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Der Weltveränderer
Der New Yorker Designer Karim Rashid in München
Der in New York tätige Designer Karim Rashid ist ein Grenzgänger zwischen den Welten des Digitalen und des Realen. Nun eröffnet die Neue Sammlung in der Münchner Pinakothek der Moderne ihre Ausstellungsreihe «Change» mit dem schillernden Shootingstar, der in atemberaubendem Tempo neue Produkte für den Markt kreiert.
1. Dezember 2004 - Andrea Eschbach
Der Mann löst Emotionen aus: Gilt er den einen als oberflächlich und banal, hat er bei den anderen den Kultstatus eines Popstars. Ähnlich wie Philippe Starck polarisiert Karim Rashid, und ähnlich wie sein französischer Kollege hat der amerikanische Designer schon nahezu alles entworfen, was es zu entwerfen gibt. Rund 500 reale Produkte umfasst sein Portfolio inzwischen - von Parfumflacons und Hotelinterieurs über Bohrmaschinen bis hin zu Papierkörben und Kunstwerken. Der Vielbeschäftigte kennt dabei keine Grenzen zwischen Computerrendering und tatsächlicher Massenproduktion. Er inszeniert sein Werk als Gesamtkunstwerk an den Schnittstellen von Musik, Mode, Kunst und Design. Im Jahre 1993 gründete der in Kairo geborene Kanadier sein eigenes Büro in New York. Seither sucht er nach dem adäquaten Ausdruck für das digitale Zeitalter. «I want to change the world», verkündete der 44-jährige Kosmopolit 2001 so vollmundig wie selbstbewusst. «Change» ist auch der Titel einer neuen Ausstellungsreihe der Neuen Sammlung München. Das Museum für angewandte Kunst, untergebracht in Stephan Braunfels' spröder Pinakothek der Moderne, will damit in loser Folge internationale Persönlichkeiten vorstellen, die am Paradigmenwechsel im Design beteiligt sind. Den Auftakt macht mit Rashid eine der schillerndsten Figuren der heutigen Designerszene. Mit rund 60 Exponaten ist die von Albrecht Bangert kuratierte Ausstellung gleichzeitig die erste europäische Einzelschau des vielfach ausgezeichneten Designers.
Eine bonbonrosa Sitzlandschaft und grelle Grafiken stimmen die Besucher im Untergeschoss des Museums auf Rashids fröhlich-bunte Welt ein. Darüber schwebt ein Flugzeugmodell von Luigi Colani. Kein Zufall, ist Colani doch eines der Vorbilder, auf die sich Rashid beruft. Stets in Weiss gekleidet wie das Enfant terrible des deutschen Designs, liebt auch der Wahlamerikaner die organische Form. Dies ist jedoch nur einer der Einflüsse, die er zu etwas Neuem verwandelt. «Wie ein Eroberer hinab in die Ebene blickt Karim Rashid auf die Designgeschichte, die wie ein Musterbuch offen vor ihm liegt», schwärmt Florian Hufnagl, der Direktor der Neuen Sammlung. Ungeniert bedient sich Rashid des Arsenals der Moderne und formt sein eigenes Universum aus dem Repertoire von Klassikern wie Charles Eames und Isamu Noguchi - angereichert mit Zitaten aus den Sixties und Seventies sowie der Welt von Comics und Graffiti. Diese Haltung erinnert an das Sampeln und Remixen elektronisch generierter Musik. Da überrascht es nicht, dass das Multitalent auch als DJ gebucht werden kann.
Die Handschrift von Rashid ist unverkennbar. Seine Designsprache ist plakativ, er bekennt sich zu biomorphen Formen und soften Oberflächen, zu Hightech-Materialien und Marshmallow-Farben, zu computergenerierten Mustern und Op- Art-Effekten. Die Tropfenform des Blob ist sein Markenzeichen. In München schweben die Objekte in zwei Paternostern am Besucher vorbei, vom modularen Porzellangeschirr über Zylindervasen bis zum weich geschwungenen Hocker. «Sinnlichen Minimalismus» nennt Rashid selbst seinen Arbeitsstil, «techno-organisch» ist ein weiteres Label. Darin klingt an, dass er seine Inspiration keineswegs aus der Natur bezieht, sondern dass diese vielmehr auf dem Fortschritt der Computersoftware beruht. Da kann es schon passieren, dass Entwürfe einige Jahre in der Schublade liegen, bevor sie realisiert werden können: 1995 kreierte er beispielsweise das Regal «Kurl» aus gebogenem Kristallglas, an dessen Produktion sich die Möbelfirma Zeritalia erst 2002 wagte. Aber Rashid unterscheidet ohnehin nicht zwischen Entwurf und realem Produkt. Es kommt ihm auf die Idee an. Wie die Blob-Architekten schafft er mit digitalen Werkzeugen hochkomplexe Formen, die es bisher nicht gab. In München geben Computersimulationen von Hochhäusern, Uhren, Gläsern und Möbeln einen kleinen Einblick in seinen Kosmos, den er in rund 2000 digitalen Zeichnungen erschaffen hat. Bisher haben seine Entwürfe die Welt nicht verändert. Aber Rashid ist es mit seiner Mission ernst. «Morgen ist schon heute», verkündet er. Und macht sich daran, künftig auch den menschlichen Körper zu verändern. Ginge es nach ihm, trügen wir schon bald einen von ihm entworfenen Kamerachip im Auge. So viel Technologiebegeisterung kann einem dann doch etwas unheimlich werden.
