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Zimmer mit Aussicht
Die Wienerberg City ist keineswegs perfekt - der dort errichtete Wohnturm von Albert Wimmer schon.
4. Februar 2004 - Jan Tabor
Albert Wimmer hat einen vortrefflichen Wohnturm errichtet. Er heißt Monte Verde und befindet sich nicht, wie der fremdartige Name nahe legen würde, am Monte Laa, sondern am Wiener Berg. Bloß durch eine enge Straße getrennt, steht der Monte Verde gleich neben jenen Twin Towers, die, 2001 von Masimilliano Fuksas vollendet, mit ihren weithin sichtbaren transparenten, grünlich schimmernden Fassaden den Maßstab für all das setzten, was in Wien unter dem Etikett Hochhaus, Turm oder Tower gebaut wird.
Um diese maßgebende Nähe war Albert Wimmer als Architekt also kaum zu beneiden. Um die Lage für das Projekt eines achtzig Meter hohen Wohnturmes mit 183 Wohnungen hingegen schon: hier, auf der hohen Südkante Wiens, wo die Landschaft in die ebenen Weiten des Wiener Beckens beziehungsweise - nach Norden - in die Häuserwellen der Stadt abfällt. Die Aussicht vom Monte Verde sei „grandios“ (Prospekt der Errichtungsgesellschaft Wien Süd), „unvergleichlich“ (der soeben erschienene Architekturführer von August Sarnitz) beziehungsweise „atemberaubend“ (News).
Absolut zutreffend. Man läßt den Blick schweifen und erblickt: die Rax und den Kahlenberg, den Stephansdom und, hinter ihm, den Screen des News-Turms am Donaukanal, das Leithagebirge und die Hügel bei Hainburg. Nur den Monte Laa (einst Laaer Berg) sieht man nicht, wo man den Monte Verde eigentlich vermutet hätte - nicht so sehr wegen der Namensähnlichkeit, sondern weil Albert Wimmer den Masterplan für die dort gelegene Developer City entworfen hat.
Für den Masterplan der Wienerberg City, wie das vor der Stadt Wien und der Wienerberger Ziegelindustrie auf ihren einstigen Betriebsgründen gemeinsam abgewickelte Projekt eines neuen Stadtteils mit rund 1200 Wohnungen genannt wird, zeichnet Masimilliano Fuksas verantwortlich. Dem Plan nach wird das seicht nach Süden abfallende Baugelände in drei Streifen bebaut. An der Kante mit den Twin Towers wurden die vier Hochhäuser von Coop Himmelb(l)au, delugan- meissl und Albert Wimmer situiert, die von den langen, parallel zum Hang gestellten Zeilenhäusern von Cuno Brullmann, atelier 4 architects und delugan-meissl durch einen breiten „Boulevard“ getrennt sind. Den Rand des Baugeländes bilden die Terrassenhäuser von Helmut Wimmer und die originelle Wohnhausanlage „Hängende Gärten“ von Günter Lautner.
Die unmittelbare Nachbarschaft der unübertrefflichen Twin Towers macht sich bemerkbar. Die typologische Vielfalt der Wohnhausanlagen und die Auswahl der Architekten (die über einen Bauträgerwettbewerb, bei dem sich Baugesellschaften mit den von ihnen ausgewählten Architekten beteiligten) sind genauso anerkennenswert wie die beachtliche Qualität des Wohnens und die angestrebte Qualität der Architektur selbst, die allerdings oft in den Anstrengungen stecken bleibt. Die Wienerberg-City hat viele Merkmale einer musterhaften Wohnstadt.
Obwohl der Städtebau hier unvergleichlich besser ist als etwa die atemberaubend dumme Hochhausbebauung an der Wagramer Straße, kann der Masterplan von Fuksas nicht als Beispiel für grandiose stadtgestalterische Intelligenz gelten. Die Situierung der Baukörper ist topografisch derart plump, dass ein wesentlicher Teil der Wohnungen von den in der Tat grandiosen Aussichtsmöglichkeiten hier ausgeschlossen werden. Dass die Zeilenhäuser nicht so zum Hang orientiert sind, dass sich die Zahl der Wohnungen ohne Fernblick auf ein Minimum reduziert, ist unbegreiflich. An der Donauuferbebauung in Wien-Kaisermühlen hat Harry Seidler exemplarisch vorgeführt, wie einfach das ist und wie gut es funktionieren kann. Der Treppenwitz der Baugeschichte am Wienerberg ist, dass Albert Wimmer in seinem Wettbewerbsentwurf eine ähnlich brauchbare Lösung vorgeschlagen hat, die aber abgelehnt wurde, weil man am Wienerberg keine Hochhäuser errichten wollte. Das war noch in der Zeit vor Fuksas, der dann - Gott sei Dank! - seine Twin Towers aufstellen durfte, die sich dann als unübertrefflich erweisen sollten. Sie sind 127 beziehungsweise 138 Meter hoch.
