neuartigkeit seiner Architektur, beschreibt, erklärt er dies nicht durch Konzepte, sondern durch die ihm durch geneigte und verständige «Gentil'huomini», Bauherren, gegebene Chance, jene zu verwirklichen.

Vom Menschen aus ist die Architektur zu sehen, wie das - modern - von Heinrich Tessenow in «Hausbau und dergleichen» ausgeführt ist, was zu überraschenden architektonischen Kriterien wie Anstand führt. Darin wiederum gibt sich das alte Decorum, die Angemessenheit als Regulierung zwischen Konzept und Ausführung, zu erkennen. Wenn ein ausgeprägter Theoretiker wie Quatremère de Quincy im Falle Palladios auf eine einfache Zuweisung und Kategorisierung verzichtet, um dann das Wesen seiner Architektur schlicht mit «c'est du Palladio» zu umschreiben, so trifft er den Kern dieser «alten» Auffassung, wonach in jeder Situation die gleichen Einsichten und Überzeugungen in jeweils anderer Weise zur Geltung gebracht werden. Bei Le Corbusier ist das die Recherche patiente, sind es - ganz im Geiste Barbaros und Palladios - «conclusions théoriques d'observations successives faits dans les chantiers»: gemäss der Einleitung zu den «Cinq Points d'une Architecture Nouvelle».

Das beschreibt das «au-delà du calcul», das sich mit dem Bild der Rotonda verbindet. Le Corbusier spitzt das polemisch zu. Das Schicksal des Ingenieurs sei es, «de rester dans la raison». Dem steht seine Einsicht entgegen: «Il y a toujours une passion quelconque dans un homme raisonnable.» Und diese Leidenschaft führt uns weiter. Es ist letztlich «le potentiel sentimental», das den Schöpfer der Architektur bewegt. Kurz vor Vollendung der IIT Chapel in Chicago äusserte sich 1950 Mies van der Rohe, an die Bauherrschaft adressiert, durchaus in diesem Sinne: «Wherever technology reaches its real fulfillment, it transcends into architecture.» Und damit, so die Folgerung, erreiche die Architektur ihre eigentliche Bedeutung. Jene Rede begann gleichfalls mit der provokativen Feststellung «Technology is rooted in the past», während Architektur «the real battleground of the spirits» sei.

NORMIERTE DARSTELLUNGSWEISE

Aber auch die Versuchung, Architektur gerade umgekehrt auf eine verlässliche, berechenbare Spur zu setzen, hat Tradition. Auch dieser Sichtweise bot sich Palladio an. Die Usanza nuova, worunter Palladio letztlich seine unverkennbare Architektur in ihrer vielfältigsten, stets variierten Art versteht, wurde so in der Typologie diszipliniert und ganz wörtlich auf den Nenner, nämlich in eine normierte Darstellungsweise, gebracht. Dieses Vorgehen einer letztlich schrittweisen Entbindung vom geschichtlichen Kontext charakterisiert die Methode von J. N. L. Durand genauso wie die moderne Propaganda, die sich schon in Gropius' «Internationaler Architektur» von 1925 der Vorteile der Reduktion auf das Bild bewusst wird und in die Kodifizierung des International Style führt. Insofern gilt dann, dass gemäss August Schmarsow die Einbildungskraft dort neu etwas kreieren muss, «wo nur Striche sind».

Das «Zeitalter der Reproduzierbarkeit» beginnt - bezogen auf den Palladianismus - mit den «Quattro Libri» (1570). Dort ist die systematische Anordnung der Motive und die Disziplinierung der Darstellung angelegt. Palladio kennt die Vorzüge und die Bedingungen des «insegnare facilmente con parole, e con figure». Mittelbar begründet dies die Erfolgsgeschichte der «Quattro Libri» und begünstigt die nachfolgenden Korrekturen, Bereinigungen und Idealisierungen, die sich im 18. Jahrhundert in England wie im Veneto in aufwendigen Editionsprogrammen niederschlagen, zum Faksimile des Architekturbuches und zur getreuen Wiedergabe der Architekturzeichnung führen. Mit J. N. L. Durand erfasst diese Entwicklung die Geschichte. In seinem «Recueil et Parallèle» bringt er das historische Material in eine kategorielle, typologische Ordnung und - noch entscheidender - in die Darstellungsform von Strichzeichnung und massstäblicher Identität, was für die danach in Vorschlag gebrachte Entwurfslehre und deren Durchschlagskraft entscheidend ist. Mit diesen grafischen Reduktionen sind Grundlagen geschaffen, auf denen die Moderne im 20. Jahrhundert ihre Erfolgsgeschichte in wichtigen Belangen aufbaut.

