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„Nine-to-five gehört überholt“
Neue Konzepte für den Arbeitsplatz Büro gibt es zur Genüge. Wie es um die Realisierung der neuen Arbeitswelten steht, fragte RONDO den Architekten Dustin A. Tusnovics
28. Oktober 2005 - Michael Hausenblas
der Standard: Mobiles Büro, Desksharing, Thinktanks, Recreationzones usw. - seit Jahren füttern uns Architekten und Büromöbelhersteller mit derlei zukunftsträchtigen Begriffen in Sachen Arbeitswelt. Was von alldem wird eigentlich realisiert? Und wo?
Dustin A. Tusnovics: Alles existiert heute, es wird nur nicht immer alles konsequent umgesetzt bzw. genutzt. Die Tendenz, Flächen intelligent zu nutzen, betrifft fast jeden. Aber es geht nicht nur um effizienteren Nutzen, sondern um Konzepte, Ideen und Möglichkeiten. Da bewegt sich schon einiges. Ich war vor Kurzem in London, und dort ist es wirklich so, dass ich als Unternehmer bei einer sehr geringen Arbeitslosenrate schauen muss, meine Mitarbeiter zu halten. Gutes Gehalt ist eine Sache, für ein gutes Unternehmen zu arbeiten, auch. Damit mir ein guter Mitarbeiter auf einem lebhaften Arbeitsmarkt bleibt, muss ich ihm mehr bieten. Dazu gehört auch die Umgebung, das so genannte Arbeitsumfeld. Die großen Büros in England haben alle ihre Thinktanks, dort übrigens „60 minute office“ genannt. Auch viele andere neue Ideen werden dort gelebt.
Abgesehen vom Arbeitsmarkt, wie schaut die Entwicklung bei uns aus?
Tusnovics: Das große Problem ist, dass heute alle sparen wollen, und das an der falschen Stelle. Es gibt ja eine alte Rechung, die folgendermaßen lautet: Wenn ich ein Haus baue, kostet das ein Prozent von xy, die Betriebskosten machen zehn Prozent aus, und die Mitarbeiter kosten dann hundertmal so viel wie die eigentliche Investition. Wenn ich sage, ich steigere die Produktivität der Mitarbeiter um zwei, drei Prozent, dann habe ich die Investitionskosten schon wieder herinnen. Nun wird aber versucht, selbst bei diesem einen Prozent zu sparen.
Das heißt, die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist verantwortlich dafür, dass all die prophezeiten Veränderungen für die Bürowelten nur spärlich umgesetzt werden.
Tusnovics: Ich glaube schon. Und doch, die Bereitschaft ist da, das Nachdenken findet statt. Es haben sich in den vergangenen Jahren ja auch viele Büroconsulter etablieren können.
Und wie geht's weiter?
Tusnovics: Man muss ein wenig unterscheiden. Früher haben wir geglaubt, dass jeder dieses oder jenes Büro haben will. Das heißt: Non-Territorial oder Kombi oder Zelle. Ich rede heute nur noch von Bürolandschaften, es geht um eine Kombination aus allen Typen. Eine Bestätigung dieser Entwicklung findet man ja auch durch die Büromöbelbranche. Zum Beispiel das neue Vitra-Konzept von Werner Aisslinger. Da geht's um Lounge, Sitzen, Arbeiten, Wohnen, aber auch Touch-down und so weiter. Viele Büros gehen in diese Richtung. Vielleicht nicht so sehr in Wien, weil viele Immobilien das gar nicht mit sich machen lassen. Das ist natürlich auch noch ein Problem. In Deutschland oder England denkt man in Sachen Trakttiefe nicht mehr an acht bis zwölf Meter, sondern an 15 bis 18 Meter. Da können dann echte Bürolandschaften entstehen. Auch bei uns will jeder gern in einem Loftbüro arbeiten.
Apropos „was jeder will“. Was möchte denn der Otto Normalbüroverbraucher? Sollten Mitarbeiter nicht auf diese Entwicklungen vorbereitet werden?
Tusnovics: Darüber haben wir viel diskutiert. Natürlich empfinden es Mitarbeiter so, dass das Alte nie so gut ist wie in dem Moment, in dem es verändert werden soll. Das Übersiedeln basiert ja auf einer Entscheidung, die der Mitarbeiter in der Regel nicht beeinflussen kann. Er wird zwangsbeglückt. Bei unseren Projekten versuchen wir sehr stark, die Mitarbeiter miteinzubeziehen. Wir zeigen und erklären ihnen, was wir tun, warum zum Beispiel die Arbeitsfläche anscheinend kleiner wird, was wir mit der gewonnen Fläche Neues schaffen etc. Das kann auch bei 5000 Leuten funktionieren. Man muss halt die richtigen Ansprechpartner finden.
