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Südstaaten-Disneyland?
Neue Zürcher Zeitung

Urbanisten sorgen sich um New Orleans

19. September 2005 - Andrea Köhler
Während in New Orleans die Aufräumarbeiten in vollem Gang sind und die Zahl der Opfer und der Umfang der Sachschäden nur geschätzt werden können, stellt sich für Stadtplaner und Architekten die schwierige Frage nach der Zukunft der Stadt. Kann ein neues, revitalisiertes New Orleans in dieser exponierten geographischen Gefahrenzone langfristig überleben? Welche Sicherheitsvorkehrungen können getroffen werden? Wie hoch müssen die Dämme sein, um eine Stadt, die zu grossen Teilen unterhalb des Meeresspiegels liegt, gegen die Fluten zu sichern? Und die wichtigste Frage: Wer will hier noch wohnen?

Wie lange die Rückkehr der evakuierten Einwohner dauern wird, vermag im Augenblick niemand zu sagen. Drei Monate? Ein halbes oder gar ein ganzes Jahr, wie einige Urbanisten befürchten? Bis dahin könnten viele Menschen woanders eine Bleibe und Arbeit gefunden haben. Amerika ist ein mobiles Land, Umziehen ein normales Ereignis im Leben eines Durchschnittsamerikaners. Angesichts all dieser ungeklärten Fragen fallen die Szenarien, die für die überflutete Stadt entworfen werden, denn auch noch sehr vage aus. Die Schreckensvision der Urbanisten ist eine Art New-Orleans-Revival, in dem die höher gelegenen und weitgehend verschonten Touristengebiete wie das berühmte French Quarter in Sightseeing-Resorts verwandelt werden, während man die am meisten betroffenen, weniger attraktiven Stadtteile, in denen zum grössten Teil Schwarze unter der Armutsgrenze lebten, dem sicheren Verfall überlässt. Dann bliebe von der Stadt, die neben San Francisco das umfangreichste architektonische Ensemble von Wohnhäusern aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert verfügt, nur ein Zitat übrig: ein Disneyland für Südstaaten-Nostalgiker.

In jedem Fall gehen die Stadtplaner davon aus, dass New Orleans nicht mehr die geographische Ausdehnung und die Einwohnerdichte erreichen wird, die es einmal hatte. So kursiert unter Architekten das Szenario einer schrumpfenden Stadt, in der die Erhaltung und Restaurierung historischer Fassaden den Vorrang hat vor jeder anderen urbanen Vision. Ein Ort, der allein an seiner Musealisierung arbeitet, aber ist ein toter Ort. Sollte die Stadt dennoch in grossen Teilen wieder bewohnbar werden, sehen Urbanisten die akute Gefahr eines schnellen, billigen und improvisierten Wiederaufbaus. Denn wer nah am Ufer baut, muss entweder ein Bollwerk errichten oder den drohenden Verlust von vornherein möglichst gering halten. Und während derzeit noch fieberhaft daran gearbeitet wird, die Infrastruktur mit Elektrizität, Kanalisation und befahr- wie begehbaren Verkehrswegen wiederherzustellen, ist eines schon sicher: New Orleans wird nie mehr so aussehen wie vor der Flut.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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