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Der Perron-Pionier
Falter

Seit vier Jahrzehnten plant der Architekt Kurt Schlauss Häuser, Brücken und U-Bahn-Stationen. Jetzt soll Schlauss, Ende der sechziger Jahre bereits Planer der Station Karlsplatz, auch die „Museumsquartier-Station“ der U2 umbauen. Bürgermeister Michael Häupl paßt das gar nicht.

28. April 1999 - Gerald John
Der orange Teppich ist abgetreten. Das braune Sofa „out of fashion“. Und der dunkelgrüne Ohrensessel leistet seinem Besitzer auch schon längere Zeit gute Dienste. Kein Zweifel: Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Kurt Schlauss werkt nicht erst seit gestern in seinem Atelier über den Dächern der Wieden. Die riesigen Pläne in seinem Büro erklärt der 75jährige Architekt aber noch genauso enthusiastisch wie vor 40 Jahren, als seine Karriere begann.

Derzeit tüftelt Schlauss an einem sensiblen Projekt. Der Planungsveteran wurde von den Wiener Verkehrsbetrieben beauftragt, die Linie U2 für den Betrieb von längeren Zügen zu adaptieren. Dazu gehört auch die Station Babenbergerstraße, die nicht nur ein würdiges Entree zum Museumsquartier, sondern auch eine taugliche Verbindung zum kunsthistorischen Museum abgeben soll. Der wettbewerbslose Auftrag ging nicht zufällig an Schlauss. In der Wiener Stadtplanung gibt es so etwas wie „Gewohnheitsrecht“: Schlauss hatte Ende der sechziger Jahre Wiens erste U-Bahn-Station geplant, den Karlsplatz. Seither mischte der Architekt immer wieder bei Neugestaltungen der U2 und verschiedener U6-Stationen sowie bei der U3-Station Volkstheater mit. Und da von einem Gesamtkonzept für das Umfeld des Museumsquartiers zwar viele sprechen, sich aber niemand darum kümmert, werkt der Perron-Pionier im Auftrag der Wiener Linien nun auch bei der U2-Station Babenbergerstraße munter drauflos.

Für manche, denen das Museumsquartier am Herzen liegt, klingt das wie eine Drohung. „Es ist ein Unglück, wenn der alte Kämpfer das übernimmt“, sagt Dietmar Steiner vom Architekturzentrum Wien: „Der ist ein Überbleibsel der dunklen Siebziger-Jahre-Periode.“ Selbst ein Magistratsmitarbeiter nimmt sich zum Thema Schlauss kein Blatt vor den Mund: „Seine U-Bahn-Stationen wie etwa der Karlsplatz haben starke funktionelle Defizite“, kritisiert Peter Wünschmann, U-Bahn-Planer im Rathaus: „Er hat unsere Entwürfe in der Detailplanung oft verschlechtert.“

Nicht jeder hat von Schlauss' Arbeiten eine derart schlechte Meinung wie Steiner und Wünschmann. Der Architekturkritiker Jan Tabor schätzt etwa die Hängebrücke bei Hainburg und das Gartenbau-Gebäude am Ring als „sehr gute Arbeiten“. Selbst die U-Bahn-Station Karlsplatz findet Tabor „nicht so schlecht“. Über die Qualität der Untergrundarbeiten ihres Dauerauftragnehmers sind sich auch die ehemals Verantwortlichen der Stadt nicht einig. „Schlauss hat seine Arbeit immer gut gemacht. Die Kritik an ihm resultiert aus Eifersucht“, meint Ex-Bürgermeister Helmut Zilk. Hannes Swoboda, ehemaliger Planungsstadtrat mit Faible für ambitionierte Architektur, sieht das anders: „Ich habe immer auf hohe gestalterische Qualität Wert gelegt. Schlauss' Arbeiten sind da nicht überzeugend.“

Geschmäcker gehen in der Architektur auseinander. Bleibt die Frage: Ist ein Mann, der seine gestalterische Hochblüte in den Sechzigern und Siebzigern erlebt hat, der richtige, um das Entree zu einem für Wien zukunftsweisenden Bau zu gestalten? Nein, glaubt Bürgermeister Michael Häupl. Im Falter-Interview (siehe Seite 8) qualifiziert Häupl die Existenz des Verkehrsbetriebe-Auftrags an Schlauss schlicht und einfach als „Unsinn“ ab. Der Stadtchef will in der ersten Maiwoche ein Machtwort sprechen. „Ich wünsche mir eine zusammenhängende Gestaltung des gesamten Museumsquartiers“, so Häupl: „Dazu gehört auch die U-Bahn-Station, die des Museumsquartiers würdig sein muß.“

Bei den Verkehrsbetrieben - Financier des Umbaus - weiß man von derart ehrgeizigen Plänen allerdings noch nichts. Großen Aufwand wollen die Oberbefehlshaber über die Öffis bei der Babenbergerstation nicht treiben: „Die Station wird nicht neu gestaltet, sondern nur ergänzt“, sagt Günther Steinbauer, Leiter der Abteilung U-Bahn: „Hauptsache, die Station ist funktionsfähig. Wir geben das Geld lieber für die Verlängerungen der U-Bahn-Linien aus.“

Kurt Schlauss ist fest davon überzeugt, daß er sein Werk am unteren Ende der Mariahilfer Straße zu Ende bringen darf. Die Bedeutung der U2-Station als zentraler Knotenpunkt zwischen den Museen hat auch er erkannt. Der Architekt will deshalb nicht nur Aufzüge einbauen und die Zugänge geringfügig verändern, sondern in der Passage auch eine Touristeninformationsstelle unterbringen (Bürgermeister Häupl spricht hingegen von einem eigenen Info-Gebäude). „Das geht auch mit geringen Mitteln“, meint Schlauss.

Gerne würde der Architekt etwas aufwendiger planen. So wünscht er sich für die Bahnsteige eine Corporate Identity, damit U-Bahn-Benützer sofort bemerken, daß sie sich in der Museumsquartier-Station befinden. Zudem ist er zuversichtlich, Decken- und Wandverkleidung austauschen zu dürfen, obwohl die Posten im Kostenplan des Financiers nicht aufscheinen. Erfahrung im Umgang mit den Verkehrsbetrieben kann Kurt Schlauss ja niemand absprechen. Warum er als Architekt bei den Wiener Linien so geschätzt werde? „Als ich begonnen habe, waren die heutigen Direktoren noch junge Werkmeister“, sagt der 75jährige: „Denen bin ich offenbar schon damals positiv aufgefallen.“

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Für den Beitrag verantwortlich: Falter

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