Ist es nicht immer noch so, dass jeder sein eigenes Reich will - mit Pinnwand, Postkarten - und nicht jeden Tag anderswo und neben jemand anderem arbeiten möchte?
Tusnovics: In Deutschland erscheinen Artikel unter dem Titel „Hoch lebe das Zellenbüro“. Dieses wird auch sehr gut angenommen. Natürlich will jeder sein eigenes Reich haben und Chef sein. Wenn aber auch der Chef kein Reich hat, sondern einen Schreibtisch wie seine Mitarbeiter und das System also mitträgt, geht das auch auf. Der Chef ist ja nicht Chef, weil er ein großes Büro hat. Das Ganze muss also auf den Verantwortungsebenen durchgesetzt werden. Die Beratung von außen ist zu wenig. Es bedarf der Akzeptanz von innen. Man muss lernen, mit den neuen Verhältnissen umzugehen. Und das funktioniert. Viele Bürokonzepte entwickeln sich heute, wie gesagt, nicht mehr auf der Basis, dieses oder jenes Model einsetzen zu wollen, sondern aus der Mischung unterschiedlicher Elemente, die komponiert werden müssen.
Schaut man sich heute in vielen Büros um, stehen die Computer völlig falsch, die Leute krabbeln unterm Schreibtisch herum, um einen USB-Stick anzustecken, oder wackeln auf Bürostühlen aus dem Jahre Schnee herum. Kann der Einzelne etwas tun, um in den Genuss dieser neuen Projekte zu kommen?
Tusnovics: Solche Dinge sind zu thematisieren. Man muss gut sitzen, auch wenn man nur drei Stunden im Büro ist. Auch die Mitarbeiter tragen Verantwortung mitzudenken und mitzufordern. Es geht diesbezüglich darum, kreative Diskussionen aufzubauen, mit Abteilungsleitern, Chefs etc. Das Thema muss weitergebracht werden.
Stichwort Motivation. Begriffe wie Burn-out, Mobbing etc. sind heute in aller Munde. Sind die neuen Bürokonzepte in der Lage, diesen Entwicklungen gegenzusteuern?
Tusnovics: Mobbing passiert in dunklen, stillen Gängen. In einem transparenten Büro, in dem Transparenz auch im Kopf funktioniert, akzeptiere ich den anderen. Alles wird gemeinschaftlicher, teamorientierter. Ich denke, auch das Burn-out kann teilweise eliminiert werden, wenn ich die Motivationskurve steigern kann.
Und wie stellt der Architekt das an?
Tusnovics: Ach, da gibt's Supermöglichkeiten. Farben, Oberflächen, taktile Qualitäten, Möbel, die nach einer Idee angeordnet werden. Diese muss man halt entwickeln.
Man liest immer wieder, dass noch nie so viel Papier verbraucht wurde wie jetzt, in Zeiten des Internets. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Tusnovics: Wir realisierten ein Büroprojekt, bei dem die Anforderungen an den Stauraum viermal höher als von uns eingeplant waren. Heute braucht dieses Büro nicht einmal den Raum, an den wir dachten. Ein digitales Archiv wurde durchgeboxt, alle offiziellen Dokumente sind im Keller in einem Archiv. Auch das kann man lernen. Wir reden ja von Zukunftswelten. Manche Unternehmen sind halt weiter, andere weniger. Meine Studenten wissen heute gerade noch, dass es so etwas wie ein Fax gibt. Sie selbst aber scannen etwas ein und schicken eine E-Mail. Da muss einfach noch ein großer Lernprozess durchwandert werden.
Ein gewagter Blick in die Designerkristallkugel. Welches Büro kommt auf die nächste Generation zu?
Tusnovics: Ein anderes. Der Weg ist bereits vorgegeben. Neue Bürowelten und Bürolandschaften sind die Zukunft, das ist klar. Wir selbst sind nicht so weit, besonders im deutschsprachigen Raum. Die neue Qualität, die neue Freiheit, zum Beispiel Handy und Laptop statt eines fixen Schreibtisches, muss noch gelernt werden. Vielleicht wird das Büro überhaupt eliminiert - arbeiten kann ich heute von überall.
Haben nicht vor allem viele Autoritäten, also die Entscheidungsträger, Probleme, ihre Mitarbeiter, wenn sie nicht permanenten Zugriff auf diese haben, hart formuliert, nicht überwachen zu können?
