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Vogelhaus und Leuchtspiegel
Neue Zürcher Zeitung

Der italienische Designer Ettore Sottsass in Köln

Das Museum für Angewandte Kunst in Köln widmet Ettore Sottsass, dem Altmeister des italienischen Designs, eine Retrospektive. Zu sehen sind Zeichnungen, Modelle und Photographien von Architekturprojekten aus den letzten zwanzig Jahren, Möbel aus der legendären Memphis-Kollektion sowie neuere skulpturale Objekte.

17. April 2003 - Irene Meier
Zweifellos gehört Ettore Sottsass zu den einflussreichsten Vertretern des italienischen Designs im 20. Jahrhundert. Berühmt wurde der 1917 in Innsbruck geborene Gestalter, der in Turin Architektur studierte und 1947 sein Büro für Architektur- und Designprojekte in Mailand gründete, durch legendäre Entwürfe wie die rote Reiseschreibmaschine «Valentina» (1969). Sie entstand während seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Olivetti.

Sottsass gelang es immer wieder, technische Geräte mittels Farbigkeit und eleganter Formen in Objekte zu verwandeln, die man auch gerne ansah. 1981 gründete Sottsass zusammen mit Freunden - darunter Andrea Branzi, Hans Hollein, Michele de Lucchi, Marco Zanini und Shiro Kuramata - die Gruppe Memphis, die sich mit ihren bunten, skulpturalen Objekten gegen das Diktat eines nüchternen Funktionalismus wandte. Möbel und Wohnobjekte sollten nicht mehr nur unauffällig ihren Dienst erfüllen, sondern auch Gefühle auslösen. Kostbare und billige Materialien sowie auffallende Muster und grelle Farben wurden unbekümmert gemischt. Sottsass umschrieb die Intention, die er damit verfolgte, folgendermassen: «Design zu machen heisst für mich nicht, einem Produkt Form zu geben (. . .). Für mich ist Design eine Art und Weise, das Leben zu diskutieren, soziale Beziehungen, die Politik, das Essen und sogar das Design selbst.» Die Gruppe Memphis löste kontroverse Reaktionen aus, doch ihr Einfluss auf die Entwicklung des Designs war einschneidend und ist auch heute noch wirksam.


Designskulpturen

Sottsass entwarf aber auch Gegenstände für den Alltag, mit denen er grossen Erfolg hatte. Dies zeigt die weite Verbreitung der zahlreichen Kreationen, die er für Alessi entwarf: beispielsweise das Besteck «Nuovo Milano». Einem einfachen Bistrobesteck gab er eine etwas elegantere, schnittigere Linie, die den feinen Unterschied ausmacht und das Formgefühl des Designers aufzeigt. Allerdings stehen nicht solche Erzeugnisse im Zentrum der Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst in Köln, sondern in erster Linie spektakuläre, oft geradezu skulpturale Arbeiten wie etwa der Spiegel «Ultrafragola» von 1970, dessen gewelltes Kunststoffgehäuse beleuchtbar ist, oder Designobjekte, die er meist in kleinen Editionen für Galeristen wie den Belgier Ernest Mourmans zeichnete. Erwähnt sei hier eine teilweise blattvergoldete Bar aus Laminat und einem Holz, das sich durch seine ungewöhnliche Maserierung auszeichnet.

Zusammen mit seiner Mitarbeitergruppe Sottsass Associati, der Architekten wie Marco Zanini, Johanna Grawunder und Mike Ryan angehören, widmete er sich seit Mitte der achtziger Jahre vermehrt auch der Baukunst. Die Ausstellung stellt 26 Projekte anhand von Zeichnungen, Plänen, Fotos und Modellen vor. Die Palette reicht von Einfamilienhäusern in Belgien, Italien, der Schweiz und den USA bis hin zu einer Fabrik in Moskau, einem Museum in Ravenna und einem Golfklub in China. Als geradezu exzentrisch darf man das Birdhouse bezeichnen, das Sottsass zwischen 1995 und 1999 für Ernest Mourmans im belgischen Lanaken realisierte. Der Bau besteht aus unterschiedlich geformten, puzzleartig zusammengesetzten Teilen, die durch Innenhöfe und Gärten miteinander verbunden sind, und erinnert an weitläufige römische Villen. Zudem ist eine Voliere für exotische Vögel so in das Gebäude integriert, dass man diese von überall im Haus her sehen kann.


Hülle und Interieur

Charakteristisch für die meisten Bauten von Sottsass ist die auf die Architektur abgestimmte Inneneinrichtung. Er verwendet für die Gestaltung der Interieurs die gleiche Sorgfalt wie für die Konzeption und Aussengestaltung der Bauten. Dafür gebraucht er, ähnlich wie für seine skulpturalen Designobjekte, ausgesuchte Materialien und scheut sich auch nicht vor ungewöhnlichen Kombinationen und Farben. Das 1992 vollendete Haus Cei in der Toskana hingegen sieht von aussen aus, als sei es von einem Kind gezeichnet worden. Die architektonischen Grundelemente sind bewusst überdeutlich dargestellt. So besitzt das Haus, das aus einem quadratischen Block besteht, ein akzentuiertes Satteldach aus rotem Aluminium. Ebenso bildhaft eingesetzt sind die Eingangstür und die gelb gerahmten Fenster.

Formal stark reduziert ist auch die an der Zürcher Goldküste gelegene Villa eines bekannten Schweizer Galeristen. Sie besteht aus einem dreistöckigen Wohngebäude und einem Garagenhaus. Beide sind mit dunkelgrauem Schiefer verkleidet, welcher die blockhafte Erscheinung zusätzlich betont. Einzig ein weisser, auskragender Eingang unterbricht die geometrische Form. Es besteht kein Zweifel: Bei Sottsass ist ein Haus ein Haus - und nichts anderes. Und das soll sichtbar sein. Der farbenprächtige Innenausbau steht im Gegensatz zur schillernd-düsteren äusseren Erscheinung des Hauses. Ettore Sottsass' kunstnahe Arbeitsweise zeigt sich auch in seinen Zeichnungen, die über sein ganzes langes Leben - er ist jetzt 85 Jahre alt - in grosser Zahl entstanden. Erstmals können in der Kölner Ausstellung 50 Originalzeichnungen aus seinem Privatbesitz gezeigt werden.


[Bis zum 25. Mai im Museum für Angewandte Kunst in Köln. Eine Gratisbroschüre mit dem Verzeichnis der Exponate und kurzen erläuternden Texten liegt auf.]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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