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Zeichen, Schule machend
Fahrt durch das frühwinterliche Niederösterreich: über kleine Pässe, durch enge Täler, Kleinstädte und Dörfer. Und entlang der jüngsten Arbeiten engagierter Architekten. Ein Streifzug.
11. Dezember 2004 - Walter Zschokke
Fahrt durch Niederösterreich im Spätherbst: auf Land- und Nebenstraßen, mit kurzen Halten in Kleinstädten und Dörfern, zwecks Besichtigung jüngster Arbeiten verschiedener Architektinnen und Architekten. Anfangs auf morgendlich nebelfeuchter Fahrbahn durch enge Täler und über kleine Pässe im Voralpenbereich, die Talflanken bedeckt mit steilen Waldstücken, durchsetzt von Felsformationen, zwischendurch eine kleine Ansiedlung, wenn die Erweiterung des Talbodens dies zulässt, und da und dort eine Burgruine über schroffen Feldzacken.
In Scheibbs, wo der mittelalterliche Stadtkern in eine schmale Zone neben dem Fluss gezwängt ist, wurde jüngst eine Filiale von Forster Optik eingerichtet, gestaltet von Irmgard Frank und Finn Erschen. Das prominent unter einem bemalten Giebel im Stadtgefüge ruhende Haus weist mit Stein eingefasste Stichbogenarkaden aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Dahinter befindet sich das Optikgeschäft, das tief ins Gebäude hineinreicht. Eine kräftige Längsmauer, durch Einbauten in ihrer Dimension noch verstärkt, teilt den Schauraum vom Servicebereich. Durchgänge und ein geschützter Sitzplatz für kurze Wartezeiten lockern dieses strukturierende Element auf. Im Schauraum werden Brillengestelle auf gläsernen Tablaren vor hinterleuchteten Milchglasflächen präsentiert, oben und unten begleitet von einem breiten Band eisgrün leuchtender Scheiben. Dazu kontrastiert das warmfarbig dunkle Parkett, während frei im Raum stehende Möbel aus hellem Holz gearbeitet sind. Der edle Charakter der Einrichtung verleiht dem Angebot und der Serviceleistung der Firma einen zusätzlichen Impuls zum positiven Gesamteindruck.
Ins Alpenvorland weiten sich die Täler, und die Topografie wird weicher. Am Weg liegt Matzleinsdorf bei Melk, eine kleine Ortschaft. Die bescheidene Kirche unklaren Alters erhielt einen Vorbau, der als geräumiger Eingangsbereich dient. Hinter dem Schulhaus hervor lädt der schräg aus der gerundeten Ecke stoßende Eingang zum Eintreten. Ein breites Fenster bietet Einblick in den Sakralraum mit den schlichten Fichtenholzbänken. Richard Zeitlhuber hat den Vorbau auf beengtem Platz als zeitgenössisches Element an das kleine Kirchenschiff gefügt. Er wirkt angenehm beiläufig und dennoch freundlich offen.
In Melk befindet sich am Hauptplatz eine weitere Forster-Filiale, diesmal von Sabine Bartscherer und Ana Paula Cachola gestaltet. Auch hier galt es, das Geschäft in die Mauerstruktur eines im Kern mittelalterlichen Hauses zu komponieren. Ein mit Glas überdeckter ehemaliger Hof bringt Licht in die Tiefe des Raumes, eine in Pfeiler aufgelöste Mauer teilt wiederum die Hauptbereiche ab. Die Brillengestelle werden hier in niedrigen, dafür umso breiteren Fächern präsentiert, die unregelmäßig in der schwarzen, rahmenden Wandfläche eingeschnitten sind. Eine indirekte Beleuchtung verstärkt die Wirkung der Objekte. Der Generationsunterschied in der Ausbildung zwischen den Entwerferinnen - im Vergleich zu jenen der Filiale in Scheibbs - wird deutlich an der Schrägstellung einer Arbeitsinsel im hinteren Bereich oder an der Möblierung der Kinderecke im Obergeschoß. Dennoch passt die differenzierte Gestaltung zu den ausgestellten Produkten: zarten Brillengestellen und zerbrechlichen Augengläsern, und ebenso zur exakten Bearbeitung und Anpassung an individuelle Kundenbedürfnisse und -wünsche, wie dies dem hoch spezialisierten Geschäftszweig entspricht.
Durch den Dunkelsteiner Wald, dessen Name allein schon an Märchen gemahnt, führt der Weg nach Herzogenburg. Hier wurde der Platz vor der Stiftskirche teilweise neu gestaltet, aber der Bereich daneben, vor der Feuerwehr, belassen. Es handelt sich um eine gestufte Anlage: von Betonmäuerchen gerahmte Grünflächen, dazwischen eingesenkte Ruhezonen; eine in ihrer plastischen Qualität durchaus erhaltenswerte Anlage aus den 1970er-Jahren. Und auch die von geparkten Autos besetzte Hauptfläche des von Bürgerhäusern eingefassten Kirchenplatzes blieb unangetastet. (Gregor) Eichinger oder (Christian) Knechtl, die Gestalter der Zone vor der Kirche, legten eine mit quadratischen Ebenseer Zementsteinen belegte Fläche aus, die von einer frei ausbauchenden Linie begrenzt wird. Das unregelmäßige Muster der von hell- bis dunkelgrau abgestuft eingefärbten Steine erschließt sich erst aus großer Höhe, beispielsweise von den Balustraden unter dem Turmhelm. Die „Pixel“ verdichten sich zum Bild: Eine Hand scheint sich den Platzteil zu greifen, um die Zone vor der Kirche den zudringlich parkenden Autos zu entziehen: eine feinsinnig kontextuelle Arbeit.
