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Vom Schluf zur Halle
Einst eine der vielen Kreuzungen aus Schule und Kaserne. Jetzt eine Halle mit Galerien, lichtdurchflutet. Und außen eine Freitreppe, die klar signalisiert: Eingang! Der Umbau der Handelsakademie in Korneuburg durch Nehrer Medek & Partner.
19. August 2005 - Walter Zschokke
Die städtebauliche Entwicklung von Korneuburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts un terscheidet sich kaum von jener ähnlicher Bezirkshauptstädte. Außerhalb des geschleiften Mauerkorsetts legt sich an die „Ringstraße“ ein Kranz öffentlicher Bauten; eine schöne und markante städtebauliche Figur, die bis in unsere Zeit weitergeführt wurde. Ihre Logik erlaubt es, sich in solchen Städten prinzipiell zurechtzufinden - auch wenn ein Stadtplan im konkreten Fall immer nützlich ist.
Das Gebäude der Handelsakademie liegt nördlich des Stadtkerns an einer Kurve des Dr.-Karl-Liebleitner-Rings am Übergang zum vorstädtisch orthogonalen Straßenraster. Auf Letzteren bezogen, war der Altbestand städtebaulich nicht besonders sensibel eingefügt. Vielmehr ist die symmetrische Fassade vom Ring weggedreht, sodass davor eine ungleiche Restfläche übrig blieb und die städtebauliche Figur eine sinnlose Störung aufwies. Überhaupt war der Altbau alles andere als ein Meisterwerk. Mit den drei flachen Risaliten gelang es nicht, die Fassade wirksam zu gliedern, und der enge, mittige Eingang war weder einladend noch besonders funktionell. An der Rückseite schloss einseitig ein kurzer Seitenflügel an und in der Mitte, der Typologie derartiger Zweckbauten folgend, das Stiegenhaus mit den Toiletten. Eine der verbreiteten Kreuzungen aus Schule und Kaserne eben.
Das aus einem Wettbewerb hervorgegangene Projekt von Nehrer Medek & Partner löst eine Reihe von städtebaulichen sowie funktionalen Defiziten des Altbaus und verleiht der Anlage deutlich mehr Charakter. Dabei wird nicht die Typologie des Altbaus fortgesetzt, etwa mit einer Verlängerung und Ergänzung durch Seitenflügel, sondern ein ebenfalls winkelförmiger Baukörper an die Rückseite des Altbestands gerückt, sodass sich dazwischen eine lichtdurchflutete Halle mit Gale-rien und Treppenläufen öffnet. Zusammen mit den ehemaligen Korridoren ergibt dies eine lang gezogene, ringförmige Erschließung mit Querverbindungen in Form breiter Stege. Damit gewinnt das neue Ganze eine funktional mehrdeutige, weiträumige Mitte.
Doch damit nicht genug. Die unattraktive zentrale Türe in den Altbau mit nachfolgendem Treppenschluf wird zum Nebeneingang erklärt und der kürzere Schenkel des Neubauteils neben dem Altbau nach vorn gezogen. Er erscheint als markanter Quader, aufgestelzt auf hohen Rundstützen, zwischen denen eine breite Treppe das angehobene Hauptgeschoß erschließt. Seitliche Rampen führen zu den Garderoben im Sockelgeschoß. Die monumentale Stirnseite und die Freitreppe signalisieren klar „Eingang“. Vor allem aber profitiert das neue Portal von dem in diesem Bereich tieferen Vorfeld. Damit wird die bisher unbefriedigende städtebauliche Lage des Altbaus geschickt relativiert und durch die unmissverständliche Geste des neuen Eingangs das Vorfeld positiv aktiviert.
Aber mit dem kompakten Konzept wird nicht nur die Straßenfront verbessert. An der Rückseite bleibt auf dem Grundstück ein großzügiger Freiraum offen für Pau-senflächen, ein Sportfeld und für eine mit Bäumen bestandene Wiese. Eine neue Turnhalle schließt entlang der Seitenstraße an den alten Seitenflügel an und schirmt den Binnenbereich von dieser Seite her ab.
An der anderen Seite verbindet ein neuer Fuß- und Radweg Ring und rückwärtige Straße, was in Korneuburg, wo auch ältere Menschen sich noch aufs Rad trauen können, geschätzt wird. Archi-tektonisch besteht der Dialog zwischen den beiden sich ergänzenden Gebäudewinkeln von Alt und Neu aus einer differenzierten Interpretation des Zwischenraums. Nach vorn bleibt bloß ein schmaler Spalt von der Breite ei- ner Armspanne. Doch ist er nicht nur als formale Distanznahme eingesetzt, wie in zahlreichen anderen Fällen, vielmehr enthält er im Grundriss den links an der Freitreppe vorbeiführenden Rampenweg zur Garderobe im Sockelgeschoß.
