Artikel
Komplexität und Dichte
Serie: Junge Schweizer Architekten
Bauten von Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker
5. April 2002 - Peter Omachen
Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Architekturgeschichte der Nachkriegszeit und das Weiterentwickeln von konstruktiven und entwerferischen Konzepten aus den Jahren der Hochkonjunktur führen im Schaffen der Zürcher Architekten Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker zu eigenständigen Entwürfen jenseits modischer Trends.
Es ist eine Plattenbausiedlung, die zurzeit am Stadtrand von Zürich entsteht. Doch die negative Besetzung dieses Begriffes, der an die sozialistische Wohnbauproduktion der Nachkriegszeit erinnert, wird der genossenschaftlichen Wohnsiedlung Stöckenacker in Unteraffoltern nicht gerecht: Die 51 Wohnungen, die im Herbst bezugsbereit sein werden, entsprechen in ihren grosszügigen Abmessungen und Qualitätsstandards dem gehobenen Wohnungsbau im städtischen Umfeld. Der Einsatz vorgefertigter Fassadenplatten aus Waschbeton ist dabei weder eine formale Spielerei noch Ausdruck mangelnder Sensibilität für die Bedürfnisse des Marktes. Vielmehr ist er das Ergebnis einer fundierten Auseinandersetzung mit den Lösungsansätzen, welche die Architekturgeschichte zum Wohnungsbau anbietet.
Die beiden 1961 geborenen Zürcher Architekten Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker haben die Familienwohnungen in Unteraffoltern entworfen. Sie studierten an der ETH Zürich, wo sie später als Entwurfsassistenten tätig waren. Vor fünf Jahren gründeten sie ihr gemeinsames Architekturbüro, das seither eine grosse Zahl von aussergewöhnlichen Wettbewerbsprojekten und Projektstudien hervorgebracht hat; darunter Wohn- und Geschäftsbauten, Schulhäuser und städtebauliche Planungen. Seit 1999 lehrt Bruno Krucker als Assistenzprofessor für Architektur und Entwurf an der ETH Zürich. Die Themen seiner Forschung, die er seit Jahren verfolgt, liegen in den Bereichen Architektur der Nachkriegszeit sowie Urbanität und Strukturierung des Territoriums.
Die theoretischen Arbeiten und die praktische Entwurfstätigkeit bedingen und ergänzen sich gegenseitig. In dieser Wechselwirkung erkennen die Architekten ihr Potenzial. Dazu gehören auch der Vorrang des Urbanen und die Suche nach einer realistischen Haltung, welche die Architektur als Teil einer komplexen Alltäglichkeit versteht. Die Wohnüberbauung Stöckenacker als ihr bisher grösstes ausgeführtes Projekt ist eine auf den neusten Stand der Technologie und Architektur gebrachte Anwendung der „schweren Vorfabrikation“. Darunter versteht man etwa die Fabrikfertigung geschosshoher Fassadenelemente, sogenannter Beton- Sandwichplatten, einer Technologie, die in der Schweiz in den sechziger Jahren verbreitet war, nach der Ölkrise aber kaum mehr angewandt wurde.
Im Wettbewerbsentwurf für die Wohnsiedlung Stöckenacker griffen von Ballmoos und Krucker die Thematik 1997 wieder auf, da sie ihnen im Rahmen des Zürcher Wohnbauförderungsprogramms von Interesse erschien. Dimension und Massstab der Überbauung mit den drei einander zugewandten, fünf- bis sechsgeschossigen Wohnblöcken nehmen grossräumig Bezug auf die umliegenden Siedlungen und auf die Weite des Tales. Die unterschiedliche Konturierung der Bauten mit linearer, geschlossener Strassen- und bewegter, offener Gartenseite erlaubt spezifische Reaktionen auf die Umgebung. Es entstehen Volumen mit ungewohnten Abwicklungen, die nicht auf den ersten Blick erfassbar sind. Diese Anordnung schafft urbane Bezüge in einem städtebaulich kaum fassbaren Gebiet.
Bei der Ausbildung der Bauelemente lag das Ziel weniger in der Normierung der Plattendimensionen als in der Systematisierung der Übergänge und in der Detailausbildung, die zur angestrebten massiven Erscheinung der unterhaltsarmen Fassaden beiträgt. Neuartig ist die Anordnung der grosszügigen Fensteröffnungen in den Lücken zwischen den Platten anstelle der üblichen Perforation. Das Kernstück der Wohnungen bildet die funktionale Zuordnung der Raumgruppe von Wohnraum, offener Küche und Balkon. Die durchdachte Anordnung generiert räumlich komplexe Situationen mit vielfältigen Durch- und Ausblicken. Mit der Variation des Themas werden bis zu vier verwandte Konstellationen pro Geschoss erreicht, die über unterschiedliche Erschliessungstypen und Wohnungsgrössen hinweg die Baukörper generieren.
Die Kombination von architekturhistorischem Wissen und Intuition, von Theorie und konkreter entwerferischer Arbeit im Werk von Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker generiert eine Architektur, die vermeintlich Bekanntes in einem neuen Licht erscheinen lässt und dabei von Komplexität und inhaltlicher Dichte geprägt ist.
Beim jüngsten Projekt für die Erweiterung der ETH Hönggerberg (das dort bis zum 12. April ausgestellt ist) haben die Architekten aus dieser Denkweise heraus einen innovativen Ansatz gefunden, der aus der Etablierung einer inneren Strukturierung heraus den Entwurf von den Innenräumen bis zur städtebaulichen Einbindung zu prägen vermag und dem Gebäude einen eigenen Charakter verleiht.
[Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker stellen ihre Bauten und Projekte am 10. April um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor.]
Es ist eine Plattenbausiedlung, die zurzeit am Stadtrand von Zürich entsteht. Doch die negative Besetzung dieses Begriffes, der an die sozialistische Wohnbauproduktion der Nachkriegszeit erinnert, wird der genossenschaftlichen Wohnsiedlung Stöckenacker in Unteraffoltern nicht gerecht: Die 51 Wohnungen, die im Herbst bezugsbereit sein werden, entsprechen in ihren grosszügigen Abmessungen und Qualitätsstandards dem gehobenen Wohnungsbau im städtischen Umfeld. Der Einsatz vorgefertigter Fassadenplatten aus Waschbeton ist dabei weder eine formale Spielerei noch Ausdruck mangelnder Sensibilität für die Bedürfnisse des Marktes. Vielmehr ist er das Ergebnis einer fundierten Auseinandersetzung mit den Lösungsansätzen, welche die Architekturgeschichte zum Wohnungsbau anbietet.
Die beiden 1961 geborenen Zürcher Architekten Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker haben die Familienwohnungen in Unteraffoltern entworfen. Sie studierten an der ETH Zürich, wo sie später als Entwurfsassistenten tätig waren. Vor fünf Jahren gründeten sie ihr gemeinsames Architekturbüro, das seither eine grosse Zahl von aussergewöhnlichen Wettbewerbsprojekten und Projektstudien hervorgebracht hat; darunter Wohn- und Geschäftsbauten, Schulhäuser und städtebauliche Planungen. Seit 1999 lehrt Bruno Krucker als Assistenzprofessor für Architektur und Entwurf an der ETH Zürich. Die Themen seiner Forschung, die er seit Jahren verfolgt, liegen in den Bereichen Architektur der Nachkriegszeit sowie Urbanität und Strukturierung des Territoriums.
Die theoretischen Arbeiten und die praktische Entwurfstätigkeit bedingen und ergänzen sich gegenseitig. In dieser Wechselwirkung erkennen die Architekten ihr Potenzial. Dazu gehören auch der Vorrang des Urbanen und die Suche nach einer realistischen Haltung, welche die Architektur als Teil einer komplexen Alltäglichkeit versteht. Die Wohnüberbauung Stöckenacker als ihr bisher grösstes ausgeführtes Projekt ist eine auf den neusten Stand der Technologie und Architektur gebrachte Anwendung der „schweren Vorfabrikation“. Darunter versteht man etwa die Fabrikfertigung geschosshoher Fassadenelemente, sogenannter Beton- Sandwichplatten, einer Technologie, die in der Schweiz in den sechziger Jahren verbreitet war, nach der Ölkrise aber kaum mehr angewandt wurde.
Im Wettbewerbsentwurf für die Wohnsiedlung Stöckenacker griffen von Ballmoos und Krucker die Thematik 1997 wieder auf, da sie ihnen im Rahmen des Zürcher Wohnbauförderungsprogramms von Interesse erschien. Dimension und Massstab der Überbauung mit den drei einander zugewandten, fünf- bis sechsgeschossigen Wohnblöcken nehmen grossräumig Bezug auf die umliegenden Siedlungen und auf die Weite des Tales. Die unterschiedliche Konturierung der Bauten mit linearer, geschlossener Strassen- und bewegter, offener Gartenseite erlaubt spezifische Reaktionen auf die Umgebung. Es entstehen Volumen mit ungewohnten Abwicklungen, die nicht auf den ersten Blick erfassbar sind. Diese Anordnung schafft urbane Bezüge in einem städtebaulich kaum fassbaren Gebiet.
Bei der Ausbildung der Bauelemente lag das Ziel weniger in der Normierung der Plattendimensionen als in der Systematisierung der Übergänge und in der Detailausbildung, die zur angestrebten massiven Erscheinung der unterhaltsarmen Fassaden beiträgt. Neuartig ist die Anordnung der grosszügigen Fensteröffnungen in den Lücken zwischen den Platten anstelle der üblichen Perforation. Das Kernstück der Wohnungen bildet die funktionale Zuordnung der Raumgruppe von Wohnraum, offener Küche und Balkon. Die durchdachte Anordnung generiert räumlich komplexe Situationen mit vielfältigen Durch- und Ausblicken. Mit der Variation des Themas werden bis zu vier verwandte Konstellationen pro Geschoss erreicht, die über unterschiedliche Erschliessungstypen und Wohnungsgrössen hinweg die Baukörper generieren.
Die Kombination von architekturhistorischem Wissen und Intuition, von Theorie und konkreter entwerferischer Arbeit im Werk von Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker generiert eine Architektur, die vermeintlich Bekanntes in einem neuen Licht erscheinen lässt und dabei von Komplexität und inhaltlicher Dichte geprägt ist.
Beim jüngsten Projekt für die Erweiterung der ETH Hönggerberg (das dort bis zum 12. April ausgestellt ist) haben die Architekten aus dieser Denkweise heraus einen innovativen Ansatz gefunden, der aus der Etablierung einer inneren Strukturierung heraus den Entwurf von den Innenräumen bis zur städtebaulichen Einbindung zu prägen vermag und dem Gebäude einen eigenen Charakter verleiht.
[Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker stellen ihre Bauten und Projekte am 10. April um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor.]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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