DAS GESETZMÄSSIGE IN PALLADIO

Mit dieser Entwicklung trat die Einsicht zurück, dass Palladios Architektur eine ganz spezifische «Physiognomie» zukomme. Es interessierte eine Kompositionsweise, die als «combinaison des éléments des édifices» angelegt war und dementsprechend einen Baukasten als Lehrgebäude der Architektur vorsah. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass die moderne Kritik in Palladio in erster Linie das Gesetzmässige erkannte. Cornelius Gurlitt wird 1914 vom «Geist ästhetischer Schulmässigkeit» und vom «Gefühl der Notwendigkeit, sich beim Schaffen einem Gesetze zu unterwerfen» als Wesenszügen Palladios sprechen. Das scheint alles zu begünstigen, was die äussere Anwendung einer Geometrie als Linienwerk in gleicher Weise als palladianisch und modern begreift.

Abstraktion auf allen Ebenen! Berlage, der sich ja wie kaum ein anderer seiner Generation mit geometrischen Grundformen und Gesetzen auseinandergesetzt hat, kritisiert Palladio gerade umgekehrt wegen des Verdachts der Imitation gegebener Vorbilder, äusserer Nachahmung. Man hat die konkrete Körperhaftigkeit der Architektur Palladios, die schon für Goethe den Besuch in Vicenza zum Erlebnis machte, also nicht vergessen. Als Fritz Hoeber 1913 mit der Darstellung zu Peter Behrens die Reihe «Moderne Architekten» begann, charakterisierte er dessen architektonisches Temperament als bestimmt durch den «Respekt vor dem Materiellen». Behrens selbst äusserte sich damals zu den «aussichtsvollen Hinweisen, die die moderne Konstruktion für die Formgestaltung gibt», um dann mit der Kritik an der «Körperlosigkeit der Eisenkonstruktion» zu enden: «Eisen und Glas entbehren in ihrer Erscheinung des Voluminösen der aus Steinen geschichteten Mauern.» Gegen die Gotiker mit ihren Auflösungstendenzen gerichtet bekannte Behrens: «Architektur ist Körpergestaltung.»

Behrens' Palladianismus liegt also im Festhalten an der Körperlichkeit begründet, was aber durchaus auf die neuen Materialien angewandt werden konnte. «Eisen und Glas prinzipiell in eine Ebene zusammenzulegen, um so den Eindruck von körperbegrenzenden Flächenwänden zu bekommen», lautete das Rezept. Es entspricht in der grundsätzlichen Anlage durchaus dem «Frontespicio nella facciata dinanti», womit Palladio eine für jegliche Fasssadenbildung valable, universale Lösung, im vorgesetzten Säulenportikus nämlich, empfohlen hat. Behrens' Musterbau, die für die AEG errichtete Turbinenhalle, scheint - ganz palladianisch - das Körperideal mit der körperbegrenzenden Flächenwand in der Synthese zusammenzuführen. Nicht umsonst hat dieses Werk bis heute die Bedeutung einer Ikone der modernen Architektur behalten.

Behrens' Werke sind gleichzeitig mit den Bauten von Ludwig Hoffmann entstanden, in denen Mauertexturen nach dem Vorbild Palladios wörtlich zitiert werden, und insbesondere mit denjenigen Messels, den Walter Curt Behrendt 1911 als den Gründer der Neuen Berliner Bauschule feierte. Dabei konnte der explizite Verweis auf Palladio nicht mehr fehlen. Das Verhältnis Messel- Hoffmann charakterisierte Behrendt so: «Wo aber Hoffmann mit sicher geschultem Auge das Gesetz der Proportionen erkennt und ihre kontrapunktische Schönheit nachrechnet, fühlt Messel die Wirkung der plastischen Form.» Behrendt hatte 1911, anderen Prognosen zur kommenden Baukunst vorauseilend, ein «neu erwachtes Raumgefühl», das «nach Klarheit der kubischen Formen und Massen drängt», prognostiziert. Und es konnte nicht ausbleiben, dass er diesen Gedanken auf Palladio hin verlängerte: «Wenn Messel anfangs nur durch ein äusserliches Moment auf Palladio hingewiesen wurde, so fand er sich zuletzt durch die gleichen künstlerischen Ziele ihm geistig verbunden.»

