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Der Architekt als Qualitätsgarant im Wohnbau
Wohnen
Rudolf Schicker, SPÖ-Stadtrat für Stadtentwicklung in Wien, diskutierte mit Johann Padutsch, Raumplanungsstadtrat von der Salzburger Bürgerliste, über Architektur im Wohnbau. Die Themenpalette reichte von fehlendem Geld für Wohnbauforschung über Experimente in der Architektur bis zur Verantwortung für architektonische Projekte. Moderiert wurde das Gespräch von Standard-Chefredakteur Gerfried Sperl.
15. Oktober 2002 - Gerfried Sperl
Standard: Heute ist öfters das Thema Forschung aufgetaucht. Es wurde mehrfach betont, dass speziell Wohnbauforschung unterdotiert und dadurch auch unterrepräsentiert ist. Ist das tatsächlich so?
Schicker: Ich befürchte, dass mit den Resten, die auf Bundesebene noch vom Forschungsbudget übrig geblieben sind, nicht mehr wirklich etwas anzufangen ist. Die in diesem Bereich arbeitenden Kollegen sind zwar sehr bemüht, vom Volumen her ist das aber nicht mehr wirklich spannend. Die Stadt Wien führt im Wohnbaubereich trotzdem einige Begleituntersuchungen durch.
So versuchen wir etwa, im Stadtentwicklungsplan 2005 über Veränderungen in der Nachfrage, die Auswirkungen auf die Gestaltung einzelner Stadtteile haben, herauszufinden, welche Vielfalt notwendig sein wird, um den verschiedensten Lebensstilen begegnen zu können. Welche begleitende soziale und technische Infrastruktur müssen wir zur Verfügung stellen? Und vor allem: Wie kann man das bei knapper Kasse der öffentlichen Hand finanzieren?
Padutsch: Ich denke, dass die Wohnbauforschung de facto nicht existiert. Bei uns in Salzburg schon gar nicht, weil wir ja im Gegensatz zu Wien an der Universität keine Studienbereiche haben, die in diese Richtung gehen.
Ein anderes Problem betrifft die Kompetenzaufteilung. Alle, die mit Wohnbau zu tun haben, wünschen sich eine Zusammenführung der Kompetenzen. Ich kann das nur zu 100 Prozent unterstreichen. Genauso, wie es absurd war, dass Straßenbau und öffentlicher Verkehr im Bund in zwei völlig unterschiedlichen Ressorts untergebracht waren, gehören die Kompetenzen auch beim Wohnbau in eine Hand. Beispielsweise sind derzeit Wohnbauforschung und -förderung Ländersache, für Architekturbegutachtung und Stadtplanung sind die Städte zuständig. In diesem Fall bräuchten wir eine Gesetzesänderung, die all diese Kompetenzen bei den Städten bündelt. Denn diese sind am konkretesten betroffen, bekommen am ehesten mit, was draußen permanent passiert.
STANDARD: Wie kann man nun zu mehr Qualität im Wohnbau kommen?
Padutsch: Das Thema Architektur wird oft auf die Fassade reduziert. Tatsächlich ist Architektur aber alles, was mit einem Bau und seiner Umgebung zu tun hat. Es geht um die Architektur in ihrer Gesamtheit. Die Frage nach mehr Qualität im Wohnbau führt unweigerlich zum Architekten. Dessen Rolle wird allerdings immer mehr amputiert. Heute ist es leider fast schon die Regel, dass der Architekt sein Projekt mit dem Einreichplan abgibt und dann ist er weg und der Generalunternehmer übernimmt. Damit geht auch die Verantwortung für das Projekt verloren, weil derjenige, der sich dafür verantwortlich fühlt, formal nicht mehr verantwortlich ist. Die Beseitigung dieser Entwicklung ist Voraussetzung dafür, dass wir zu neuer Qualität im Wohnbau kommen.
Schicker: Auch in Wien ist es so, dass Investoren Gewinnchancen realisieren wollen und dass dadurch manchmal die Gestaltung des Wohnumfeldes auf der Strecke bleibt. Natürlich versuchen auch hier die Bauträger, sich der Architekten auf „angenehme Art“ zu entledigen. Man kann aber Maßnahmen setzen, um dieser Entwicklung zu begegnen.
