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Das Glas aller Dinge
Das Glas aller Dinge, Foto: Thomas Jantscher
20er - Die Tiroler Straßenzeitung

Transparenz ist letzthin zum Lieblingsschlagwort des Marktes avanciert. Ob bei der Handyrechnung, an den Ölmärkten, im Netz: Transparenz verspricht, Klarheit durch den Austausch von Information zu schaffen.

15. November 2004 - Nora G. Vorderwinkler
In der Architektur stellen transparente Bauteile die Beziehung eines Gebäudes mit seiner Umwelt her. Vor allem im Ladenbau ist dieser visuelle Informationsaustausch von Bedeutung, geht es doch darum, Produkte zu präsentieren und das Interesse der Kunden daran zu wecken. Schaufenster sind die „dreidimensionale Visitenkarte“ eines Geschäftes. Sehr oft scheint sich der Mut der Händler und die Kreativität ihrer Planer bei der Geschäftsgestaltung allerdings darin zu erschöpfen, Fassaden großflächig aufzureißen und mit Glaselementen zu versehen. Was sich im Anschluß dahinter abspielt, ist derart austauschbar, daß nichts an den Versuch einer Marktpositionierung erinnert. „Viele dieser Geschäfte werden in ihrer Identität nicht wahrgenommen, das ist ja für die Händler selbst kontraproduktiv“ meint Thomas Wiederin dazu. Mit seinem neueröffneten Buchladen am Sparkassenplatz setzte er gemeinsam mit dem Architekten Rainer Köberl ein Zeichen dafür, daß gute Geschäftsarchitektur einen wichtigen Beitrag zur Identitätsstiftung leisten kann. Und daß sich mit Glaselementen, durchdacht eingesetzt, verblüffende Ergebnisse erzielen lassen. Der Wunsch des Bauherren, sein Geschäft zum Platz hin zu öffnen und zugleich ein Teil davon zu werden, wurde planerisch erfüllt. So können etwa die großen, schwarz umrahmten Schaukästen mit zurückversetzten Fensterflächen straßenseitig als erweiterte Vitrine genutzt werden. Der durchgehend schwarz gestaltete Raum bringt die Bücher in den raumhohen Regalen deutlich zur Geltung. Mit Einsetzen der Dämmerung verdunkelt sich die „Freiluftvitrine“, während der beleuchtete Innenraum in den Vordergrund tritt. Die klare Lesbarkeit der Fassade spiegelt die Geschäftsidee des Inhabers wieder:„Wir wollten die Annäherung zwischen dem, was Architektur schafft und dem, was gute Literatur ist, hervorheben: wechselnde Wahrnehmung, plastische Elemente und auch Irritation“. Um etwas andere bauliche Anforderungen ging es beim Konzept für eine „offene Bank“, das der Architekt Peter Lorenz 2001 in der Museumstraße realisierte. Die Filiale der Schoellerbank wurde mit einer Vielzahl von optischen Effekten innen wie außen attraktiv gestaltet. Die Glaselemente im Eingangsbereich bilden den „blauen Tunnel“, der im Farbton des Banklogos gehalten ist, um baulich auf die Corporate Identity des Geldinstitutes einzugehen. Die geschoßhohe Glassfassade wurde der freigelegten historische Fassade des Hauses vorgesetzt und hat geradezu denkmalpflegerischen Charakter. Bedruckte Trennwände aus Glas schaffen im Innenraum die erforderliche Diskretion, ohne den Blick in die gesamte Raumtiefe zu versperren. Die gläsernen Bauteile fügen sich harmonisch an den vorhandenen Altbestand. Identität und Funktion sind hier gekonnt miteinander verbunden. Da sich die gelungene Geschäftsgestaltung im Stadtzentrum bisher leider auf einige wenige Ausnahmen beschränkt, kann vorerst der Feststellung Wiederins nur beigepflichtet werden: „Ich vermisse bei den Händlern das Selbstbewußtsein, architektonische Identität zu übernehmen“.

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Für den Beitrag verantwortlich: 20er - Die Tiroler Straßenzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Steffen Arorasteffen.arora[at]zwanzger.at

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