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Skylink zieht den Bauch ein
800 Meter Fassade, extreme Anforderungen und ein beeindruckender Entwurf: der erweiterte Flughafen Wien-Schwechat. Aus Anlass der Grundsteinlegung.
21. Januar 2006 - Liesbeth Waechter-Böhm
In aller Stille ist es ja schon im Herbst losgegangen. So richtig offiziell wird es am kommenden Montag: Da findet die Grundsteinlegung zum „Skylink“ statt. Zum architektonischen Herzstück des neuen, erweiterten Wiener Flughafens, von dem es erstaunlicherweise heißt, dass er derzeit die größte Baustelle in Europa sei. Das hat bisher nur wirklich niemand so richtig realisiert.
Denn es ging in Schwechat alles so nebenbei vor sich, aus der Perspektive des gelegentlich Flugreisenden fast schon beliebig. Hier ein kleineres Bürohaus (Baumschlager Eberle P.Arc), dort ein großes (Office Park, Holzbauer & Partner), hier ein neues Parkhaus (Dieter Haide), dort ein aufgestocktes (Baumschlager Eberle P.Arc). Zugegeben, unübersehbar: das architektonisch tatsächlich bemerkenswerte Zeichen des neuen Towers (Zechner & Zechner) und in bescheidenerer Dimension auch der temporäre „Zeltbau“ Terminal 1A (Baumschlager Eberle P.Arc). Ein neues VIP- und General Aviation Center (Holzbauer & Partner). Ein paar Zweckbauten im Abseits des eigentlichen Zentrums - so genannte Handling-Gebäude für Gerätschaften, die am Boden gebraucht werden, wie Stiegen, Catering-Fahrzeuge et cetera (Baumschlager Eberle P.Arc, Andy Treusch) und ein „Kältezentrum“ (Baumschlager Eberle P.Arc). Auch ein neuer Busterminal (Baumschlager Eberle P.Arc).
So große Baustellen sind naturgemäß eine langwierige Angelegenheit. Und für die Nutzer, für den alltäglichen Gebrauch stellen sie zweifellos eine Härteprobe dar. Es ist aber einfacher und sinnfälliger, als man glaubt: Gebaut wurde, was abgerissen werden musste, um den Raum für die Flughafenerweiterung freizumachen. Der alte Tower ist gefallen, daher gibt es den neuen. Das alte VIP-Center ist gefallen, das neue wurde den heutigen Anforderungen angepasst. Zweckbauten oder etwa ein Verwaltungstrakt sind gefallen, daher die neuen Handling- beziehungsweise Infrastrukturgebäude und - die neue Bleibe für die Betriebsgesellschaft des Wiener Flughafens. Was so heterogen wirkt, dem wohnt also doch eine sinnfällige Logik inne. Und die ordnet sich der Hauptsache unter: der Terminal-Erweiterung. Nach fünf Jahren Arbeit war dieser gewaltige Bau von der Gebäudekonfiguration her ein eindrucksvoller Entwurf. Über 800 Meter Fassadenabwicklung! Im Lauf dieser - für den Flugverkehr turbulenten und sicher auch krisenhaften - Jahre hat sich noch nicht einmal viel oder gar Prinzipielles geändert. Es wurden Flächen verknappt, der Komplex „hat den Bauch eingezogen“ (Zitat Architekten). Die „Empfangs- und Verteilungssichel“ ist von einem Viertel- zum Achtelkreis geschrumpft, der Pier wurde von der Rollgasse 80 zur Rollgasse 70 verschoben. Rollgassen sind die „Straßen“, über die die Flugzeuge kommen und dann irgendwo andocken.
Der interessanteste Aspekt an dem Erneuerungsprozesses ist aber sicher die architektonische Umsetzung der weiß Gott nicht einfachen Anforderungen an den heutigen Flugverkehr. Hinzu kommt, speziell in Wien, auch die formale Frage. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind in den Fünfzigerjahren mit meinem Vater Flughafen schauen gegangen bin. Das war ein Erlebnis. Nach den Eingriffen von Fehringer & Co hat Wien-Schwechat allerdings die Ästhetik von Ostblock-Flughäfen bekommen (ohne diese Länder verunglimpfen zu wollen). Das war ein Schock.
