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Scheunen im Nebel
Falter

DER BAUKASTEN. Anmerkungen zur Architektur

Diesmal: von anonymen Bauten und anonymisierten Baumeistern

19. Februar 2003 - Jan Tabor
Ach, Namen - Schall und Rauch. Steinmayr und Mascher. Zeytinoglu, Abraham und Hadid. Pritzker und Hollein. Do & Co. Im Eröffnungswerbeprospekt der Albertina, die am 14. März eröffnet werden wird, lesen wir alte und lernen wir neue Architektennamen kennen. Unter dem Motto „Open for art“ erfahren wir Wissenswertes über das KunstMuseumPalais, wie die Graphische Sammlung Albertina jetzt heißt. Dass der Museumsshop von dem britischen Designer Callum Lumsden gestaltet wird, das Restaurant von Arkan Zeytinoglu, einem „Schüler von Raimund Abraham und Zaha Hadid“, und der Eingangsbereich mit „seinem spektakulären Flugdach aus Titan“ vom „großen österreichischen Architekten und Pritzker-Preisträger“ Hans Hollein.

Das war zu befürchten. Anlässlich des Wettbewerbs für die Eingangsgestaltung im Frühjahr 2001 äußerte ich im Falter Bedenken, mit dieser Aufgabe jemanden anderen als die Umbauarchitekten zu beauftragen: „Wer immer den Eingangsbereich gestaltet, der setzt sein Logo, seinen Namen vor die ganze, ungemein intensive, von außen aber nicht sichtbare Arbeit von anderen. Das aber gehört sich nicht.“

Es gehört sich nicht, aber es geschieht. Mit einer Verschlagenheit, die in der Architekturgeschichte ohne Beispiel ist. Die beiden Architekten, die mit ihrem genialen Entwurf 1993 den Architekturwettbewerb gewannen und das Gros der Umbauarbeiten zu verantworten haben, werden nun nicht einmal namentlich erwähnt. Vielleicht deshalb nicht, weil sie keine Stararchitekten sind, womöglich nicht einmal Schüler von Stararchitekten. Der Text im Prospekt ist so formuliert, dass man annehmen muss, Hollein sei auch der Umbauarchitekt.

Wir sind in Wien. Diese Perfidie hat Methode. In der PR-Lobhudelei auf Klaus Albrecht Schröder, den „Mann mit Visionen“ (profil), erfahren wir, dass Arkan Zeytinoglu, der das „weitläufige Restaurant mit Schanigarten“ entworfen hat, „Schüler der Stararchitekten Raimund Abraham und Zaha Hadid“ sei. Wer die Albertina aber tatsächlich umgebaut hat, bleibt ungesagt. Schröder ist es nicht. Er und seine Stars haben die Schlussverschönerungen vorgenommen. Für die architektonische Substanz waren Erich G. Steinmayr und Friedrich H. Mascher zuständig.

Vom „AAA“, einer Abteilung des Architekturzentrums Wien (Az W), wurde ebenfalls unter dem Titel „AAA“ die Kunstpostkartenedition „Archicard Edition 01“ herausgegeben. Das erste „AAA“ bedeutet „Architektur Archiv Austria“, das andere steht für „Anonyme Architektur Austria“. Die Edition Nummer eins enthält 16 Aufnahmen von je einem meist professionellen Architekturfotografen. AAA also: von Mischa Erben die eingerüstete Peterskirche in Wien, von Rupert Steiner Scheunen im Herbstnebel, von Margherita Spiluttini Getreidelagerhäuser in der Morgenröte, von Pez Hejduk Veitschi überwuchertes Bauwerk, von Gerold Tagwerker und A.R. Neubau eine beinahe surreale Aufnahme eines Schulspeisesaals aus den Fünfzigerjahren. Et cetera.

Was ist anonym?, lautete eine der Fragen, die man sich in einer Diskussion anlässlich der Veröffentlichung gestellt hat. Hauptsächlich stritt man über die Bedeutung der Architekturfotografie für die Rezeption der Architektur. Diese sei enorm und nicht unbedingt positiv, weil das, was auf den Fotos abgebildet ist, keine Architektur sei. Das Betrachten der Abbilder von Bauwerken in Zeitschriften habe längst die Auseinandersetzung mit den tatsächlich gebauten Bauwerken ersetzt.

„Ist das Gebäude wirklich fertig? Sind Müllcontainer, Baufahrzeuge, Zäune, Schutt etc. entfernt? Sind Bautafeln und Zu-vermieten-/Zu-verkaufen'-Schilder entfernt? Ist das Objekt (vor allem die Fenster!) gereinigt? Ist der Rasen grün und die übrige Bepflanzung in Ordnung? Stehen Blumen bei Bedarf zur Verfügung?“ Georg Schöllhammer, der die Diskussion moderierte, las eröffnend und anonym die Checkliste für Architekten vor, die ein Architekturauftragsfotograf auf seiner Website veröffentlicht hat. Man kann sich also vorstellen, welche Hürden überwunden werden müssen, um zeitschriftentaugliche Fotos liefern zu können. Ohne diese Fotos in den Hochglanzzeitschriften blühe dem Architekten ein Dasein am Rande der Anonymität.

An der oben erwähnten AAA-Diskussion nahm übrigens auch Gerold Tagwerker teil. Auch er fotografiert Architektur, aber völlig anders als professionelle Architekturfotografen. Er ist bildender Künstler. Er muss sich nicht darum sorgen, ob die Fenster gewaschen sind. Ihn bewegt das Erstarrte in architektonischen Strukturen, nicht die Architektur als solche. Unter dem Titel „Urban studies - Chicago“ sind jetzt seine fotografischen Strukturerkundungen erschienen: Hochhausfassaden ohne Adressen, ohne Baujahr, ohne Namen, kommentarlos. Strukturen von Formen, nicht Formen per se. Anonymitäten per Anhäufungen. Die Fotos sind derart präzise, so gnadenlos wirklich, dass sie kaum die Chance haben, in einer wichtigen Architekturfachzeitschrift veröffentlicht zu werden. Das kann man von den AAA-Cards nicht behaupten. Mindestens die Hälfte davon sind Kitsch der A-Klasse.

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