Artikel

Suche nach globaler Architektur
Der Standard

Und ein Eklat durch den Tiroler Amerikaner Abraham in Alpbach

19. August 2002 - Gerfried Sperl
Gibt es globale Architektur? Ansatzweise schon immer. Früher in Form der Kathedrale, hineingepflanzt in mehrere Kulturkreise. Heute als Einzelobjekt von Stararchitekten, deren Hotels, deren Museen in einer jeweils unverkennbaren Handschrift auftauchen.

Die Soziologin Martina Löw von der TU Darmstadt machte in einem brillanten Vortrag beim Alpbacher Architekturgespräch jedoch darauf aufmerksam, dass diese Gebäude in verschiedenen lokalen und kulturellen Zusammenhängen eine andere Bedeutung erhielten. Eine Münchner Kirche wirke mitten in Hongkong plötzlich klein und unwichtig. Umgekehrt verändere sich das Intercontinental von Kinshasa in einer europäischen Stadt total. Wirklich globale Architektur gebe es, so die These Löws, nur als gedachte - weil sie diese Rolle bloß „ohne Kontext“, ohne lokale Umgebung spielen könne.

Die deutsche Architektin Julia Bolles-Wilson fügte der Diskussion zu diesem Thema einen weiteren interessanten Aspekt hinzu. Die „ästhetische Globalisierung“ führe zu einer „Nivellierung“ - so die These der meisten Kritiker. Tatsache sei das Gegenteil: Es steige die Vielfalt in der architektonischen Landschaft. Ein Kritikpunkt war aber auch ihr wichtig. Es gebe unzweifelhaft einen „Verlust des Traditionsbezugs zum jeweiligen Ort“. Was kann die Politik tun, um Qualität und Vielfalt zu steigern? Darauf Hannes Swoboda, von 1988 bis 1996 Wiener Planungsstadtrat und derzeit EU-Abgeordneter: Politiker, die immer nur den Mehrheiten folgten, seien ein Schaden für die Architektur. Wenn Politiker jedoch nur extreme Positionen verträten, wäre das ein Schaden für die Demokratie. Vor allem brauche Politik den „Mut zur Entscheidung“.

Die teils äußerst spannenden Vorträge und Diskussionen dieses vom Innsbrucker Architekten Christoph Achammer und seinem Team organisierten Architekturgesprächs hatten Samstagnachmittag auch ihren Eklat. Raimund Abraham, Planer des in New York gefeierten, in Österreich umstrittenen Kulturforums, verließ nach seinem eigenen Referat während der Rede des Chefs des deutschen Bundes der Architekten, Andreas G. Hempel, den vollen Saal und entzog sich dem Gespräch.

Nicht sehr geschickt. Hatte man doch selbst in den „Alpbach News“, der Tageszeitung des Europäischen Forums, dem Architekten Gelegenheit gegeben, sich gegen die vor allem in der Presse gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu wehren. Achammer interpretiert den Vorgang als Resultat einer „fortgesetzten Selbstbeschau“. Andererseits mag der Vorgang beispielhaft sein für emotionale Verletzlichkeit, die auch den Tiroler Bergen nicht fremd ist.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: