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Koloss komplett
Das Katalanische Kunstmuseum (MNAC) in Barcelona
3. Februar 2005 - Markus Jakob
Es ist nicht der Louvre und nicht der Prado - kein grosses Königshaus hat hier je einen Fundus an grosser Malerei gelegt -, doch zumindest flächenmässig gehört es in dieselbe Kategorie: das Museu Nacional d'Art de Catalunya (MNAC), das nach achtzehnjähriger Umbauzeit nun wiedereröffnet wurde. Nach wie vor beherbergt es die Weltgeltung geniessenden Sammlungen katalanischer Romanik und Gotik, neu zudem umfangreiche Bestände aus jener zweiten Blütezeit katalanischer Kunst, die vom 19. Jahrhundert bis zu Tàpies reicht. Dazu kommen die Legate Cambó und Espona, die die in Barcelona schmerzlich klaffende Lücke der Renaissance und des Barock mit einigen wenigen Perlen (Piombo, Zurbarán, Tiepolo) ausschmücken, sowie siebzig Werke aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza, die zuvor im barcelonesischen Kloster Pedralbes zu sehen waren. Verglichen mit dessen lapidarer Würde wirken die neuen Säle freilich nachgerade schäbig - womit erst ein Aspekt der Fragwürdigkeit des ganzen Unternehmens MNAC angesprochen ist.
Riese auf tönernen Füssen
Das Gebäude, welches das Museum beherbergt, ist ein ursprünglich für die Weltausstellung 1929 - und nur für diese - errichteter Palast, dessen Umbau nicht zuletzt seiner konstruktiven Mängel wegen 122 Millionen Euro verschlang: ein Riese auf tönernen Füssen. Stilistisch ist er als letzter Seufzer akademischer Protzsucht einzuordnen. Überdeutlich macht den Anachronismus, nur einige Schritte davon entfernt, eine Ikone der Moderne: Mies van der Rohes zur selben Zeit und für dieselbe Ausstellung geplanter deutscher Pavillon. Für den Umbau wurde mit Gae Aulenti eine Architektin gewählt, die um 1985 mit dem Musée d'Orsay in Paris zu vorübergehender Berühmtheit gelangt war. Ihre postmoderne Intervention wirkt heute, nach der ungemein langen Bauzeit, nicht frischer als damals, streckenweise fast so schmonzig wie der Koloss an sich.
Verantwortlich für die Verzögerung war freilich nicht die italienische Architektin, sondern jene fünf Legislaturen überdauernde nationalistische Regierung, die es an Eifer in patriotischen Belangen sonst nicht missen liess. Das kulturelle Vorzeigeprojekt des Landes zu vollenden (nach zwei Teileröffnungen in den neunziger Jahren), blieb indessen ihren sozialistischen Nachfolgern überlassen. Leider wurde das Vorhaben, tausend Jahre katalanischer Kunst unter einem Dach zu vereinen, dadurch nicht sinnvoller.
Pompöse Leere
Nicht nur die klösterliche Umgebung für die Bilder der Sammlung Thyssen vermisst man heute, sondern auch das Museu d'Art Modern, das mit seinen knarrenden Böden all den vorzüglichen katalanischen Impressionisten, Symbolisten und «Noucentistes» (Fortuny, Nonell, Mir, Casas, Rusiñol) einen perfekten, mehr noch: charmanten Hintergrund geboten hatte. Es wurde sang- und klanglos aufgelöst, um deren Werke einem vermeintlichen Gesamtbild nationalen Kunstschaffens einzuverleiben - bloss dass dann die barcelonesische Avantgarde des 20. Jahrhunderts hier ohne Picasso und ohne Miró auskommen muss (die in der Stadt ihre eigenen Museen haben).