Im Binnenbereich, wo sich die beiden langen Schenkel der Gebäudewinkel gegenüberstehen, ist es die bereits angesprochene Oberlichthalle mit den dynamischen Elementen der Treppenläufe und den statischen der Galerien, die zur funktionalen und architektonischen Mitte des Bauwerks wird.
An der Rückseite erweitert sich der Abstand zwischen Alt und Neu, die Erschließungsgalerien werden zu verbindenden Brücken hinter einer verglasten Wand. Eine Freitreppe führt vom Hauptgeschoß in den abgesenkten Gartenhof. Der breite Treppenlauf wird flankiert von halbhohen Gitterwänden, die dem Element im dreiseitig durch Gebäudeteile definierten Außenraum die nötige Kraft verleihen, sodass es nicht bloß funktionell dienlich ist, sondern zugleich auch architektonisch wirksam.
Hier stehen sich der renovierte his-toristische Altbau mit lichtbedürftigen Fenstern von Klassenzimmern und die glatte Fassade des Neubaus, mit alu- miniumbeschichteten Kunststoffplatten geschützt, ein kurzes Stück weit gegenüber. Beide wahren sie ihren Charakter, sind aber zugleich anspruchslos und konkurrenzieren einander nicht, sondern sie bedeuten dasselbe - stammen jedoch aus verschiedenen Zeiten.
Das Innere ist sparsam gehalten; der Luxus manifestiert sich in Raum. Schall absorbierende Flächen sorgen dafür, dass der Nachhall gedämpft wird und man sein eigenes Wort noch verstehen kann, wenn aus allen Klassen die Schülerinnen und Schüler in die Pause strömen. In den Sommerferien, wenn alles aufgeräumt und leer ist, erscheint die Schule sehr spartanisch. Sie braucht das Leben, das von den Heranwachsenden in die Gänge, Galerien, Treppen und Hallen getragen wird. Dann kommt das architektonische Potenzial zur Geltung: das Vis-à-vis über die Halle hinweg; der Überblick auf die oder von der Treppe; die verschiedenen Raumqualitäten, etwa die Ganghalle, die als kleiner Festsaal abgetrennt oder, mit der Oberlichthalle verbunden, zur großen Aula werden kann; dann die kleine Bar für Getränke, Gebäck und Mehlspeisen, von deren Tischchen aus man wie aus einer Loge durch die hohe Glaswand auf das Spielfeld schauen kann.
Selbstverständlich ist eine Schule ein Lernort. Dafür ist die Handelsakademie auch mit großen Klassenzimmern und unzähligen Computern ausgerüstet; aber sie ist ebenso sehr gesellschaftlicher Begegnungsort, wo viele aufeinander folgende Schülergenerationen ihr Sozialverhalten außerhalb der Familie entwickeln können sollten. Und dafür müssen Architektur und Raum vorhanden sein. In Korneuburg wurde dies von Nehrer Medek & Partner überzeugend dargelegt und umgesetzt.
Das Gebäude der Handelsakademie liegt nördlich des Stadtkerns an einer Kurve des Dr.-Karl-Liebleitner-Rings am Übergang zum vorstädtisch orthogonalen Straßenraster. Auf Letzteren bezogen, war der Altbestand städtebaulich nicht besonders sensibel eingefügt. Vielmehr ist die symmetrische Fassade vom Ring weggedreht, sodass davor eine ungleiche Restfläche übrig blieb und die städtebauliche Figur eine sinnlose Störung aufwies. Überhaupt war der Altbau alles andere als ein Meisterwerk. Mit den drei flachen Risaliten gelang es nicht, die Fassade wirksam zu gliedern, und der enge, mittige Eingang war weder einladend noch besonders funktionell. An der Rückseite schloss einseitig ein kurzer Seitenflügel an und in der Mitte, der Typologie derartiger Zweckbauten folgend, das Stiegenhaus mit den Toiletten. Eine der verbreiteten Kreuzungen aus Schule und Kaserne eben.
Das aus einem Wettbewerb hervorgegangene Projekt von Nehrer Medek & Partner löst eine Reihe von städtebaulichen sowie funktionalen Defiziten des Altbaus und verleiht der Anlage deutlich mehr Charakter. Dabei wird nicht die Typologie des Altbaus fortgesetzt, etwa mit einer Verlängerung und Ergänzung durch Seitenflügel, sondern ein ebenfalls winkelförmiger Baukörper an die Rückseite des Altbestands gerückt, sodass sich dazwischen eine lichtdurchflutete Halle mit Gale-rien und Treppenläufen öffnet. Zusammen mit den ehemaligen Korridoren ergibt dies eine lang gezogene, ringförmige Erschließung mit Querverbindungen in Form breiter Stege. Damit gewinnt das neue Ganze eine funktional mehrdeutige, weiträumige Mitte.