[ Bis 27. Februar in der Pinakothek der Moderne. Katalog: Karim Rashid. Change. Hrsg. Florian Hufnagl. Birkhäuser-Verlag, Basel 2004. 64 S., Fr. 23.- (Euro 14.80 in der Ausstellung). ]
Eine bonbonrosa Sitzlandschaft und grelle Grafiken stimmen die Besucher im Untergeschoss des Museums auf Rashids fröhlich-bunte Welt ein. Darüber schwebt ein Flugzeugmodell von Luigi Colani. Kein Zufall, ist Colani doch eines der Vorbilder, auf die sich Rashid beruft. Stets in Weiss gekleidet wie das Enfant terrible des deutschen Designs, liebt auch der Wahlamerikaner die organische Form. Dies ist jedoch nur einer der Einflüsse, die er zu etwas Neuem verwandelt. «Wie ein Eroberer hinab in die Ebene blickt Karim Rashid auf die Designgeschichte, die wie ein Musterbuch offen vor ihm liegt», schwärmt Florian Hufnagl, der Direktor der Neuen Sammlung. Ungeniert bedient sich Rashid des Arsenals der Moderne und formt sein eigenes Universum aus dem Repertoire von Klassikern wie Charles Eames und Isamu Noguchi - angereichert mit Zitaten aus den Sixties und Seventies sowie der Welt von Comics und Graffiti. Diese Haltung erinnert an das Sampeln und Remixen elektronisch generierter Musik. Da überrascht es nicht, dass das Multitalent auch als DJ gebucht werden kann.
Die Handschrift von Rashid ist unverkennbar. Seine Designsprache ist plakativ, er bekennt sich zu biomorphen Formen und soften Oberflächen, zu Hightech-Materialien und Marshmallow-Farben, zu computergenerierten Mustern und Op- Art-Effekten. Die Tropfenform des Blob ist sein Markenzeichen. In München schweben die Objekte in zwei Paternostern am Besucher vorbei, vom modularen Porzellangeschirr über Zylindervasen bis zum weich geschwungenen Hocker. «Sinnlichen Minimalismus» nennt Rashid selbst seinen Arbeitsstil, «techno-organisch» ist ein weiteres Label. Darin klingt an, dass er seine Inspiration keineswegs aus der Natur bezieht, sondern dass diese vielmehr auf dem Fortschritt der Computersoftware beruht. Da kann es schon passieren, dass Entwürfe einige Jahre in der Schublade liegen, bevor sie realisiert werden können: 1995 kreierte er beispielsweise das Regal «Kurl» aus gebogenem Kristallglas, an dessen Produktion sich die Möbelfirma Zeritalia erst 2002 wagte. Aber Rashid unterscheidet ohnehin nicht zwischen Entwurf und realem Produkt. Es kommt ihm auf die Idee an. Wie die Blob-Architekten schafft er mit digitalen Werkzeugen hochkomplexe Formen, die es bisher nicht gab. In München geben Computersimulationen von Hochhäusern, Uhren, Gläsern und Möbeln einen kleinen Einblick in seinen Kosmos, den er in rund 2000 digitalen Zeichnungen erschaffen hat. Bisher haben seine Entwürfe die Welt nicht verändert. Aber Rashid ist es mit seiner Mission ernst. «Morgen ist schon heute», verkündet er. Und macht sich daran, künftig auch den menschlichen Körper zu verändern. Ginge es nach ihm, trügen wir schon bald einen von ihm entworfenen Kamerachip im Auge. So viel Technologiebegeisterung kann einem dann doch etwas unheimlich werden.
[ Bis 27. Februar in der Pinakothek der Moderne. Katalog: Karim Rashid. Change. Hrsg. Florian Hufnagl. Birkhäuser-Verlag, Basel 2004. 64 S., Fr. 23.- (Euro 14.80 in der Ausstellung). ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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