So erzwungen das ganze Projekt erscheint, einzigartig ist das Museum gleichwohl. Gae Aulentis abstrakte Nachbildung der romanischen Apsiden, ja ganzer pyrenäischer Kapellen, aus denen die Bildwerke zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor Plünderern, Brandschatzern und amerikanischen Sammlern gerettet wurden, ist eindrücklich, auch wenn es deren unaufgeregte vorherige Präsentation nicht vergessen lässt. Schon in die gotische Malerei kann man sich indessen unbehelligt von architektonischen Revenants versenken. Nach Durchwanderung des endlosen katalanischen Fin de siècle endet der Parcours in einer kleinen, aber feinen Fotografie-Abteilung. Sie nimmt eine winzige Empore der enormen, im Übrigen nicht für Ausstellungszwecke genutzten «Sala Oval» ein. In ihrer pompösen Leere erscheint diese Halle wie ein Gegenbild zu dem zersplitterten Universum der romanischen und gotischen Bilderkunst; zugleich aber, so scheint es, repräsentiert sie die Idee dieses Museums.
Riese auf tönernen Füssen
Das Gebäude, welches das Museum beherbergt, ist ein ursprünglich für die Weltausstellung 1929 - und nur für diese - errichteter Palast, dessen Umbau nicht zuletzt seiner konstruktiven Mängel wegen 122 Millionen Euro verschlang: ein Riese auf tönernen Füssen. Stilistisch ist er als letzter Seufzer akademischer Protzsucht einzuordnen. Überdeutlich macht den Anachronismus, nur einige Schritte davon entfernt, eine Ikone der Moderne: Mies van der Rohes zur selben Zeit und für dieselbe Ausstellung geplanter deutscher Pavillon. Für den Umbau wurde mit Gae Aulenti eine Architektin gewählt, die um 1985 mit dem Musée d'Orsay in Paris zu vorübergehender Berühmtheit gelangt war. Ihre postmoderne Intervention wirkt heute, nach der ungemein langen Bauzeit, nicht frischer als damals, streckenweise fast so schmonzig wie der Koloss an sich.
Verantwortlich für die Verzögerung war freilich nicht die italienische Architektin, sondern jene fünf Legislaturen überdauernde nationalistische Regierung, die es an Eifer in patriotischen Belangen sonst nicht missen liess. Das kulturelle Vorzeigeprojekt des Landes zu vollenden (nach zwei Teileröffnungen in den neunziger Jahren), blieb indessen ihren sozialistischen Nachfolgern überlassen. Leider wurde das Vorhaben, tausend Jahre katalanischer Kunst unter einem Dach zu vereinen, dadurch nicht sinnvoller.
Pompöse Leere
Nicht nur die klösterliche Umgebung für die Bilder der Sammlung Thyssen vermisst man heute, sondern auch das Museu d'Art Modern, das mit seinen knarrenden Böden all den vorzüglichen katalanischen Impressionisten, Symbolisten und «Noucentistes» (Fortuny, Nonell, Mir, Casas, Rusiñol) einen perfekten, mehr noch: charmanten Hintergrund geboten hatte. Es wurde sang- und klanglos aufgelöst, um deren Werke einem vermeintlichen Gesamtbild nationalen Kunstschaffens einzuverleiben - bloss dass dann die barcelonesische Avantgarde des 20. Jahrhunderts hier ohne Picasso und ohne Miró auskommen muss (die in der Stadt ihre eigenen Museen haben).
So erzwungen das ganze Projekt erscheint, einzigartig ist das Museum gleichwohl. Gae Aulentis abstrakte Nachbildung der romanischen Apsiden, ja ganzer pyrenäischer Kapellen, aus denen die Bildwerke zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor Plünderern, Brandschatzern und amerikanischen Sammlern gerettet wurden, ist eindrücklich, auch wenn es deren unaufgeregte vorherige Präsentation nicht vergessen lässt. Schon in die gotische Malerei kann man sich indessen unbehelligt von architektonischen Revenants versenken. Nach Durchwanderung des endlosen katalanischen Fin de siècle endet der Parcours in einer kleinen, aber feinen Fotografie-Abteilung. Sie nimmt eine winzige Empore der enormen, im Übrigen nicht für Ausstellungszwecke genutzten «Sala Oval» ein. In ihrer pompösen Leere erscheint diese Halle wie ein Gegenbild zu dem zersplitterten Universum der romanischen und gotischen Bilderkunst; zugleich aber, so scheint es, repräsentiert sie die Idee dieses Museums.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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