Beispielsweise haben wir durch die Bauträgerwettbewerbe ein paar Punkte erreicht, die dazu geführt haben, ohne Qualitätsverlust die Kosten erträglich zu halten. Und das zu einer Zeit, wo enormer Bedarf an zusätzlichem Wohnraum bestanden hat. Mittlerweile hat sich die Wohnbaukonjunktur etwas abgekühlt und wir haben in den nächsten 15 Jahren mit einem langsameren Wachstum in der Stadt zu rechnen.
Warum sollte man in dieser Situation nicht versuchen, themenorientiertes Wohnen, höhere Qualität in Bezug auf Umweltstandards und Wohnumfeld zustande zu bringen? Allerdings immer unter der Prämisse, dass die Wohnbauförderung seitens des Bundes nicht komplett wegfällt und wir uns solche Experimente noch leisten können.
Padutsch: Ich glaube, dass das Experimentierfeld in Wien deutlich größer ist und zumindest einige Bauträger in diesem Feld tätig sind und versuchen, einen neuen Markt für sich zu finden.
STANDARD: Nun fordert etwa Vorarlberg, dass das Engagement von Architekten als Qualitätsmerkmal gesehen und daher über höhere Förderungen entsprechend honoriert wird. Wäre das nicht ein Mechanismus, wie man Architektur auch in Bezug auf die angesprochenen Experimente unterstützen kann?
Schicker: Wenn man die Möglichkeit hat, Experimentierfreudigkeit zu fördern, sollte man sich das leisten. Ich glaube, das können wir. Etwa über die autofreie Stadt und frauengerechtes Wohnen vielleicht zu einer fahrradgerechten Stadt zu finden oder zu einer noch stärker mitbestimmten Wohngegend. Wir versuchen auch, in diese Themen sehr stark einzusteigen. Etwa mit den „50 Orten“. Das sollen ganz bewusst Plätze sein, die nicht im Zentrum der Stadt liegen, sondern solche, die zum Wohnumfeld gehören und wo gemischte Strukturen herrschen.
Padutsch: Auch ich halte diese Idee für recht gut. Damit würde sich nämlich die Diskussion mit den Bauträgern stark reduzieren. Derzeit gehen die Verhandlungen über die Architektenhonorare in Richtung Dumping. Das ist für die Qualität des entstehenden Hauses und letzten Endes auch für die Stadt schlecht. Möglicherweise wäre über eine solche Zusatzförderung eine wirklich durchgängige Beschäftigung des Architekten zu gewährleisten.
STANDARD: Hat man bei den Bauträgerwettbewerben auf die Architektur vergessen?
Schicker: Den Eindruck habe ich nicht. Die Wettbewerbe haben zu Beginn viel zusätzliche Qualität gebracht, sowohl architektonisch als auch in der Gestaltung der Wohnräume. Sie haben allerdings, und das ist die Kritik in Richtung Bauträger, auch dazu geführt, dass diese sehr bald gemerkt haben, wie solche Wettbewerbe funktionieren. Sobald man gelernt hat, das auszureizen, beginnt man dort zu sparen, wo man das nicht sollte. Das ist dann bei der Architektur sichtbar und spürbar.
Gerade jene, die im sozialen Wohnbau die Trägerseite vertreten, wissen sehr genau, was vermittelbar ist. Dieses Wissen hat wiederum viel damit zu tun, was nachgefragt wird. Nachdem wir in den vergangenen Jahren einen deutlichen Überhang an fertig gestellten Wohnungen im Verhältnis zur Nachfrage hatten, wurde dieses Wissen noch geschärft. Nicht jeder musste jede Wohnung nehmen, das war ein Riesenvorteil.
Noch eine Kritik an den Bauträgern: Das Problem ist, dass die Bauleistung schon wieder zurückgeschraubt wird, damit der Überhang verschwindet. Ich hoffe aber, dass wir diesen Überhang weiterhin haben, damit wir anhand der Nachfrage ablesen können, ob die Qualität beim Angebot tatsächlich gewährleistet ist.
