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Strategien zur Verschönerung unserer Städte
18. September 2002 - Klaus Englert
Wie sieht die Zukunft unserer Städte aus? Wie lassen sich die öffentlichen Räume besser gestalten? Und vor allem: Wie kann man die urbane Lebenskultur steigern? Diese Fragen sind am Erbe der europäischen Stadt orientiert und lassen zwangsläufig an Städte mit Strassencafés und belebten Plätzen denken. Selten hat man so viel nachgedacht über Veränderungsstrategien, und selten wurden so viele Aktionen beschworen wie heute. Besonderen Nachholbedarf scheint man in Deutschland zu spüren, wo man sich seit dem letzten Jahr auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene auf die verstärkte Förderung der Baukultur besinnt. Einig ist man sich über die Verbesserung städtischer Lebensqualität, nur an überzeugenden Rezepten mangelt es noch.
Eine der Strategien, die man kürzlich auf einem urbanistischen Symposion in Düsseldorf diskutierte, nennt sich «Embellissement». Mit diesem Konzept soll eine städtische Erneuerung entsprechend der klassischen Vorstellung von Ordnung und Schönheit herbeigeführt werden. Natürlich fragt man sich, wie diese Strategie in unseren modernen Städten durchzuführen sei, ob sie sich etwa damit begnüge, die Innenstädte mit historisierenden Fassaden zu schmücken, während daneben die banalen Hüllen der Shopping-Malls, Entertainment-Center und Multiplexe hochgezogen werden. Die Gefahr besteht also, dass die Sanierung das städtische Chaos erst recht heraufbeschwört. Dagegen bieten sich zwar umfassende urbanistische Eingriffe an. Da diese heutzutage jedoch meist nur in Gestalt von «public private partnerships» durchsetzbar sind, stellt sich die fast unlösbare Aufgabe, einen Interessenausgleich zwischen Politikern, Architekten, Stadtplanern, Developern und Bürgern herzustellen. Also beschränkt man sich lieber auf leicht überschaubare innerstädtische Massnahmen oder auf die Umgestaltung gut gelegener Industriegebiete.
Peripheres Niemandsland
Zu diesen Massnahmen gehört etwa Bordeaux' Jahrhundertprojekt unter der Leitung des Landschaftsarchitekten Michel Carajoude. In den nächsten Jahren möchte er das Ufer der Garonne in eine kilometerlange Promenade umgestalten, gesäumt von abwechslungsreichen Parkanlagen. Dadurch lässt sich das beeindruckende Panorama von Bordeaux zwar verschönern, doch folgt man dabei letztlich nur der traditionellen Vorstellung eines touristisch attraktiveren Zentrums. Aber wie sehen die Peripherien von Bordeaux aus? Asphaltierte Industriebrachen, gesichtslose Fertigbaukisten, auf exotisch getrimmte Fast-Food-Lokale und überdimensionierte Werbeflächen, wohin das Auge blickt. Dieses Niemandsland ist weltweit zur traurigen Realität geworden. An den Brachflächen der städtischen Randbezirke scheitern die gut gemeinten Vorsätze eines «Embellissement». Selbst erhaltenswerte Grünflächen werden zunehmend bedroht. Der Rotterdamer Landschaftsarchitekt Adriaan Geuze kritisiert, dass die Suburbanisierungslawine in dicht besiedelten Ländern wie den Niederlanden das letzte Restgrün zu zerstören droht, während gleichzeitig jeder Ort in der sich zwischen Amsterdam, Rotterdam und Utrecht kreisförmig ausbreitenden «randstad» einen eigenen Autobahnanschluss fordert. «Jeder Bürgermeister verbindet sein Heil damit, direkt an der Ausfahrt ein Business-Center und einen McDonald's und alle zehn Jahre eine Wohnsiedlung mitten ins Grüne zu bauen.»
Was nützen punktuelle innerstädtische Verschönerungen, wenn die suburbanen Viertel verrohen? In der Regel fehlt ein notwendiges Gefühl für den Wert von Zwischenräumen, wie sie die zersiedelten Aussenquartiere darstellen. Ihnen wird keinerlei Nutzen zuerkannt, da sie aus dem dualistischen Schema von Stadt und Land herausfallen. Der in Mailand lebende Landschaftsarchitekt Andreas Kipar verweist gerne darauf, dass dieses schematische Denken selbst das Problem ist. Ihn bringen italienische Bürgermeister zur Verzweiflung, die jede freie Wiese als potenzielles Baugrundstück betrachten. Aber erst wenn die «interaktiven Landschaften» von Suburbia in ihrem Eigenwert geachtet werden, besteht die Chance, eine Vielfalt von Identitäts- und Qualitätsräumen zu schaffen. Dies bedeutet, Interpretationen offen zu lassen und nicht sogleich jede Brache in einen Themenpark umzuwandeln.