Mit seinen achtzig Meter ist der vortreffliche Wohnturm von Albert Wimmer keine Konkurrenz für den noblen Nachbar. Genehmigt wurde ohnehin nur siebzig Meter plus die Ausnahme zehn Prozent. Sonst hat Albert Wimmer die Herausforderung der prominenten Nachbarschaft angenommen und ein paar richtige Entscheidungen getroffen, die mit der Architektur Fuksas' einen formalen Zusammenhang aufweisen oder dieser entgegengesetzt sind. Wimmer wählte eine ihr ähnliche längliche Viereckform, setzte an den schmalen, nach Süden beziehungsweise Norden orientierten Seiten doppelt verglaste Loggien, die eine einheitliche, dem Fuksas-Bau ähnelnde Fassade ergeben. Die Längsseiten sind weitgehend geschlossen, mit grünen Keramikplatten verkleideten (das bis dahin unbekannte Grün hat sich der Architekt unter der Schutzmarke „Monte Verde“ patentieren lassen) und mit kleinen Fenstern versehen (der Wohnturm entspricht Parametern für Niederenergiehäuser).
Um der aus der Menge der Fensterlöcher notwendigerweise entstehenden Langeweile entgegenzuwirken, wurde die einheitliche Fassade durch verglaste oder offen Schlitze (bei Fluchtstiegen) aufgelockert. Der Baukörper wurde mit großen, weit auskragenden Wohnerkern bestückt, die seitlich die gleichen verglasten Loggien wie die Süd- und Nordfassade aufweisen. Dadurch wurde die Anzahl der Wohnungen mit Fernblick wesentlich erhöht.
Das Vortreffliche am Wohnturm Monte Verde: Die Ausblicksmöglichkeiten wurden optimal genutzt, und die Zahl der Wohnungen mit optimaler Aussicht maximalisiert - dieses Optimalaussichtsmaximum wurde dann in perfekte Architektur umgesetzt.
Um diese maßgebende Nähe war Albert Wimmer als Architekt also kaum zu beneiden. Um die Lage für das Projekt eines achtzig Meter hohen Wohnturmes mit 183 Wohnungen hingegen schon: hier, auf der hohen Südkante Wiens, wo die Landschaft in die ebenen Weiten des Wiener Beckens beziehungsweise - nach Norden - in die Häuserwellen der Stadt abfällt. Die Aussicht vom Monte Verde sei „grandios“ (Prospekt der Errichtungsgesellschaft Wien Süd), „unvergleichlich“ (der soeben erschienene Architekturführer von August Sarnitz) beziehungsweise „atemberaubend“ (News).
Absolut zutreffend. Man läßt den Blick schweifen und erblickt: die Rax und den Kahlenberg, den Stephansdom und, hinter ihm, den Screen des News-Turms am Donaukanal, das Leithagebirge und die Hügel bei Hainburg. Nur den Monte Laa (einst Laaer Berg) sieht man nicht, wo man den Monte Verde eigentlich vermutet hätte - nicht so sehr wegen der Namensähnlichkeit, sondern weil Albert Wimmer den Masterplan für die dort gelegene Developer City entworfen hat.
Für den Masterplan der Wienerberg City, wie das vor der Stadt Wien und der Wienerberger Ziegelindustrie auf ihren einstigen Betriebsgründen gemeinsam abgewickelte Projekt eines neuen Stadtteils mit rund 1200 Wohnungen genannt wird, zeichnet Masimilliano Fuksas verantwortlich. Dem Plan nach wird das seicht nach Süden abfallende Baugelände in drei Streifen bebaut. An der Kante mit den Twin Towers wurden die vier Hochhäuser von Coop Himmelb(l)au, delugan- meissl und Albert Wimmer situiert, die von den langen, parallel zum Hang gestellten Zeilenhäusern von Cuno Brullmann, atelier 4 architects und delugan-meissl durch einen breiten „Boulevard“ getrennt sind. Den Rand des Baugeländes bilden die Terrassenhäuser von Helmut Wimmer und die originelle Wohnhausanlage „Hängende Gärten“ von Günter Lautner.