Padutsch: Ich halte auch sehr viel von der Steuerung der Qualität über die Wohnbauförderung. Es gibt in Salzburg bei der Wohnbauförderung so genannte Zusatzpunkte, die auf ökologische Kriterien abzielen, beispielsweise auf Energieversorgung. Jemand, der sein Haus im Sinne der Nachhaltigkeit besonders energiefreundlich baut, bekommt dafür zusätzliches Geld in Form der Förderung.
STANDARD: Vielen Dank für das Gespräch.
Schicker: Ich befürchte, dass mit den Resten, die auf Bundesebene noch vom Forschungsbudget übrig geblieben sind, nicht mehr wirklich etwas anzufangen ist. Die in diesem Bereich arbeitenden Kollegen sind zwar sehr bemüht, vom Volumen her ist das aber nicht mehr wirklich spannend. Die Stadt Wien führt im Wohnbaubereich trotzdem einige Begleituntersuchungen durch.
So versuchen wir etwa, im Stadtentwicklungsplan 2005 über Veränderungen in der Nachfrage, die Auswirkungen auf die Gestaltung einzelner Stadtteile haben, herauszufinden, welche Vielfalt notwendig sein wird, um den verschiedensten Lebensstilen begegnen zu können. Welche begleitende soziale und technische Infrastruktur müssen wir zur Verfügung stellen? Und vor allem: Wie kann man das bei knapper Kasse der öffentlichen Hand finanzieren?
Padutsch: Ich denke, dass die Wohnbauforschung de facto nicht existiert. Bei uns in Salzburg schon gar nicht, weil wir ja im Gegensatz zu Wien an der Universität keine Studienbereiche haben, die in diese Richtung gehen.
Ein anderes Problem betrifft die Kompetenzaufteilung. Alle, die mit Wohnbau zu tun haben, wünschen sich eine Zusammenführung der Kompetenzen. Ich kann das nur zu 100 Prozent unterstreichen. Genauso, wie es absurd war, dass Straßenbau und öffentlicher Verkehr im Bund in zwei völlig unterschiedlichen Ressorts untergebracht waren, gehören die Kompetenzen auch beim Wohnbau in eine Hand. Beispielsweise sind derzeit Wohnbauforschung und -förderung Ländersache, für Architekturbegutachtung und Stadtplanung sind die Städte zuständig. In diesem Fall bräuchten wir eine Gesetzesänderung, die all diese Kompetenzen bei den Städten bündelt. Denn diese sind am konkretesten betroffen, bekommen am ehesten mit, was draußen permanent passiert.
STANDARD: Wie kann man nun zu mehr Qualität im Wohnbau kommen?
Padutsch: Das Thema Architektur wird oft auf die Fassade reduziert. Tatsächlich ist Architektur aber alles, was mit einem Bau und seiner Umgebung zu tun hat. Es geht um die Architektur in ihrer Gesamtheit. Die Frage nach mehr Qualität im Wohnbau führt unweigerlich zum Architekten. Dessen Rolle wird allerdings immer mehr amputiert. Heute ist es leider fast schon die Regel, dass der Architekt sein Projekt mit dem Einreichplan abgibt und dann ist er weg und der Generalunternehmer übernimmt. Damit geht auch die Verantwortung für das Projekt verloren, weil derjenige, der sich dafür verantwortlich fühlt, formal nicht mehr verantwortlich ist. Die Beseitigung dieser Entwicklung ist Voraussetzung dafür, dass wir zu neuer Qualität im Wohnbau kommen.
Schicker: Auch in Wien ist es so, dass Investoren Gewinnchancen realisieren wollen und dass dadurch manchmal die Gestaltung des Wohnumfeldes auf der Strecke bleibt. Natürlich versuchen auch hier die Bauträger, sich der Architekten auf „angenehme Art“ zu entledigen. Man kann aber Maßnahmen setzen, um dieser Entwicklung zu begegnen.
Beispielsweise haben wir durch die Bauträgerwettbewerbe ein paar Punkte erreicht, die dazu geführt haben, ohne Qualitätsverlust die Kosten erträglich zu halten. Und das zu einer Zeit, wo enormer Bedarf an zusätzlichem Wohnraum bestanden hat. Mittlerweile hat sich die Wohnbaukonjunktur etwas abgekühlt und wir haben in den nächsten 15 Jahren mit einem langsameren Wachstum in der Stadt zu rechnen.
