Artikel
Bauboom an der Themse
London rüstet sich für Olympia
26. August 2005 - Georges Waser
Einen Moment lang weckte Anfang Juli die Nachricht, dass London im Jahr 2012 die Olympischen Spiele beherbergen wird, in der Themse- Metropole ein Hochgefühl. Doch bald schon machten sich nüchterne, ja gar sarkastische Stimmen vernehmbar. Warum 5 Milliarden Pfund auslegen für ein Ereignis, das nur zwei Wochen dauern wird? Und warum sollten dafür alle Londoner bezahlen müssen - auch solche, die für Sport nichts übrig haben? Nicht überraschend versäumten diese Stimmen auch nicht den Hinweis auf den Millennium Dome von Greenwich: auf jenes über 750 Millionen Pfund teure Zelt, mit dem New Labour unter Tony Blair vor fünf Jahren der eigenen Torheit ein Denkmal gesetzt hatte. Jene, die in der Presse Zweifel anmeldeten, haben Angst vor einem weiteren «weissen Elefanten» wie es eben der Dome gewesen war. Man verweist auch auf frühere «Olympic cities» wie Athen und Montreal - auf heruntergekommene Stadien in der einen und auf seit 1976 immer noch nicht getilgte Schulden in der anderen Stadt.
Rettung für Newham
Wer überhaupt wird sich, vor oder nach den Olympischen Spielen, nach Newham begeben? Mit dem Fingerzeig auf einen der fünf Stadtbezirke von Ostlondon, die als Gastgeber der «Olympics» in einem neuen Gewand dastehen sollen, wird die soziale Kritik laut. Nicht nur leben in Newham mehr arme Kinder als irgendwo in England: Auch die Sterberate liegt 20 Prozent über dem nationalen Durchschnitt. Zudem gewahrt hier, wer einen Londoner Stadtplan zur Hand nimmt, mehr weisse Flecken als anderswo - es ist vergiftete, von Grundstückspekulanten bisher stets ignorierte Erde. Londons Abwässer fliessen hier durch, brechen hervor, vermischen sich mit Bächen und umspülen kaputte Autos. Hier wurde auch, als in den neunziger Jahren der Eurotunnel gegraben wurde, Schlamm aus dem Ärmelkanal abgelagert. Eine weitere Frage stellt sich damit von selbst: Welche urbane Öde bedarf schon so dringend der Rettung wie die Londoner Stadtgemeinde von Newham?
Zwei Vorteile des Projekts 2012 sind unübersehbar. Zum einen soll das sich für die Olympischen Spiele rüstende London 12 000 neue Arbeitsplätze gewinnen - zum andern im Osten der Stadt, wo dem Volk ein «Venedig mit sauberen Kanälen» und 9000 neuen Heimen versprochen wird, ein effizienteres Transportsystem erhalten. Wie die neue Docklands Light Railway wird auch die alte East London Line, die Ostlondon versorgende Bahnlinie, verlängert. Weiter soll ein spektakulärer Park - der grösste in Europa - angelegt und schliesslich die schon lange zur Diskussion stehende Gateway Bridge zwischen Thamesmead und Beckton gebaut werden. Wie sehr die Themse für Ostlondon bisher eine Schranke war, zeigt ein Vergleich: So führen zwischen Wapping und dem flussaufwärts gelegenen Westen der Stadt zwölf Brücken über die Themse - während das östliche London unterhalb von Wapping gegenwärtig nur durch zwei Tunnels, eine Einwegbrücke und die Fähre von Woolwich verbunden ist.
Zerlegbare Stadien
Eingedenk einiger vorwiegend der Konservativen Partei angehörender Schwarzmaler, die auf den Dome von Greenwich deuten, gehen gegenwärtig die Planer mit Umsicht vor: Stadien, Schwimmbäder und andere sportlichen Anlässen dienende Strukturen werden aus zerlegbaren Elementen entstehen, so dass sie sich nach 2012 leicht anderswohin - das heisst: in irgendeine britische Stadt, besteht dort Bedarf - verlegen lassen. Bereits sind auch Spekulanten aktiv, die Geldanlegern in dem zur olympischen Zone aufsteigenden Ostlondon dort entstehende «waterfront apartments» anbieten. Doch was für Preise sind dafür zu erwarten? Als Gradmesser dient wohl am ehesten die bis vor kurzem noch heruntergekommene Gegend von Southwark. In diesem Stadtbezirk Südostlondons, der in jüngsten Jahren mit der Tate Modern, der Millennium Bridge, dem Borough Market und der City Hall ein Facelifting erhielt, wird gegenwärtig ein neuer Square und daneben ein Wohnturm gebaut, in dem die billigsten Zweizimmerwohnungen ab 320 000 Pfund zu haben sind. Nur: Der Stadtbezirk Southwark wird von der U-Bahn bedient, und vier Brücken führen direkt in die City of London. Das zur olympischen Zone gehörende Newham hingegen liegt abseits.