Weiter geht es durch die Ebene nach Zwentendorf. Positive Erinnerungen steigen auf an die Jury im Verfahren zur Erweiterung der Hauptschule, umsichtig und vorbildhaft geleitet durch den tragischerweise früh verstorbenen Reinhard Medek, die das Projekt von Martin Kohlbauer auf den ersten Platz setzte. Wie hat der Gewinner die Ausführung bewältigt? Ein Gang um das Gebäude nähert Erinnerung und reales Bauwerk einander an: die gestuft vorkragenden Geschoße, der schlank aufgestelzte Körper des zweiten und dritten Obergeschoßes, die ruhige Fassade zum Park neben der Kirche, die Pausenfläche im Hofbereich auf dem Turnhallendach und die Raum lassende Behandlung des alten Baukörpers: alles vorhanden und in Gebrauch. Die städtebauliche Integration der zeitgenössischen Bauformen ist gelungen.
In Tulln ist es ein Billa-Markt von Gottfried Haselmeyer der positiv ins Auge springt. Lange Jahre waren die rotgelben Läden geprägt von hochnotpeinlichen Anbiederungsversuchen aus mit Holz getäfelten Blenden und ziegelbedeckten Scheindächern an eine vermeintlich ländliche Bauweise. Architekt Haselmeyer hat in Niederösterreich in dieser Hinsicht unbedankt härteste Pionierarbeit geleistet und die ersten selbstverständlich wirkenden Billa-Märkte in Zwettl, Grein und eben Tulln gestaltet.
Im Bogen um Wien herum, südlich von Schwechat stoße ich an der Landstraße nach Lanzendorf auf ein Firmengebäude, dessen signifikantes Dach aus regelmäßig gereihten Schichtholzträgerrn über den Gebäuden und Lagerflächen zu schweben scheint und alles zu einem Ganzen fasst. Otmar Hasler hat für die Dachdeckerfirma ein unmissverständliches, aber vor allem auch nützliches Kennzeichen entworfen, dessen klare architektonische Form mehr bietet, als nur ein „Firmenschild“ zu sein.
An hellen Tagen mag man auf der Heimfahrt durch die ebenen Landstriche vor dem Einbruch der Nacht nicht selten von einem dieser großartig weiten, von Wolken dramatisch aufgeladenen niederösterreichischen Himmel überrascht werden, die für den Betrachter aus den Häuserschluchten der Großstadt nie diese Entfaltung und überwältigende Wucht erreichen.
In Scheibbs, wo der mittelalterliche Stadtkern in eine schmale Zone neben dem Fluss gezwängt ist, wurde jüngst eine Filiale von Forster Optik eingerichtet, gestaltet von Irmgard Frank und Finn Erschen. Das prominent unter einem bemalten Giebel im Stadtgefüge ruhende Haus weist mit Stein eingefasste Stichbogenarkaden aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Dahinter befindet sich das Optikgeschäft, das tief ins Gebäude hineinreicht. Eine kräftige Längsmauer, durch Einbauten in ihrer Dimension noch verstärkt, teilt den Schauraum vom Servicebereich. Durchgänge und ein geschützter Sitzplatz für kurze Wartezeiten lockern dieses strukturierende Element auf. Im Schauraum werden Brillengestelle auf gläsernen Tablaren vor hinterleuchteten Milchglasflächen präsentiert, oben und unten begleitet von einem breiten Band eisgrün leuchtender Scheiben. Dazu kontrastiert das warmfarbig dunkle Parkett, während frei im Raum stehende Möbel aus hellem Holz gearbeitet sind. Der edle Charakter der Einrichtung verleiht dem Angebot und der Serviceleistung der Firma einen zusätzlichen Impuls zum positiven Gesamteindruck.
Ins Alpenvorland weiten sich die Täler, und die Topografie wird weicher. Am Weg liegt Matzleinsdorf bei Melk, eine kleine Ortschaft. Die bescheidene Kirche unklaren Alters erhielt einen Vorbau, der als geräumiger Eingangsbereich dient. Hinter dem Schulhaus hervor lädt der schräg aus der gerundeten Ecke stoßende Eingang zum Eintreten. Ein breites Fenster bietet Einblick in den Sakralraum mit den schlichten Fichtenholzbänken. Richard Zeitlhuber hat den Vorbau auf beengtem Platz als zeitgenössisches Element an das kleine Kirchenschiff gefügt. Er wirkt angenehm beiläufig und dennoch freundlich offen.