Revitalisierungen
In unserer postindustriellen Gesellschaft sind die Industriebrachen eine der urbanistischen Herausforderungen der Zukunft. Nach der Wende war es besonders in Ostdeutschland gang und gäbe, die Industriefossilien wenn irgend möglich in schicke Gewerbeparks zu transformieren. Von einer lebendigen Mischung der Nutzungen und Funktionen konnte kaum die Rede sein. Vorbildliche Beispiele im Umgang mit ausgedienten Industriearealen sind hingegen etwa Zürich West, wo Wohnen, Kultur, Sport und Vergnügen dicht gemischt sind, oder die Essener Zeche Zollverein, ein als Weltkulturerbe anerkanntes Industriegelände, für das Rem Koolhaas einen Masterplan mit Wohnungen, Ausstellungsgebäuden, Instituten, Gewerbebauten, Freizeitzentren, Geschäften und Parks entwickelte. Da der grobmaschige Masterplan nur einen zeitlichen und programmatischen Rahmen für die weitere Entwicklung des industriellen Komplexes vorgibt, bleibt genügend Raum für kleine, innovative und temporäre Projekte, die durch eine lebendige Stadtkultur den Gegensatz zwischen Industriegebiet und städtischer Kulturlandschaft aufbrechen könnten.
Auch die Revitalisierung der zu Brachflächen degenerierten Hafengebiete zielt auf städtische Anbindung. Durch die Aufwertung der einstigen Hafenanlagen zu neuen städtischen Zentren macht man eine Entwicklung rückgängig, die die Stadt in den letzten 150 Jahren vom Wasser entfernte und eine autonome Region mit Schwerindustrie und Speichergebäuden entstehen liess. Gerne wird heute die Hafenstadt um 1700 gewürdigt, als «balcons urbains» öffentliche Zonen bildeten, die städtisches Leben und Gewerbehafen verbanden. In Barcelona hat man sich in den achtziger Jahren auf dieses Erbe besonnen, als Ignasi de Solà-Morales nach dem Vorbild des alten Passeig de Colom die Hafenpromenade Moll de la Fusta anlegte. Sie erweist sich als ein vorbildlich funktionierendes urbanistisches Element, da sie auf verschiedenen Ebenen die Altstadt, den Verkehrsfluss der Ronda Litoral und das Meer zusammenrückt.
Eine der Strategien, die man kürzlich auf einem urbanistischen Symposion in Düsseldorf diskutierte, nennt sich «Embellissement». Mit diesem Konzept soll eine städtische Erneuerung entsprechend der klassischen Vorstellung von Ordnung und Schönheit herbeigeführt werden. Natürlich fragt man sich, wie diese Strategie in unseren modernen Städten durchzuführen sei, ob sie sich etwa damit begnüge, die Innenstädte mit historisierenden Fassaden zu schmücken, während daneben die banalen Hüllen der Shopping-Malls, Entertainment-Center und Multiplexe hochgezogen werden. Die Gefahr besteht also, dass die Sanierung das städtische Chaos erst recht heraufbeschwört. Dagegen bieten sich zwar umfassende urbanistische Eingriffe an. Da diese heutzutage jedoch meist nur in Gestalt von «public private partnerships» durchsetzbar sind, stellt sich die fast unlösbare Aufgabe, einen Interessenausgleich zwischen Politikern, Architekten, Stadtplanern, Developern und Bürgern herzustellen. Also beschränkt man sich lieber auf leicht überschaubare innerstädtische Massnahmen oder auf die Umgestaltung gut gelegener Industriegebiete.