Tusnovics: Natürlich gibt's solche realen Probleme: Geschäftsführer, Bosse, Chefs, die eben keine Autoritäten sind und ihre Autorität halt nur auf diesem Weg bekommen. Ich denke, dass dieses Nine-to-five-Thema eines ist, das endlich überholt werden muss.
Dustin A. Tusnovics: Alles existiert heute, es wird nur nicht immer alles konsequent umgesetzt bzw. genutzt. Die Tendenz, Flächen intelligent zu nutzen, betrifft fast jeden. Aber es geht nicht nur um effizienteren Nutzen, sondern um Konzepte, Ideen und Möglichkeiten. Da bewegt sich schon einiges. Ich war vor Kurzem in London, und dort ist es wirklich so, dass ich als Unternehmer bei einer sehr geringen Arbeitslosenrate schauen muss, meine Mitarbeiter zu halten. Gutes Gehalt ist eine Sache, für ein gutes Unternehmen zu arbeiten, auch. Damit mir ein guter Mitarbeiter auf einem lebhaften Arbeitsmarkt bleibt, muss ich ihm mehr bieten. Dazu gehört auch die Umgebung, das so genannte Arbeitsumfeld. Die großen Büros in England haben alle ihre Thinktanks, dort übrigens „60 minute office“ genannt. Auch viele andere neue Ideen werden dort gelebt.
Abgesehen vom Arbeitsmarkt, wie schaut die Entwicklung bei uns aus?
Tusnovics: Das große Problem ist, dass heute alle sparen wollen, und das an der falschen Stelle. Es gibt ja eine alte Rechung, die folgendermaßen lautet: Wenn ich ein Haus baue, kostet das ein Prozent von xy, die Betriebskosten machen zehn Prozent aus, und die Mitarbeiter kosten dann hundertmal so viel wie die eigentliche Investition. Wenn ich sage, ich steigere die Produktivität der Mitarbeiter um zwei, drei Prozent, dann habe ich die Investitionskosten schon wieder herinnen. Nun wird aber versucht, selbst bei diesem einen Prozent zu sparen.
Das heißt, die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist verantwortlich dafür, dass all die prophezeiten Veränderungen für die Bürowelten nur spärlich umgesetzt werden.
Tusnovics: Ich glaube schon. Und doch, die Bereitschaft ist da, das Nachdenken findet statt. Es haben sich in den vergangenen Jahren ja auch viele Büroconsulter etablieren können.
Und wie geht's weiter?
Tusnovics: Man muss ein wenig unterscheiden. Früher haben wir geglaubt, dass jeder dieses oder jenes Büro haben will. Das heißt: Non-Territorial oder Kombi oder Zelle. Ich rede heute nur noch von Bürolandschaften, es geht um eine Kombination aus allen Typen. Eine Bestätigung dieser Entwicklung findet man ja auch durch die Büromöbelbranche. Zum Beispiel das neue Vitra-Konzept von Werner Aisslinger. Da geht's um Lounge, Sitzen, Arbeiten, Wohnen, aber auch Touch-down und so weiter. Viele Büros gehen in diese Richtung. Vielleicht nicht so sehr in Wien, weil viele Immobilien das gar nicht mit sich machen lassen. Das ist natürlich auch noch ein Problem. In Deutschland oder England denkt man in Sachen Trakttiefe nicht mehr an acht bis zwölf Meter, sondern an 15 bis 18 Meter. Da können dann echte Bürolandschaften entstehen. Auch bei uns will jeder gern in einem Loftbüro arbeiten.
Apropos „was jeder will“. Was möchte denn der Otto Normalbüroverbraucher? Sollten Mitarbeiter nicht auf diese Entwicklungen vorbereitet werden?
Tusnovics: Darüber haben wir viel diskutiert. Natürlich empfinden es Mitarbeiter so, dass das Alte nie so gut ist wie in dem Moment, in dem es verändert werden soll. Das Übersiedeln basiert ja auf einer Entscheidung, die der Mitarbeiter in der Regel nicht beeinflussen kann. Er wird zwangsbeglückt. Bei unseren Projekten versuchen wir sehr stark, die Mitarbeiter miteinzubeziehen. Wir zeigen und erklären ihnen, was wir tun, warum zum Beispiel die Arbeitsfläche anscheinend kleiner wird, was wir mit der gewonnen Fläche Neues schaffen etc. Das kann auch bei 5000 Leuten funktionieren. Man muss halt die richtigen Ansprechpartner finden.
Ist es nicht immer noch so, dass jeder sein eigenes Reich will - mit Pinnwand, Postkarten - und nicht jeden Tag anderswo und neben jemand anderem arbeiten möchte?