Es ist augenscheinlich, dass das Messelsche Pergamonmuseum «palladianisch» gedacht ist. Aber, so Behrendt, das ist nur ein «Moment», und dahinter steht die Einsicht in die jeder architektonischen Gestaltung zugrundeliegenden Proportionen: «Bei Palladio, dem ‹durch und durch gesetzlichen›, der nach einem Worte Burckhardts sich nie an den dekorativen Einzeleffekt hielt, sondern ausschliesslich von der Disposition und von dem Gefühl der Verhältnisse aus seine Bauten organisierte, ging Messel in die Schule, nicht um ihm dekorative Einzeleffekte abzusehen, wie die stilgerechten Akademiker, sondern um die ihm eigentümliche Kunst der grossen Dispositionen und Proportionen zu erlernen, um aus einem Zeichner ein Formendenker zu werden.»

Der moderne Blick erkennt in Palladio das Grosse und Monumentale, die Gültigkeit der Proportionsgesetze und das Allgemeine, weshalb auch der einflussreiche Lehrer Friedrich Ostendorf für seine «Sechs Bücher vom Bauen» eine moderne Variante der Villa Rotonda - ohne Kuppel - zeichnet, um das Prinzip «entwerfen heisst, die einfachste Erscheinungsform zu finden» zu illustrieren. Hier entsteht ein moderner Konsens. Diesbezüglich ergibt sich ein weiterer moderner Blick auf Palladio. Sein Erfolg ist zu einem Grossteil darin begründet, dass er die «hohe» Architektur seinem Zweck der Wohnarchitektur und seiner Kundschaft angepasst hat und daraus seine neue Architektur, die Usanza nuova, propagiert hat. Er hat nicht davor zurückgeschreckt, zur Begründung eine Geschichtsfiktion aufzubauen, wonach auch in der Antike die - verlorenen, unbekannten - Wohnbauten den Tempeln vorangegangen seien; und jenen hätten sie ihre Formen wohl zu verdanken. So lässt sich die Tempelfront für den Hausbau beanspruchen. Sie ist eben gerade nicht Tempelfront, sondern gemäss Palladio «frontespicio dinanti» - oder, modern, Fassade.

Was Ostendorf und Tessenow (oder auch Georg Muche in Weimar) unternahmen, ist nur der folgerichtige nächste Schritt, auch diese letzten Zeichen einer historischen Architektur unter Wahrung der Bautradition und unter ausdrücklicher Beanspruchung einer Baukultur zugunsten eines noch radikaleren Charakters des Elementaren der Moderne zuzuführen. Insofern ist der Zusammenhang mit Palladio nicht nur in der äusseren Formgebung, sondern eben in der gemeinsamen Sache der Architektur hergestellt und bewahrt. Sie bleibt der klaren Erscheinung und der grossen Einfachheit zugewiesen. Nicht die Abstraktion, die Körperhaftigkeit, die Architektur hat gesiegt. Heinrich Wölfflin zitiert in «Italien und das deutsche Formgefühl» 1931 Goethes Einverständnis mit der traditionellen Kunstanschauung: «Nur aus dem Natürlichen kann Grösse entwickelt werden.» Und Wölfflin kommentiert: «Palladio hat sie.»

[ Prof. Dr. Werner Oechslin, Institut gta, ETH Zürich. - Jüngste Publikation: Werner Oechslin, Palladianesimo. Teoria e Prassi. Arsenale editrice, Venezia 2007. 327 S., 100 Euro. - Ausserdem: Peter Eisenman. Die formale Grundlegung der modernen Architektur. Hrsg. Werner Oechslin. gta-Verlag, Zürich 2005. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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