Peripheres Niemandsland
Zu diesen Massnahmen gehört etwa Bordeaux' Jahrhundertprojekt unter der Leitung des Landschaftsarchitekten Michel Carajoude. In den nächsten Jahren möchte er das Ufer der Garonne in eine kilometerlange Promenade umgestalten, gesäumt von abwechslungsreichen Parkanlagen. Dadurch lässt sich das beeindruckende Panorama von Bordeaux zwar verschönern, doch folgt man dabei letztlich nur der traditionellen Vorstellung eines touristisch attraktiveren Zentrums. Aber wie sehen die Peripherien von Bordeaux aus? Asphaltierte Industriebrachen, gesichtslose Fertigbaukisten, auf exotisch getrimmte Fast-Food-Lokale und überdimensionierte Werbeflächen, wohin das Auge blickt. Dieses Niemandsland ist weltweit zur traurigen Realität geworden. An den Brachflächen der städtischen Randbezirke scheitern die gut gemeinten Vorsätze eines «Embellissement». Selbst erhaltenswerte Grünflächen werden zunehmend bedroht. Der Rotterdamer Landschaftsarchitekt Adriaan Geuze kritisiert, dass die Suburbanisierungslawine in dicht besiedelten Ländern wie den Niederlanden das letzte Restgrün zu zerstören droht, während gleichzeitig jeder Ort in der sich zwischen Amsterdam, Rotterdam und Utrecht kreisförmig ausbreitenden «randstad» einen eigenen Autobahnanschluss fordert. «Jeder Bürgermeister verbindet sein Heil damit, direkt an der Ausfahrt ein Business-Center und einen McDonald's und alle zehn Jahre eine Wohnsiedlung mitten ins Grüne zu bauen.»
Was nützen punktuelle innerstädtische Verschönerungen, wenn die suburbanen Viertel verrohen? In der Regel fehlt ein notwendiges Gefühl für den Wert von Zwischenräumen, wie sie die zersiedelten Aussenquartiere darstellen. Ihnen wird keinerlei Nutzen zuerkannt, da sie aus dem dualistischen Schema von Stadt und Land herausfallen. Der in Mailand lebende Landschaftsarchitekt Andreas Kipar verweist gerne darauf, dass dieses schematische Denken selbst das Problem ist. Ihn bringen italienische Bürgermeister zur Verzweiflung, die jede freie Wiese als potenzielles Baugrundstück betrachten. Aber erst wenn die «interaktiven Landschaften» von Suburbia in ihrem Eigenwert geachtet werden, besteht die Chance, eine Vielfalt von Identitäts- und Qualitätsräumen zu schaffen. Dies bedeutet, Interpretationen offen zu lassen und nicht sogleich jede Brache in einen Themenpark umzuwandeln.
Revitalisierungen
In unserer postindustriellen Gesellschaft sind die Industriebrachen eine der urbanistischen Herausforderungen der Zukunft. Nach der Wende war es besonders in Ostdeutschland gang und gäbe, die Industriefossilien wenn irgend möglich in schicke Gewerbeparks zu transformieren. Von einer lebendigen Mischung der Nutzungen und Funktionen konnte kaum die Rede sein. Vorbildliche Beispiele im Umgang mit ausgedienten Industriearealen sind hingegen etwa Zürich West, wo Wohnen, Kultur, Sport und Vergnügen dicht gemischt sind, oder die Essener Zeche Zollverein, ein als Weltkulturerbe anerkanntes Industriegelände, für das Rem Koolhaas einen Masterplan mit Wohnungen, Ausstellungsgebäuden, Instituten, Gewerbebauten, Freizeitzentren, Geschäften und Parks entwickelte. Da der grobmaschige Masterplan nur einen zeitlichen und programmatischen Rahmen für die weitere Entwicklung des industriellen Komplexes vorgibt, bleibt genügend Raum für kleine, innovative und temporäre Projekte, die durch eine lebendige Stadtkultur den Gegensatz zwischen Industriegebiet und städtischer Kulturlandschaft aufbrechen könnten.
Auch die Revitalisierung der zu Brachflächen degenerierten Hafengebiete zielt auf städtische Anbindung. Durch die Aufwertung der einstigen Hafenanlagen zu neuen städtischen Zentren macht man eine Entwicklung rückgängig, die die Stadt in den letzten 150 Jahren vom Wasser entfernte und eine autonome Region mit Schwerindustrie und Speichergebäuden entstehen liess. Gerne wird heute die Hafenstadt um 1700 gewürdigt, als «balcons urbains» öffentliche Zonen bildeten, die städtisches Leben und Gewerbehafen verbanden. In Barcelona hat man sich in den achtziger Jahren auf dieses Erbe besonnen, als Ignasi de Solà-Morales nach dem Vorbild des alten Passeig de Colom die Hafenpromenade Moll de la Fusta anlegte. Sie erweist sich als ein vorbildlich funktionierendes urbanistisches Element, da sie auf verschiedenen Ebenen die Altstadt, den Verkehrsfluss der Ronda Litoral und das Meer zusammenrückt.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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