In Melk befindet sich am Hauptplatz eine weitere Forster-Filiale, diesmal von Sabine Bartscherer und Ana Paula Cachola gestaltet. Auch hier galt es, das Geschäft in die Mauerstruktur eines im Kern mittelalterlichen Hauses zu komponieren. Ein mit Glas überdeckter ehemaliger Hof bringt Licht in die Tiefe des Raumes, eine in Pfeiler aufgelöste Mauer teilt wiederum die Hauptbereiche ab. Die Brillengestelle werden hier in niedrigen, dafür umso breiteren Fächern präsentiert, die unregelmäßig in der schwarzen, rahmenden Wandfläche eingeschnitten sind. Eine indirekte Beleuchtung verstärkt die Wirkung der Objekte. Der Generationsunterschied in der Ausbildung zwischen den Entwerferinnen - im Vergleich zu jenen der Filiale in Scheibbs - wird deutlich an der Schrägstellung einer Arbeitsinsel im hinteren Bereich oder an der Möblierung der Kinderecke im Obergeschoß. Dennoch passt die differenzierte Gestaltung zu den ausgestellten Produkten: zarten Brillengestellen und zerbrechlichen Augengläsern, und ebenso zur exakten Bearbeitung und Anpassung an individuelle Kundenbedürfnisse und -wünsche, wie dies dem hoch spezialisierten Geschäftszweig entspricht.
Durch den Dunkelsteiner Wald, dessen Name allein schon an Märchen gemahnt, führt der Weg nach Herzogenburg. Hier wurde der Platz vor der Stiftskirche teilweise neu gestaltet, aber der Bereich daneben, vor der Feuerwehr, belassen. Es handelt sich um eine gestufte Anlage: von Betonmäuerchen gerahmte Grünflächen, dazwischen eingesenkte Ruhezonen; eine in ihrer plastischen Qualität durchaus erhaltenswerte Anlage aus den 1970er-Jahren. Und auch die von geparkten Autos besetzte Hauptfläche des von Bürgerhäusern eingefassten Kirchenplatzes blieb unangetastet. (Gregor) Eichinger oder (Christian) Knechtl, die Gestalter der Zone vor der Kirche, legten eine mit quadratischen Ebenseer Zementsteinen belegte Fläche aus, die von einer frei ausbauchenden Linie begrenzt wird. Das unregelmäßige Muster der von hell- bis dunkelgrau abgestuft eingefärbten Steine erschließt sich erst aus großer Höhe, beispielsweise von den Balustraden unter dem Turmhelm. Die „Pixel“ verdichten sich zum Bild: Eine Hand scheint sich den Platzteil zu greifen, um die Zone vor der Kirche den zudringlich parkenden Autos zu entziehen: eine feinsinnig kontextuelle Arbeit.
Weiter geht es durch die Ebene nach Zwentendorf. Positive Erinnerungen steigen auf an die Jury im Verfahren zur Erweiterung der Hauptschule, umsichtig und vorbildhaft geleitet durch den tragischerweise früh verstorbenen Reinhard Medek, die das Projekt von Martin Kohlbauer auf den ersten Platz setzte. Wie hat der Gewinner die Ausführung bewältigt? Ein Gang um das Gebäude nähert Erinnerung und reales Bauwerk einander an: die gestuft vorkragenden Geschoße, der schlank aufgestelzte Körper des zweiten und dritten Obergeschoßes, die ruhige Fassade zum Park neben der Kirche, die Pausenfläche im Hofbereich auf dem Turnhallendach und die Raum lassende Behandlung des alten Baukörpers: alles vorhanden und in Gebrauch. Die städtebauliche Integration der zeitgenössischen Bauformen ist gelungen.
In Tulln ist es ein Billa-Markt von Gottfried Haselmeyer der positiv ins Auge springt. Lange Jahre waren die rotgelben Läden geprägt von hochnotpeinlichen Anbiederungsversuchen aus mit Holz getäfelten Blenden und ziegelbedeckten Scheindächern an eine vermeintlich ländliche Bauweise. Architekt Haselmeyer hat in Niederösterreich in dieser Hinsicht unbedankt härteste Pionierarbeit geleistet und die ersten selbstverständlich wirkenden Billa-Märkte in Zwettl, Grein und eben Tulln gestaltet.
Im Bogen um Wien herum, südlich von Schwechat stoße ich an der Landstraße nach Lanzendorf auf ein Firmengebäude, dessen signifikantes Dach aus regelmäßig gereihten Schichtholzträgerrn über den Gebäuden und Lagerflächen zu schweben scheint und alles zu einem Ganzen fasst. Otmar Hasler hat für die Dachdeckerfirma ein unmissverständliches, aber vor allem auch nützliches Kennzeichen entworfen, dessen klare architektonische Form mehr bietet, als nur ein „Firmenschild“ zu sein.
An hellen Tagen mag man auf der Heimfahrt durch die ebenen Landstriche vor dem Einbruch der Nacht nicht selten von einem dieser großartig weiten, von Wolken dramatisch aufgeladenen niederösterreichischen Himmel überrascht werden, die für den Betrachter aus den Häuserschluchten der Großstadt nie diese Entfaltung und überwältigende Wucht erreichen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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