Nun weiß man, dass das jetzige Team - Itten + Brechbühl und Baumschlager & Eberle - in jeder Hinsicht qualifizierter ist. Ein aufmerksames Auge sollte man aber doch auf das Werden dieses für Wien, für ganz Österreich so ungemein wichtigen Bauwerks werfen.
Tatsächlich gilt es, unendlich komplexe Funktionen planerisch in den Griff zu bekommen. Der „Skylink“ empfängt nicht nur die Passagiere, er fertigt sie ab, er verteilt sie. Hier gibt es die erste wesentliche Änderung im Vergleich zu anderen Flughäfen. Die Sicherheitskontrollen, die so unerhört an Bedeutung gewonnen haben, werden im neuen Terminal nicht mehr an den Gates, sondern zentral abgewickelt. Möglicherweise eine Erleichterung, die ihre Fortsetzung in der dreigeschoßigen Ausbildung der Piers finden soll. Das ist weltweit ein Novum, bietet aber deutliche Vorteile: So können Schengen- und Nicht-Schengen-Passagiere entflochten werden, die Passagierströme nach Sicherheits-, Pass-, Visum- und Gepäckkontrollen besser entflochten und sozusagen auf Parallelebenen geleitet werden. Ein bisschen makaber ist es schon: Menschenströme werden eingeteilt, klassifiziert, entflochten und dann dem Weiterflug zugeführt. Klingt irgendwie nach Kaninchenstall. Andererseits hat sich die AUA vorgenommen, den Passagieren eine Umsteigefrist von 25 Minuten zu garantieren. Das ist sehr wenig.
Die Gretchenfrage: Wie wird das neue Flughafengebäude aussehen? Die Fliesen pervertierten Jugendstildekorationen, die wollen wir sicher nicht. Und von den Architekten ist derartiges auch nicht zu erwarten. Aber was schlagen sie vor? Eine Fassadenlösung, zweischalig, eigentlich wie beim Bürohaus neben dem Tower, nur ungleich aufwendiger und komplexer.
Es ist also eine Glasfassade. Aber es wird keine der Allerwelts-Glasfassaden sein, die heute jeder Kommerzarchitekt macht. Die Fassade ist zweischalig, mit einer Tiefe von 1,50 Metern, und hat außen schuppenartig vorgestellte Gläser - mit dunkler Sonnenbrille und sehr komplexen Beschichtungen -, sodass das Gebäude fast schwarz wirken wird.
Ein Problem, das man von anderen Bauvorhaben überhaupt nicht kennt, betrifft die Radar-Situation. Man muss architektonisch darauf reagieren, man darf einem Gebäude nicht einfach nur glatte Oberflächen verpassen. Die Architekten haben daher ein eigenes Muster unterschiedlich positionierter Außenlamellen entwickelt, ein unregelmäßiges „chaotisches“ Muster, das aber doch einen gewissen Rapport aufweist: Es wiederholt sich alle 45 Meter. Auf diese Länge erkennt jedoch kein Mensch, dass das Muster auf einem wiederholten Raster basiert.
Die Möblierung: Im Vielflieger-Check-in der AUA und im „Zelt“ für die Billigflieger kann man schon Prototypen des Möbelinventars in Augenschein nehmen. Es stammt von Gregor Eichinger. Und ein guter Wiener Barbenutzer, wurde mir von einem Schweizer Architekten versichert, weiß die Lümmel-Borde an den hölzernen Einchek-Schaltern zu schätzen.
In Wien wurden unendlich viele architektonische Chancen verpasst. Über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Vor allem städtebaulich geht so viel schief. Auch das überzeugendste städtebauliche Konzept - für die Flughafen-Stadt kann man das wirklich gelten lassen - wird unheimlich abgewertet, wenn sich die gebaute Architektur breit macht und die Verantwortung eigentlich nur in die Verantwortung von Wettbewerben fällt.