Warum sollte man in dieser Situation nicht versuchen, themenorientiertes Wohnen, höhere Qualität in Bezug auf Umweltstandards und Wohnumfeld zustande zu bringen? Allerdings immer unter der Prämisse, dass die Wohnbauförderung seitens des Bundes nicht komplett wegfällt und wir uns solche Experimente noch leisten können.
Padutsch: Ich glaube, dass das Experimentierfeld in Wien deutlich größer ist und zumindest einige Bauträger in diesem Feld tätig sind und versuchen, einen neuen Markt für sich zu finden.
STANDARD: Nun fordert etwa Vorarlberg, dass das Engagement von Architekten als Qualitätsmerkmal gesehen und daher über höhere Förderungen entsprechend honoriert wird. Wäre das nicht ein Mechanismus, wie man Architektur auch in Bezug auf die angesprochenen Experimente unterstützen kann?
Schicker: Wenn man die Möglichkeit hat, Experimentierfreudigkeit zu fördern, sollte man sich das leisten. Ich glaube, das können wir. Etwa über die autofreie Stadt und frauengerechtes Wohnen vielleicht zu einer fahrradgerechten Stadt zu finden oder zu einer noch stärker mitbestimmten Wohngegend. Wir versuchen auch, in diese Themen sehr stark einzusteigen. Etwa mit den „50 Orten“. Das sollen ganz bewusst Plätze sein, die nicht im Zentrum der Stadt liegen, sondern solche, die zum Wohnumfeld gehören und wo gemischte Strukturen herrschen.
Padutsch: Auch ich halte diese Idee für recht gut. Damit würde sich nämlich die Diskussion mit den Bauträgern stark reduzieren. Derzeit gehen die Verhandlungen über die Architektenhonorare in Richtung Dumping. Das ist für die Qualität des entstehenden Hauses und letzten Endes auch für die Stadt schlecht. Möglicherweise wäre über eine solche Zusatzförderung eine wirklich durchgängige Beschäftigung des Architekten zu gewährleisten.
STANDARD: Hat man bei den Bauträgerwettbewerben auf die Architektur vergessen?
Schicker: Den Eindruck habe ich nicht. Die Wettbewerbe haben zu Beginn viel zusätzliche Qualität gebracht, sowohl architektonisch als auch in der Gestaltung der Wohnräume. Sie haben allerdings, und das ist die Kritik in Richtung Bauträger, auch dazu geführt, dass diese sehr bald gemerkt haben, wie solche Wettbewerbe funktionieren. Sobald man gelernt hat, das auszureizen, beginnt man dort zu sparen, wo man das nicht sollte. Das ist dann bei der Architektur sichtbar und spürbar.
Gerade jene, die im sozialen Wohnbau die Trägerseite vertreten, wissen sehr genau, was vermittelbar ist. Dieses Wissen hat wiederum viel damit zu tun, was nachgefragt wird. Nachdem wir in den vergangenen Jahren einen deutlichen Überhang an fertig gestellten Wohnungen im Verhältnis zur Nachfrage hatten, wurde dieses Wissen noch geschärft. Nicht jeder musste jede Wohnung nehmen, das war ein Riesenvorteil.
Noch eine Kritik an den Bauträgern: Das Problem ist, dass die Bauleistung schon wieder zurückgeschraubt wird, damit der Überhang verschwindet. Ich hoffe aber, dass wir diesen Überhang weiterhin haben, damit wir anhand der Nachfrage ablesen können, ob die Qualität beim Angebot tatsächlich gewährleistet ist.
Padutsch: Ich halte auch sehr viel von der Steuerung der Qualität über die Wohnbauförderung. Es gibt in Salzburg bei der Wohnbauförderung so genannte Zusatzpunkte, die auf ökologische Kriterien abzielen, beispielsweise auf Energieversorgung. Jemand, der sein Haus im Sinne der Nachhaltigkeit besonders energiefreundlich baut, bekommt dafür zusätzliches Geld in Form der Förderung.
STANDARD: Vielen Dank für das Gespräch.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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