Doch damit nicht genug. Die unattraktive zentrale Türe in den Altbau mit nachfolgendem Treppenschluf wird zum Nebeneingang erklärt und der kürzere Schenkel des Neubauteils neben dem Altbau nach vorn gezogen. Er erscheint als markanter Quader, aufgestelzt auf hohen Rundstützen, zwischen denen eine breite Treppe das angehobene Hauptgeschoß erschließt. Seitliche Rampen führen zu den Garderoben im Sockelgeschoß. Die monumentale Stirnseite und die Freitreppe signalisieren klar „Eingang“. Vor allem aber profitiert das neue Portal von dem in diesem Bereich tieferen Vorfeld. Damit wird die bisher unbefriedigende städtebauliche Lage des Altbaus geschickt relativiert und durch die unmissverständliche Geste des neuen Eingangs das Vorfeld positiv aktiviert.
Aber mit dem kompakten Konzept wird nicht nur die Straßenfront verbessert. An der Rückseite bleibt auf dem Grundstück ein großzügiger Freiraum offen für Pau-senflächen, ein Sportfeld und für eine mit Bäumen bestandene Wiese. Eine neue Turnhalle schließt entlang der Seitenstraße an den alten Seitenflügel an und schirmt den Binnenbereich von dieser Seite her ab.
An der anderen Seite verbindet ein neuer Fuß- und Radweg Ring und rückwärtige Straße, was in Korneuburg, wo auch ältere Menschen sich noch aufs Rad trauen können, geschätzt wird. Archi-tektonisch besteht der Dialog zwischen den beiden sich ergänzenden Gebäudewinkeln von Alt und Neu aus einer differenzierten Interpretation des Zwischenraums. Nach vorn bleibt bloß ein schmaler Spalt von der Breite ei- ner Armspanne. Doch ist er nicht nur als formale Distanznahme eingesetzt, wie in zahlreichen anderen Fällen, vielmehr enthält er im Grundriss den links an der Freitreppe vorbeiführenden Rampenweg zur Garderobe im Sockelgeschoß.
Im Binnenbereich, wo sich die beiden langen Schenkel der Gebäudewinkel gegenüberstehen, ist es die bereits angesprochene Oberlichthalle mit den dynamischen Elementen der Treppenläufe und den statischen der Galerien, die zur funktionalen und architektonischen Mitte des Bauwerks wird.
An der Rückseite erweitert sich der Abstand zwischen Alt und Neu, die Erschließungsgalerien werden zu verbindenden Brücken hinter einer verglasten Wand. Eine Freitreppe führt vom Hauptgeschoß in den abgesenkten Gartenhof. Der breite Treppenlauf wird flankiert von halbhohen Gitterwänden, die dem Element im dreiseitig durch Gebäudeteile definierten Außenraum die nötige Kraft verleihen, sodass es nicht bloß funktionell dienlich ist, sondern zugleich auch architektonisch wirksam.
Hier stehen sich der renovierte his-toristische Altbau mit lichtbedürftigen Fenstern von Klassenzimmern und die glatte Fassade des Neubaus, mit alu- miniumbeschichteten Kunststoffplatten geschützt, ein kurzes Stück weit gegenüber. Beide wahren sie ihren Charakter, sind aber zugleich anspruchslos und konkurrenzieren einander nicht, sondern sie bedeuten dasselbe - stammen jedoch aus verschiedenen Zeiten.
Das Innere ist sparsam gehalten; der Luxus manifestiert sich in Raum. Schall absorbierende Flächen sorgen dafür, dass der Nachhall gedämpft wird und man sein eigenes Wort noch verstehen kann, wenn aus allen Klassen die Schülerinnen und Schüler in die Pause strömen. In den Sommerferien, wenn alles aufgeräumt und leer ist, erscheint die Schule sehr spartanisch. Sie braucht das Leben, das von den Heranwachsenden in die Gänge, Galerien, Treppen und Hallen getragen wird. Dann kommt das architektonische Potenzial zur Geltung: das Vis-à-vis über die Halle hinweg; der Überblick auf die oder von der Treppe; die verschiedenen Raumqualitäten, etwa die Ganghalle, die als kleiner Festsaal abgetrennt oder, mit der Oberlichthalle verbunden, zur großen Aula werden kann; dann die kleine Bar für Getränke, Gebäck und Mehlspeisen, von deren Tischchen aus man wie aus einer Loge durch die hohe Glaswand auf das Spielfeld schauen kann.
Selbstverständlich ist eine Schule ein Lernort. Dafür ist die Handelsakademie auch mit großen Klassenzimmern und unzähligen Computern ausgerüstet; aber sie ist ebenso sehr gesellschaftlicher Begegnungsort, wo viele aufeinander folgende Schülergenerationen ihr Sozialverhalten außerhalb der Familie entwickeln können sollten. Und dafür müssen Architektur und Raum vorhanden sein. In Korneuburg wurde dies von Nehrer Medek & Partner überzeugend dargelegt und umgesetzt.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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