Wie hat Hermann Czech vor vielen Jahren gesagt: Die Verbesserung besteht in der Einführung von Wettbewerben, nicht in ihren Ergebnissen.
Denn es ging in Schwechat alles so nebenbei vor sich, aus der Perspektive des gelegentlich Flugreisenden fast schon beliebig. Hier ein kleineres Bürohaus (Baumschlager Eberle P.Arc), dort ein großes (Office Park, Holzbauer & Partner), hier ein neues Parkhaus (Dieter Haide), dort ein aufgestocktes (Baumschlager Eberle P.Arc). Zugegeben, unübersehbar: das architektonisch tatsächlich bemerkenswerte Zeichen des neuen Towers (Zechner & Zechner) und in bescheidenerer Dimension auch der temporäre „Zeltbau“ Terminal 1A (Baumschlager Eberle P.Arc). Ein neues VIP- und General Aviation Center (Holzbauer & Partner). Ein paar Zweckbauten im Abseits des eigentlichen Zentrums - so genannte Handling-Gebäude für Gerätschaften, die am Boden gebraucht werden, wie Stiegen, Catering-Fahrzeuge et cetera (Baumschlager Eberle P.Arc, Andy Treusch) und ein „Kältezentrum“ (Baumschlager Eberle P.Arc). Auch ein neuer Busterminal (Baumschlager Eberle P.Arc).
So große Baustellen sind naturgemäß eine langwierige Angelegenheit. Und für die Nutzer, für den alltäglichen Gebrauch stellen sie zweifellos eine Härteprobe dar. Es ist aber einfacher und sinnfälliger, als man glaubt: Gebaut wurde, was abgerissen werden musste, um den Raum für die Flughafenerweiterung freizumachen. Der alte Tower ist gefallen, daher gibt es den neuen. Das alte VIP-Center ist gefallen, das neue wurde den heutigen Anforderungen angepasst. Zweckbauten oder etwa ein Verwaltungstrakt sind gefallen, daher die neuen Handling- beziehungsweise Infrastrukturgebäude und - die neue Bleibe für die Betriebsgesellschaft des Wiener Flughafens. Was so heterogen wirkt, dem wohnt also doch eine sinnfällige Logik inne. Und die ordnet sich der Hauptsache unter: der Terminal-Erweiterung. Nach fünf Jahren Arbeit war dieser gewaltige Bau von der Gebäudekonfiguration her ein eindrucksvoller Entwurf. Über 800 Meter Fassadenabwicklung! Im Lauf dieser - für den Flugverkehr turbulenten und sicher auch krisenhaften - Jahre hat sich noch nicht einmal viel oder gar Prinzipielles geändert. Es wurden Flächen verknappt, der Komplex „hat den Bauch eingezogen“ (Zitat Architekten). Die „Empfangs- und Verteilungssichel“ ist von einem Viertel- zum Achtelkreis geschrumpft, der Pier wurde von der Rollgasse 80 zur Rollgasse 70 verschoben. Rollgassen sind die „Straßen“, über die die Flugzeuge kommen und dann irgendwo andocken.
Der interessanteste Aspekt an dem Erneuerungsprozesses ist aber sicher die architektonische Umsetzung der weiß Gott nicht einfachen Anforderungen an den heutigen Flugverkehr. Hinzu kommt, speziell in Wien, auch die formale Frage. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind in den Fünfzigerjahren mit meinem Vater Flughafen schauen gegangen bin. Das war ein Erlebnis. Nach den Eingriffen von Fehringer & Co hat Wien-Schwechat allerdings die Ästhetik von Ostblock-Flughäfen bekommen (ohne diese Länder verunglimpfen zu wollen). Das war ein Schock.