Tusnovics: In Deutschland erscheinen Artikel unter dem Titel „Hoch lebe das Zellenbüro“. Dieses wird auch sehr gut angenommen. Natürlich will jeder sein eigenes Reich haben und Chef sein. Wenn aber auch der Chef kein Reich hat, sondern einen Schreibtisch wie seine Mitarbeiter und das System also mitträgt, geht das auch auf. Der Chef ist ja nicht Chef, weil er ein großes Büro hat. Das Ganze muss also auf den Verantwortungsebenen durchgesetzt werden. Die Beratung von außen ist zu wenig. Es bedarf der Akzeptanz von innen. Man muss lernen, mit den neuen Verhältnissen umzugehen. Und das funktioniert. Viele Bürokonzepte entwickeln sich heute, wie gesagt, nicht mehr auf der Basis, dieses oder jenes Model einsetzen zu wollen, sondern aus der Mischung unterschiedlicher Elemente, die komponiert werden müssen.
Schaut man sich heute in vielen Büros um, stehen die Computer völlig falsch, die Leute krabbeln unterm Schreibtisch herum, um einen USB-Stick anzustecken, oder wackeln auf Bürostühlen aus dem Jahre Schnee herum. Kann der Einzelne etwas tun, um in den Genuss dieser neuen Projekte zu kommen?
Tusnovics: Solche Dinge sind zu thematisieren. Man muss gut sitzen, auch wenn man nur drei Stunden im Büro ist. Auch die Mitarbeiter tragen Verantwortung mitzudenken und mitzufordern. Es geht diesbezüglich darum, kreative Diskussionen aufzubauen, mit Abteilungsleitern, Chefs etc. Das Thema muss weitergebracht werden.
Stichwort Motivation. Begriffe wie Burn-out, Mobbing etc. sind heute in aller Munde. Sind die neuen Bürokonzepte in der Lage, diesen Entwicklungen gegenzusteuern?
Tusnovics: Mobbing passiert in dunklen, stillen Gängen. In einem transparenten Büro, in dem Transparenz auch im Kopf funktioniert, akzeptiere ich den anderen. Alles wird gemeinschaftlicher, teamorientierter. Ich denke, auch das Burn-out kann teilweise eliminiert werden, wenn ich die Motivationskurve steigern kann.
Und wie stellt der Architekt das an?
Tusnovics: Ach, da gibt's Supermöglichkeiten. Farben, Oberflächen, taktile Qualitäten, Möbel, die nach einer Idee angeordnet werden. Diese muss man halt entwickeln.
Man liest immer wieder, dass noch nie so viel Papier verbraucht wurde wie jetzt, in Zeiten des Internets. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Tusnovics: Wir realisierten ein Büroprojekt, bei dem die Anforderungen an den Stauraum viermal höher als von uns eingeplant waren. Heute braucht dieses Büro nicht einmal den Raum, an den wir dachten. Ein digitales Archiv wurde durchgeboxt, alle offiziellen Dokumente sind im Keller in einem Archiv. Auch das kann man lernen. Wir reden ja von Zukunftswelten. Manche Unternehmen sind halt weiter, andere weniger. Meine Studenten wissen heute gerade noch, dass es so etwas wie ein Fax gibt. Sie selbst aber scannen etwas ein und schicken eine E-Mail. Da muss einfach noch ein großer Lernprozess durchwandert werden.
Ein gewagter Blick in die Designerkristallkugel. Welches Büro kommt auf die nächste Generation zu?
Tusnovics: Ein anderes. Der Weg ist bereits vorgegeben. Neue Bürowelten und Bürolandschaften sind die Zukunft, das ist klar. Wir selbst sind nicht so weit, besonders im deutschsprachigen Raum. Die neue Qualität, die neue Freiheit, zum Beispiel Handy und Laptop statt eines fixen Schreibtisches, muss noch gelernt werden. Vielleicht wird das Büro überhaupt eliminiert - arbeiten kann ich heute von überall.
Haben nicht vor allem viele Autoritäten, also die Entscheidungsträger, Probleme, ihre Mitarbeiter, wenn sie nicht permanenten Zugriff auf diese haben, hart formuliert, nicht überwachen zu können?
Tusnovics: Natürlich gibt's solche realen Probleme: Geschäftsführer, Bosse, Chefs, die eben keine Autoritäten sind und ihre Autorität halt nur auf diesem Weg bekommen. Ich denke, dass dieses Nine-to-five-Thema eines ist, das endlich überholt werden muss.
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