Die unmittelbare Nachbarschaft der unübertrefflichen Twin Towers macht sich bemerkbar. Die typologische Vielfalt der Wohnhausanlagen und die Auswahl der Architekten (die über einen Bauträgerwettbewerb, bei dem sich Baugesellschaften mit den von ihnen ausgewählten Architekten beteiligten) sind genauso anerkennenswert wie die beachtliche Qualität des Wohnens und die angestrebte Qualität der Architektur selbst, die allerdings oft in den Anstrengungen stecken bleibt. Die Wienerberg-City hat viele Merkmale einer musterhaften Wohnstadt.
Obwohl der Städtebau hier unvergleichlich besser ist als etwa die atemberaubend dumme Hochhausbebauung an der Wagramer Straße, kann der Masterplan von Fuksas nicht als Beispiel für grandiose stadtgestalterische Intelligenz gelten. Die Situierung der Baukörper ist topografisch derart plump, dass ein wesentlicher Teil der Wohnungen von den in der Tat grandiosen Aussichtsmöglichkeiten hier ausgeschlossen werden. Dass die Zeilenhäuser nicht so zum Hang orientiert sind, dass sich die Zahl der Wohnungen ohne Fernblick auf ein Minimum reduziert, ist unbegreiflich. An der Donauuferbebauung in Wien-Kaisermühlen hat Harry Seidler exemplarisch vorgeführt, wie einfach das ist und wie gut es funktionieren kann. Der Treppenwitz der Baugeschichte am Wienerberg ist, dass Albert Wimmer in seinem Wettbewerbsentwurf eine ähnlich brauchbare Lösung vorgeschlagen hat, die aber abgelehnt wurde, weil man am Wienerberg keine Hochhäuser errichten wollte. Das war noch in der Zeit vor Fuksas, der dann - Gott sei Dank! - seine Twin Towers aufstellen durfte, die sich dann als unübertrefflich erweisen sollten. Sie sind 127 beziehungsweise 138 Meter hoch.
Mit seinen achtzig Meter ist der vortreffliche Wohnturm von Albert Wimmer keine Konkurrenz für den noblen Nachbar. Genehmigt wurde ohnehin nur siebzig Meter plus die Ausnahme zehn Prozent. Sonst hat Albert Wimmer die Herausforderung der prominenten Nachbarschaft angenommen und ein paar richtige Entscheidungen getroffen, die mit der Architektur Fuksas' einen formalen Zusammenhang aufweisen oder dieser entgegengesetzt sind. Wimmer wählte eine ihr ähnliche längliche Viereckform, setzte an den schmalen, nach Süden beziehungsweise Norden orientierten Seiten doppelt verglaste Loggien, die eine einheitliche, dem Fuksas-Bau ähnelnde Fassade ergeben. Die Längsseiten sind weitgehend geschlossen, mit grünen Keramikplatten verkleideten (das bis dahin unbekannte Grün hat sich der Architekt unter der Schutzmarke „Monte Verde“ patentieren lassen) und mit kleinen Fenstern versehen (der Wohnturm entspricht Parametern für Niederenergiehäuser).
Um der aus der Menge der Fensterlöcher notwendigerweise entstehenden Langeweile entgegenzuwirken, wurde die einheitliche Fassade durch verglaste oder offen Schlitze (bei Fluchtstiegen) aufgelockert. Der Baukörper wurde mit großen, weit auskragenden Wohnerkern bestückt, die seitlich die gleichen verglasten Loggien wie die Süd- und Nordfassade aufweisen. Dadurch wurde die Anzahl der Wohnungen mit Fernblick wesentlich erhöht.
Das Vortreffliche am Wohnturm Monte Verde: Die Ausblicksmöglichkeiten wurden optimal genutzt, und die Zahl der Wohnungen mit optimaler Aussicht maximalisiert - dieses Optimalaussichtsmaximum wurde dann in perfekte Architektur umgesetzt.
Für den Beitrag verantwortlich: Falter
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