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Der Weisheit letztes Schloss
Berlin hüllt das Herz in barocke Fassaden
6. Juli 2002 - Claudia Schwartz
Den Schlusspunkt unter einen zwölfjährigen Streit sollte der Deutsche Bundestag mit seiner Entscheidung für die teilweise Rekonstruktion des Hohenzollern-Schlosses in Berlin-Mitte setzen. Dieser Eindruck wurde von Voten wie jenem von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) unterstrichen, der erklärte, ein weiteres Hinauszögern einer ästhetischen Festlegung bedeute «eine Blamage für die Politik». Schloss, aus, Amen, schien sich denn die klare Mehrheit zu sagen: Sie plädierte am Donnerstagabend, wie kurz gemeldet, in einem Entscheid quer durch alle politischen Lager für eine teilweise Rekonstruktion der Fassaden, wie sie die Baumeister Schlüter und Eosander einst schufen. Damit folgte man einer im April ausgesprochenen Expertenempfehlung (vgl. NZZ 22. 4. 02). Auch wenn es sich dabei nur um eine vorläufige Beschlussempfehlung und nicht um den Startschuss zum definitiven Baubeginn des 770 Millionen Euro teuren Projektes handelt: Der Königsweg eines offenen Architekturwettbewerbs, der historischen neben zeitgenössischen Entwürfen eine Chance gegeben hätte, ist damit ein für alle Mal versperrt.
Das Berliner Parlament, das sich nach den Abstimmungen zu Reichstagsverhüllung und Haackes umstrittenem Erdtrog einmal mehr mit den Künsten befasste, konzentrierte sich auf geschichtspolitische Argumente. Von «historischer Selbstvergewisserung», «Kult der offenen Wunden» oder «nostalgischer Rückwendung» war denn die Rede. Kaum mehr hörte man gottlob jenes Ost-West-Ressentiment, das die Frage um die zukünftige Gestalt des Schlossplatzes nach der Wende ideologisierte, indem Palast der Republik und Schloss gegeneinander ausgespielt wurden. Zwar versuchte die PDS mit einem Änderungsantrag, eine Integration von «Erichs Lampenladen» in den Neubau festschreiben zu lassen. Allerdings war mit dem bereits zuvor bestehenden Konsens einer Ausrichtung des Neubaus nach Grundriss und Kubatur des Schlosses der Abriss des DDR-Gebäudes bereits besiegelt.
Das Berliner Schloss, man darf es nun wieder so nennen, soll das Areal in Nachbarschaft zur Museumsinsel auf der Spreeinsel wieder füllen, wo 1950 das SED-Regime den Feudalbau sprengen liess. Derzeit baut man hier in direkter Nachbarschaft die Kommandantur wieder auf, irgendwann soll auch Schinkels Bauakademie wiedererstehen. Die Künstlichkeit der historischen Anmutung in Berlins Mitte endet also noch nicht bei Adlon und Kronprinzenpalais. Etwas zurechtgebogen wirkte in diesem Zusammenhang der architekturkritische Einwand gegen das Moderne, wonach in Berlin in den vergangenen zehn Jahren so viel zeitgenössische Bauten entstanden seien wie nirgendwo sonst. Da glaubte man Frank O. Gehrys DG-Bank-Gebäude am unweit gelegenen verödeten Pariser Platz spotten zu hören. Es setzt dem historisierenden Berliner Willen zu Traufhöhe und Naturstein, der noch fast jedem zeitgenössischen Kunststück die Flügel stutzte, subtil ein Denkmal.
Man muss nicht so weit gehen wie die «Süddeutsche Zeitung», die am Freitag die symbolische Überhöhung des langjährigen Streites sogleich wieder aufnahm und im deutschen Willen zum Barock eine «nationalromantische Stimmung» erkannte. Zumindest aber lässt sich bei dem buchstäblich historischen Beschluss der Abgeordneten ein an der Berliner Tourismuswerbung geschulter Blick ablesen, der nicht müde wird, die Schönheit der Stadt im Überlieferten zu suchen und den von geschichtlichen Brüchen scheinbar verschonten Gendarmenmarkt als schönsten Platz Berlins anzupreisen. So hüllt die deutsche Hauptstadt ihr Herz in Barock, während Anhänger der hohen Baukunst unserer Zeit auch in Zukunft nach Bilbao oder Sydney pilgern.
Das Berliner Parlament, das sich nach den Abstimmungen zu Reichstagsverhüllung und Haackes umstrittenem Erdtrog einmal mehr mit den Künsten befasste, konzentrierte sich auf geschichtspolitische Argumente. Von «historischer Selbstvergewisserung», «Kult der offenen Wunden» oder «nostalgischer Rückwendung» war denn die Rede. Kaum mehr hörte man gottlob jenes Ost-West-Ressentiment, das die Frage um die zukünftige Gestalt des Schlossplatzes nach der Wende ideologisierte, indem Palast der Republik und Schloss gegeneinander ausgespielt wurden. Zwar versuchte die PDS mit einem Änderungsantrag, eine Integration von «Erichs Lampenladen» in den Neubau festschreiben zu lassen. Allerdings war mit dem bereits zuvor bestehenden Konsens einer Ausrichtung des Neubaus nach Grundriss und Kubatur des Schlosses der Abriss des DDR-Gebäudes bereits besiegelt.
Das Berliner Schloss, man darf es nun wieder so nennen, soll das Areal in Nachbarschaft zur Museumsinsel auf der Spreeinsel wieder füllen, wo 1950 das SED-Regime den Feudalbau sprengen liess. Derzeit baut man hier in direkter Nachbarschaft die Kommandantur wieder auf, irgendwann soll auch Schinkels Bauakademie wiedererstehen. Die Künstlichkeit der historischen Anmutung in Berlins Mitte endet also noch nicht bei Adlon und Kronprinzenpalais. Etwas zurechtgebogen wirkte in diesem Zusammenhang der architekturkritische Einwand gegen das Moderne, wonach in Berlin in den vergangenen zehn Jahren so viel zeitgenössische Bauten entstanden seien wie nirgendwo sonst. Da glaubte man Frank O. Gehrys DG-Bank-Gebäude am unweit gelegenen verödeten Pariser Platz spotten zu hören. Es setzt dem historisierenden Berliner Willen zu Traufhöhe und Naturstein, der noch fast jedem zeitgenössischen Kunststück die Flügel stutzte, subtil ein Denkmal.
Man muss nicht so weit gehen wie die «Süddeutsche Zeitung», die am Freitag die symbolische Überhöhung des langjährigen Streites sogleich wieder aufnahm und im deutschen Willen zum Barock eine «nationalromantische Stimmung» erkannte. Zumindest aber lässt sich bei dem buchstäblich historischen Beschluss der Abgeordneten ein an der Berliner Tourismuswerbung geschulter Blick ablesen, der nicht müde wird, die Schönheit der Stadt im Überlieferten zu suchen und den von geschichtlichen Brüchen scheinbar verschonten Gendarmenmarkt als schönsten Platz Berlins anzupreisen. So hüllt die deutsche Hauptstadt ihr Herz in Barock, während Anhänger der hohen Baukunst unserer Zeit auch in Zukunft nach Bilbao oder Sydney pilgern.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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