Rettung für Newham
Wer überhaupt wird sich, vor oder nach den Olympischen Spielen, nach Newham begeben? Mit dem Fingerzeig auf einen der fünf Stadtbezirke von Ostlondon, die als Gastgeber der «Olympics» in einem neuen Gewand dastehen sollen, wird die soziale Kritik laut. Nicht nur leben in Newham mehr arme Kinder als irgendwo in England: Auch die Sterberate liegt 20 Prozent über dem nationalen Durchschnitt. Zudem gewahrt hier, wer einen Londoner Stadtplan zur Hand nimmt, mehr weisse Flecken als anderswo - es ist vergiftete, von Grundstückspekulanten bisher stets ignorierte Erde. Londons Abwässer fliessen hier durch, brechen hervor, vermischen sich mit Bächen und umspülen kaputte Autos. Hier wurde auch, als in den neunziger Jahren der Eurotunnel gegraben wurde, Schlamm aus dem Ärmelkanal abgelagert. Eine weitere Frage stellt sich damit von selbst: Welche urbane Öde bedarf schon so dringend der Rettung wie die Londoner Stadtgemeinde von Newham?
Zwei Vorteile des Projekts 2012 sind unübersehbar. Zum einen soll das sich für die Olympischen Spiele rüstende London 12 000 neue Arbeitsplätze gewinnen - zum andern im Osten der Stadt, wo dem Volk ein «Venedig mit sauberen Kanälen» und 9000 neuen Heimen versprochen wird, ein effizienteres Transportsystem erhalten. Wie die neue Docklands Light Railway wird auch die alte East London Line, die Ostlondon versorgende Bahnlinie, verlängert. Weiter soll ein spektakulärer Park - der grösste in Europa - angelegt und schliesslich die schon lange zur Diskussion stehende Gateway Bridge zwischen Thamesmead und Beckton gebaut werden. Wie sehr die Themse für Ostlondon bisher eine Schranke war, zeigt ein Vergleich: So führen zwischen Wapping und dem flussaufwärts gelegenen Westen der Stadt zwölf Brücken über die Themse - während das östliche London unterhalb von Wapping gegenwärtig nur durch zwei Tunnels, eine Einwegbrücke und die Fähre von Woolwich verbunden ist.
Zerlegbare Stadien
Eingedenk einiger vorwiegend der Konservativen Partei angehörender Schwarzmaler, die auf den Dome von Greenwich deuten, gehen gegenwärtig die Planer mit Umsicht vor: Stadien, Schwimmbäder und andere sportlichen Anlässen dienende Strukturen werden aus zerlegbaren Elementen entstehen, so dass sie sich nach 2012 leicht anderswohin - das heisst: in irgendeine britische Stadt, besteht dort Bedarf - verlegen lassen. Bereits sind auch Spekulanten aktiv, die Geldanlegern in dem zur olympischen Zone aufsteigenden Ostlondon dort entstehende «waterfront apartments» anbieten. Doch was für Preise sind dafür zu erwarten? Als Gradmesser dient wohl am ehesten die bis vor kurzem noch heruntergekommene Gegend von Southwark. In diesem Stadtbezirk Südostlondons, der in jüngsten Jahren mit der Tate Modern, der Millennium Bridge, dem Borough Market und der City Hall ein Facelifting erhielt, wird gegenwärtig ein neuer Square und daneben ein Wohnturm gebaut, in dem die billigsten Zweizimmerwohnungen ab 320 000 Pfund zu haben sind. Nur: Der Stadtbezirk Southwark wird von der U-Bahn bedient, und vier Brücken führen direkt in die City of London. Das zur olympischen Zone gehörende Newham hingegen liegt abseits.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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