Nun weiß man, dass das jetzige Team - Itten + Brechbühl und Baumschlager & Eberle - in jeder Hinsicht qualifizierter ist. Ein aufmerksames Auge sollte man aber doch auf das Werden dieses für Wien, für ganz Österreich so ungemein wichtigen Bauwerks werfen.
Tatsächlich gilt es, unendlich komplexe Funktionen planerisch in den Griff zu bekommen. Der „Skylink“ empfängt nicht nur die Passagiere, er fertigt sie ab, er verteilt sie. Hier gibt es die erste wesentliche Änderung im Vergleich zu anderen Flughäfen. Die Sicherheitskontrollen, die so unerhört an Bedeutung gewonnen haben, werden im neuen Terminal nicht mehr an den Gates, sondern zentral abgewickelt. Möglicherweise eine Erleichterung, die ihre Fortsetzung in der dreigeschoßigen Ausbildung der Piers finden soll. Das ist weltweit ein Novum, bietet aber deutliche Vorteile: So können Schengen- und Nicht-Schengen-Passagiere entflochten werden, die Passagierströme nach Sicherheits-, Pass-, Visum- und Gepäckkontrollen besser entflochten und sozusagen auf Parallelebenen geleitet werden. Ein bisschen makaber ist es schon: Menschenströme werden eingeteilt, klassifiziert, entflochten und dann dem Weiterflug zugeführt. Klingt irgendwie nach Kaninchenstall. Andererseits hat sich die AUA vorgenommen, den Passagieren eine Umsteigefrist von 25 Minuten zu garantieren. Das ist sehr wenig.
Die Gretchenfrage: Wie wird das neue Flughafengebäude aussehen? Die Fliesen pervertierten Jugendstildekorationen, die wollen wir sicher nicht. Und von den Architekten ist derartiges auch nicht zu erwarten. Aber was schlagen sie vor? Eine Fassadenlösung, zweischalig, eigentlich wie beim Bürohaus neben dem Tower, nur ungleich aufwendiger und komplexer.
Es ist also eine Glasfassade. Aber es wird keine der Allerwelts-Glasfassaden sein, die heute jeder Kommerzarchitekt macht. Die Fassade ist zweischalig, mit einer Tiefe von 1,50 Metern, und hat außen schuppenartig vorgestellte Gläser - mit dunkler Sonnenbrille und sehr komplexen Beschichtungen -, sodass das Gebäude fast schwarz wirken wird.
Ein Problem, das man von anderen Bauvorhaben überhaupt nicht kennt, betrifft die Radar-Situation. Man muss architektonisch darauf reagieren, man darf einem Gebäude nicht einfach nur glatte Oberflächen verpassen. Die Architekten haben daher ein eigenes Muster unterschiedlich positionierter Außenlamellen entwickelt, ein unregelmäßiges „chaotisches“ Muster, das aber doch einen gewissen Rapport aufweist: Es wiederholt sich alle 45 Meter. Auf diese Länge erkennt jedoch kein Mensch, dass das Muster auf einem wiederholten Raster basiert.
Die Möblierung: Im Vielflieger-Check-in der AUA und im „Zelt“ für die Billigflieger kann man schon Prototypen des Möbelinventars in Augenschein nehmen. Es stammt von Gregor Eichinger. Und ein guter Wiener Barbenutzer, wurde mir von einem Schweizer Architekten versichert, weiß die Lümmel-Borde an den hölzernen Einchek-Schaltern zu schätzen.
In Wien wurden unendlich viele architektonische Chancen verpasst. Über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Vor allem städtebaulich geht so viel schief. Auch das überzeugendste städtebauliche Konzept - für die Flughafen-Stadt kann man das wirklich gelten lassen - wird unheimlich abgewertet, wenn sich die gebaute Architektur breit macht und die Verantwortung eigentlich nur in die Verantwortung von Wettbewerben fällt.
Wie hat Hermann Czech vor vielen Jahren gesagt: Die Verbesserung besteht in der Einführung von Wettbewerben, nicht in ihren Ergebnissen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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