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Vertraute Fremdheit
Ein Haus von Allmann Sattler Wappner in Reutlingen
6. August 2004 - Johann Christoph Reidemeister
Die ästhetische Innovation fällt sofort ins Auge: Drei scharfkantige Baukörper auf einer Metallplatte schneiden in den Stadtraum. Sie haben die Form schlichter Satteldachhäuser, sonst aber wenig gemein mit ihrer spitzgiebeligen Umgebung. Schimmerndes Metall legt sich über Dächer, Mauern und selbst über das Grundstück. Konventionelle Fensteröffnungen gibt es keine, stattdessen ist die Metallhaut vor den Scheiben zu einem Rost perforiert, der den Blick nach aussen zulässt, von aussen betrachtet aber das Allover der Fassade nicht unterbricht. Balkone, Fenstersimse, Dachvorsprünge oder auch nur eine Regenrinne hat diese Architektur demonstrativ abgeschüttelt. Alles, die einheitliche Farbe wie auch die glatte, ununterbrochene Oberfläche, lässt die Häuser wie Monolithe wirken und nicht wie Behältnisse für das alltägliche Leben.
Dieses an Bauklötze erinnernde Gebäudeensemble entspricht unseren Sehgewohnheiten so wenig, dass es geradezu unwirklich erscheint. Fast sieht es so aus, als wäre hier ein überdimensioniertes Architekturmodell abgestellt worden, wie ein Puzzleteil passgenau eingefügt in die umgebende Stadt. Die vertraute Form unter der ungewohnten Metallhülle - das ist eine beunruhigende Verfremdung, mit der die Architekten dazu herausfordern, das Gesehene zu überprüfen. Trotz formaler Rigorosität und eisigen Farben kommt mit solchen Sehexperimenten eine verspielte Note an diesem Haus zum Klingen, die seine überstrenge Ästhetik konterkariert. Keine Spätgeburt des Minimalismus also, sondern eine dekonstruierende Persiflage des schwäbischen Hangs zum Giebel ist hier entstanden. Was dem Häuslebauer Geborgenheit und Sicherheit verspricht, das suchen Allmann Sattler Wappner zu übersteigern. - Das neuartige Äussere erforderte eine Neuerfindung in der Bautechnik. Die Herausforderung bei der Fassadenherstellung war es, die Oberfläche möglichst fugenlos zu realisieren. Die Lösung ist bemerkenswert: Die Metallplatten sind auf Schienen montiert, welche die Materialbewegung aufnehmen und in eine einzige Dehnungsfuge pro Hausseite leiten. Auch bei der Klimatisierung wurden neue Wege begangen. Ein Kühlsystem in den Decken, das mit Grundwasser aus 70 Metern Tiefe gespeist wird, reduziert die nutzungsbedingten hohen Wärmelasten der Vortrags- und Schulungsräume. Im Zusammenspiel mit kontrollierter Luftumwälzung und Lichtlenkung erübrigt sich damit eine energieintensive Klimaanlage. Das innovative Selbstverständnis dieser Architektur kommt ebenfalls beim Sockelgeschoss zum Tragen, das mit quadratischen Stahlplatten belegt wurde, in die stilisierte Blattmuster gefräst wurden. Bei Sonnenlicht erzeugt es wunderbare Schattenspiele. Das Licht wird dann an den harten Kanten der übergrossen Blätter in Hell und Dunkel geschnitten und wandert langsam über die Inneneinrichtung.
Ein dermassen abstrahierter Baukörper unterliegt der Gefahr, spröde zu wirken, alles Leben im Haus dem Verdikt der perfekten Form zu unterwerfen und jede Selbstverständlichkeit der Idee zu opfern. Und tatsächlich muss bemängelt werden, dass der Eingang kaum zu finden ist, wenn die Öffnungszeiten vorbei und die ornamentierten Türen beinahe übergangslos in das Fassadenmuster integriert sind. Wenig gelungen sind auch die aseptisch wirkenden Innenräume wie Lobby oder Kantine, die keinerlei Aufenthaltsqualitäten bieten. Mit hellgrauem Epoxidharz wurde in Anlehnung an die Gebäudehülle eine glatte, glänzende Arbeitslandschaft modelliert. Doch während das Metall der Fassade im wechselnden Licht des Himmels changiert, sieht es innen so aus, als wäre alles in einen Topf mausgraue Farbe gefallen.
