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Grüner Parcours durch Bahnbrachen
Neue Zürcher Zeitung

Der dritte Gartensommer von Lausanne

Die Stadt Lausanne ist nach 1997 und 2000 erneut Schauplatz eines interdisziplinären Festivals von Landschaftsarchitekten, Künstlern und Gärtnern. Die Ausgabe 2004, deren Interventionen sich wie ein Band entlang stillgelegten Geleisen bis nach Renens schlängeln, kehrt zu den experimentellen Anfängen von «Lausanne Jardins» zurück.

2. Juli 2004 - Suzanne Kappeler
Bei der Auswahl der 36 Gärten für die diesjährige Veranstaltung von «Lausanne Jardins» stand für den von der Stadt Lausanne beauftragten Generalkommissar, Francesco Della Casa, und die internationale Jury der Umgang mit dem öffentlichen Raum in den ihrer künftigen Entwicklung harrenden Bahn- und Gewerbebrachen im Vordergrund: von der zentralen Place de l'Europe bis nach Renens. Präsentierten sich anlässlich der letzten Ausgabe von «Lausanne Jardins» im Jahr 2000 die Festivalgärten noch als üppige Grünräume in ausgewählten Parkanlagen, haben sie in diesem Jahr eher den Charakter von Installationen in urbanen Räumen. So haben die bespielten Orte im Flon-Tal eine besondere Geschichte, wurden hier doch seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts insgesamt fünf Geländeterrassen aufgeschüttet. Jedes Plateau besitzt seine eigene landschaftliche Identität: Der Ausgangspunkt im Herzen der Stadt zeigt ein neu entstehendes In-Quartier mit Cafés und Lofts, das Sévelin zeichnet sich durch ein Netz von Industriebrachen aus, im Sébeillon liegen die Gärten um einen stillgelegten Güterbahnhof, in Malley breiten sie sich rund um das Theater Kléber-Meleau aus. In Renens schliesslich sind die Gärten lediglich vom Zug aus zu sehen - als dreissig aufeinander folgende, grell orangefarbene Tafeln, die mit Streifen unterteilt sind und das Erlebnis der Geschwindigkeit thematisieren.

Natur und Artefakt

Jeweils an den Wochenenden können Besucherinnen und Besucher den als Fusspfad gestalteten Parcours von einem besonderen Zug aus erleben, der auf den alten Geleisen verkehrt. Eine weitere Attraktion sind die «multikulturellen Suppen», die jeweils am Freitagabend im Garten von Malley, genannt «Ecrous, baignoires et calebasses», ausgeschenkt werden. In diesem altmodischen Gemüse- und Kräutergarten gedeihen in Pflanzenkübeln, ausgedienten Brunnen, Badewannen und anderen abenteuerlichen Behältern eine Vielzahl einheimischer und fremder Pflanzenarten. Die Ausländervereinigungen haben hier eine Begegnungsstätte geschaffen. Ebenfalls in Malley, direkt an den Geleisen, liegt der mit einem ersten Preis ausgezeichnete Garten von Fabian Beyeler, Martin Gaissert und Sabine Merz aus Zürich und Köln, der das Thema der eingewanderten Pflanzen aufnimmt und sie mit typisch urschweizerischen Landschaftsausschnitten konfrontiert.

Besonders viele Gärten sind rund um den ehemaligen Güterbahnhof Sébeillon zu entdecken. Der poetische, mit einem ersten Preis ausgezeichnete «Jardin de Robert» von Alvaro de la Rosa Maura und Ana Mendez de Andes Aldama aus Madrid ist dem bescheidenen Ruprechtskraut, dem Geranium robertianum, gewidmet. In einer metallisch glänzenden Wand spiegelt sich leicht verzerrt der rötliche Teppich aus Tausenden von Pflanzen. So wie es die Gleisanlagen erobert, könnte das Urgeranium auch seine überzüchteten Verwandten aus den Balkonkästen an schweizerischen Häusern verdrängen. «Sol de Sol» von Filippo Pizzoni und Andrea di Franco aus Mailand gleicht einer grossen Wolke aus Maschendraht, an der sich in giftgrünen Behältern violett blühende indische Prachtwinden (Ipomea lobata) emporschlingen. Natur und Artefakt werden thematisiert; der luftige Garten ist dem Boden entwachsen, schafft gleichsam eine dritte Dimension. Kletterpflanzen erobern als vertikale Gärten ein Stück Natur zurück.

Der Reiz des Exotischen

In zahlreichen Arbeiten werden exotische Pflanzen thematisiert, die im aufgeheizten Stadtklima eine immer grössere Rolle spielen. Die witzige Installation «Belles échappées» der Agence Paule Green aus Paris zeigt einen schräg in einem Erdhügel steckenden Container. Vielleicht durch einen Unfall oder einen Sturm in diese Stellung gebracht, hat sich der seltsame Container seiner pflanzlichen Fracht entledigt; Bananensträucher und andere Einwanderer gedeihen jetzt auf dem Hügel und werden sich von dort ausbreiten. «Palmiers en transit» von Maria Carmen Perlingeiro aus Genf versammelt im Lager der Firma Palm-trans SA eine Gruppe von Palmen mit Etiketten, auf denen diesen eine bestimmte Funktion an irgendeinem Ort der Schweiz zugewiesen wird. Die Arbeit will so auf die sich wandelnden geoklimatischen Bedingungen hinweisen. Auf den Charakter des Flon-Tals mit seinem Netz aus Rampen und Treppen hingegen verweist die Arbeit «Escalier d'eau» von SPAX Architekten aus Biel. Die Wassertreppe besteht aus vier übereinander gestellten Containern, die mit Kies oder Seerosen gefüllt sind. Vom obersten Container aus lassen sich die tiefer gelegenen Wasserbecken betrachten. - Der gut zwei Stunden in Anspruch nehmende Parcours ist geprägt von sehr unterschiedlichen Sinneseindrücken, die Arbeit mit Pflanzen steht indes manchmal etwas zu sehr im Hintergrund.

Bis 17. Oktober (www.lausannejardins.ch).

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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