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Bauen mit Kompromissen
Ernst Epstein im Jüdischen Museum Wien
19. August 2002 - Stephan Templ
Der Architekt Ernst Epstein ist in Wien gründlich verdrängt worden. So verdrängt, dass die Kuratoren der Epstein-Ausstellung im Jüdischen Museum nicht einmal ein Bildnis des Architekten finden konnten. Mehr als hundert Bauten entwarf er für Wien. Viele davon führte er mit seiner eigenen Baufirma aus. Ernst Epstein (1881-1938) war für die Qualität seiner Bauwerke bekannt - nicht zufällig ernannte ihn Adolf Loos zum Bauleiter seines berühmten Hauses am Michaelerplatz. Dass dieses Projekt überhaupt gegen den Willen des Kaisers und breiter Kreise fertig gestellt werden konnte, war sicher dem Verhandlungsgeschick Epsteins zu verdanken. Sein eigenes Schaffen zeigt auch diese Kompromissbereitschaft. Der grossindustriellen Klientel baute er Villen im neobarocken Stil, während seine Arbeiterwohnhäuser einer kühlen funktionalen Sachlichkeit verpflichtet sind. Sein letzter bedeutender Bau aus dem Jahre 1933 in der Wiener Traungasse überraschte durch die raffinierte Beherrschung der grossen glatten Flächen, die mit Steinleisten à la Josef Hoffmann eingefasst sind. Der markante, zeichenhafte Bau stellt manch namhafte Ikone der Moderne in den Schatten. Es wäre sicher spannend gewesen, die Genesis einiger ausgewählter Bauten darzustellen.
Es war Epsteins Schicksal, dass er an keinem der prominenten Plätze der Stadt bauen konnte. Doch der wesentliche Grund für das Ausbleiben seines Werkes in der heutigen Rezeption hängt mit dem Anschluss des Jahres 1938 zusammen: Epstein konnte sich nicht vorstellen, aus der Stadt, mit der er so verbunden war, zu flüchten. 57-jährig nahm er sich das Leben. Seine privaten Bauherren gelangten meist in das rettende Ausland. Zurückgekehrt sind sie nicht. Einige ihrer einstigen Domizile dienen heute als Botschaften fremder Länder.
[Bis zum 29. September im Jüdischen Museum Wien. Der im Verlag Holzhausen erschienene Katalog kostet Euro 26.50.]
Es war Epsteins Schicksal, dass er an keinem der prominenten Plätze der Stadt bauen konnte. Doch der wesentliche Grund für das Ausbleiben seines Werkes in der heutigen Rezeption hängt mit dem Anschluss des Jahres 1938 zusammen: Epstein konnte sich nicht vorstellen, aus der Stadt, mit der er so verbunden war, zu flüchten. 57-jährig nahm er sich das Leben. Seine privaten Bauherren gelangten meist in das rettende Ausland. Zurückgekehrt sind sie nicht. Einige ihrer einstigen Domizile dienen heute als Botschaften fremder Länder.
[Bis zum 29. September im Jüdischen Museum Wien. Der im Verlag Holzhausen erschienene Katalog kostet Euro 26.50.]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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