Trotz solchen Schwächen ist das Verbandsgebäude der Südwestmetall in Reutlingen ein vom Konzept bis zu den sorgsam ausgeführten Details sauber durchgearbeitetes Haus. Vor allem ist es ein gebautes Bekenntnis zu guter Architektur, mehr noch, es ist ein Plädoyer für ein Architekturverständnis, das sein Ziel darin erkennt, der individuellen Bauaufgabe mit eigens dafür entwickelten Lösungen gerecht zu werden. Innovation in ihrem besten Sinne.
Dieses an Bauklötze erinnernde Gebäudeensemble entspricht unseren Sehgewohnheiten so wenig, dass es geradezu unwirklich erscheint. Fast sieht es so aus, als wäre hier ein überdimensioniertes Architekturmodell abgestellt worden, wie ein Puzzleteil passgenau eingefügt in die umgebende Stadt. Die vertraute Form unter der ungewohnten Metallhülle - das ist eine beunruhigende Verfremdung, mit der die Architekten dazu herausfordern, das Gesehene zu überprüfen. Trotz formaler Rigorosität und eisigen Farben kommt mit solchen Sehexperimenten eine verspielte Note an diesem Haus zum Klingen, die seine überstrenge Ästhetik konterkariert. Keine Spätgeburt des Minimalismus also, sondern eine dekonstruierende Persiflage des schwäbischen Hangs zum Giebel ist hier entstanden. Was dem Häuslebauer Geborgenheit und Sicherheit verspricht, das suchen Allmann Sattler Wappner zu übersteigern. - Das neuartige Äussere erforderte eine Neuerfindung in der Bautechnik. Die Herausforderung bei der Fassadenherstellung war es, die Oberfläche möglichst fugenlos zu realisieren. Die Lösung ist bemerkenswert: Die Metallplatten sind auf Schienen montiert, welche die Materialbewegung aufnehmen und in eine einzige Dehnungsfuge pro Hausseite leiten. Auch bei der Klimatisierung wurden neue Wege begangen. Ein Kühlsystem in den Decken, das mit Grundwasser aus 70 Metern Tiefe gespeist wird, reduziert die nutzungsbedingten hohen Wärmelasten der Vortrags- und Schulungsräume. Im Zusammenspiel mit kontrollierter Luftumwälzung und Lichtlenkung erübrigt sich damit eine energieintensive Klimaanlage. Das innovative Selbstverständnis dieser Architektur kommt ebenfalls beim Sockelgeschoss zum Tragen, das mit quadratischen Stahlplatten belegt wurde, in die stilisierte Blattmuster gefräst wurden. Bei Sonnenlicht erzeugt es wunderbare Schattenspiele. Das Licht wird dann an den harten Kanten der übergrossen Blätter in Hell und Dunkel geschnitten und wandert langsam über die Inneneinrichtung.
Ein dermassen abstrahierter Baukörper unterliegt der Gefahr, spröde zu wirken, alles Leben im Haus dem Verdikt der perfekten Form zu unterwerfen und jede Selbstverständlichkeit der Idee zu opfern. Und tatsächlich muss bemängelt werden, dass der Eingang kaum zu finden ist, wenn die Öffnungszeiten vorbei und die ornamentierten Türen beinahe übergangslos in das Fassadenmuster integriert sind. Wenig gelungen sind auch die aseptisch wirkenden Innenräume wie Lobby oder Kantine, die keinerlei Aufenthaltsqualitäten bieten. Mit hellgrauem Epoxidharz wurde in Anlehnung an die Gebäudehülle eine glatte, glänzende Arbeitslandschaft modelliert. Doch während das Metall der Fassade im wechselnden Licht des Himmels changiert, sieht es innen so aus, als wäre alles in einen Topf mausgraue Farbe gefallen.
Trotz solchen Schwächen ist das Verbandsgebäude der Südwestmetall in Reutlingen ein vom Konzept bis zu den sorgsam ausgeführten Details sauber durchgearbeitetes Haus. Vor allem ist es ein gebautes Bekenntnis zu guter Architektur, mehr noch, es ist ein Plädoyer für ein Architekturverständnis, das sein Ziel darin erkennt, der individuellen Bauaufgabe mit eigens dafür entwickelten Lösungen gerecht zu werden. Innovation in ihrem besten Sinne.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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