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Die Zukunft sieht aus wie Kopenhagen
Autofreie Wohnbauten stehen in Wien nicht im Fokus der Stadtplaner. Andere Städte gehen das Verdrängen der Autos radikaler an. Sie schaffen Parkplätze in den Kernzonen ab oder fordern Citymaut. Folge: Die Nachfrage nach innerstädtischen Wohnungen steigt.
26. Mai 2006 - Gerhard Rodler
Schon nach zehn Minuten begann es im Vortragssaal des Palais de Congrès zu rumoren. Was die Hundertschaft an Bürgermeistern und Stadtplanern, die sich in der Vorwoche zum Global City Kongress in Lyon zusammengefunden hatten, so aufbrachte, waren die Thesen des dänischen Architekten und Stadtplaners Jan Gehl: verpflichtende Parkplätze bei neuen Wohn- und Bürohäusern? Der völlig verkehrte Ansatz. Die Verkehrsplanungen in den Großstädten der Welt? Im Großen und Ganzen eine Themenverfehlung. Abschließendes Urteil Gehls: „Jede Stadt betreibt Verkehrsplanung und zählt penibel die Autobewegungen in ihren Straßen, die Bewohner und ihre Bedürfnisse aber werden vernachlässigt.“
Wien ist da auch nicht viel anders. Bis dato hält man bei zwei dezidiert autounfreundlichen Wohnbauprojekten. Begonnen hat alles vor gut einem Jahrzehnt mit dem Projekt „autofreie Siedlung“ in Floridsdorf, wo 244 geförderte Wohnungen ohne Autoabstellplatz errichtet wurden. Die Mieter verpflichteten sich, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Das zweite Projekt ist die derzeit am Gelände des „Kabelwerks“ in Wien-Meidling entstehende Siedlung, wo nur ein Zehntel der sonst verpflichtend vorgeschriebenen Parkplätze errichtet wird.
Angesichts von rund einer Million Wohnungen in Wien jenseits der Wahrnehmungsgrenze, aber ganz nach dem Geschmack von Gehl, denn: „Wer Parkplätze schafft, stimuliert die Anschaffung von Pkws in den Städten, und wer keine Parkplätze schafft, verbannt die Autos mittelfristig aus den Städten und schafft so automatisch mehr Lebens-und Freiraum für die Menschen.“ Internationale Beispiele bestätigen diese These. Barcelona, Lyon, Kopenhagen, Córdoba in Europa, Portland in den USA oder Melbourne in Australien haben sich gegen mehr Parkplätze und für mehr Fußgängerzonen mit Sitzgelegenheiten entschieden, was auch die Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen signifikant ansteigen ließ.
Renaissance der City
Die Zukunft des Wohnens könnte aussehen wie Kopenhagen. Dort war es die erste große Ölkrise in den 70er-Jahren, die zur Diskriminierung der Pkws geführt hatte. Die Folgen bis heute: 36 Prozent der Kopenhagener fahren mit dem Fahrrad auch zur Arbeit, 33 Prozent benutzen öffentliche Verkehrsmittel, acht Prozent gehen zu Fuß, und nur noch 23 Prozent (von zuvor weit über 60 Prozent) fahren weiterhin mit dem Auto.
Gleichzeitig hat die gesamte Innenstadt eine Renaissance als Wohngegend erlebt. Immer mehr Menschen sind vom Speckgürtel zurück in die Kopenhagener City gezogen - allerdings auch mit dem Effekt, dass die Wohnimmobilienpreise hier überdurchschnittlich gestiegen sind. Schließlich sind hunderte Straßen-Cafés entstanden.
Dass selbst autofanatische Großstädte wie San Francisco mit weniger Hauptverkehrsadern auskommen, sieht Gehl als Bestätigung seiner These. Im Zuge des letzten großen Erdbebens war eine der wichtigsten Stadtautobahnen zerstört, aber nie wieder aufgebaut worden. Heute befindet sich an ihrer Stelle ein großzügiger Spazierweg samt Straßenbahnlinie - und neuen, im Hochpreissegment angesiedelten Wohnprojekten.
Citymaut als Lösung
Einen noch radikaleren Weg haben Städte wie London, Sydney oder Santiago de Chile eingeschlagen, die unterschiedliche Mautsysteme für die Nutzung der Stadtstraßen eingeführt haben. In London entschied man sich etwa für die „Einfahrtsgebühr“ in die Stadt. Nick Gavron, Deputy Mayor of London: „Zu Beginn war die Citymaut ein großer, vorwiegend über die Medien gespielter, Aufruhr. Ich kann aber sagen, dass dadurch die Wohnqualität stark gestiegen ist.“ Sydney und Santiago erheben - vorerst nur auf einzelnen Durchzugsstraßen - eine fahrleistungsabhängige Maut ähnlich der heimischen Lkw-Autobahnmaut. Auch dort folgte dem Aufstand bald ein Gewöhnungsprozess.
Catherine Hart, Leiterin der strategischen Stadtplanung von Sydney, half mit einer gefinkelten Strategie nach nach: „Wir haben die Bemautung aufgrund der Proteste vorübergehend ausgesetzt, dann mit verminderten Kosten wieder eingeführt - und stufenweise auf den ursprünglichen Betrag zurückgeführt. Jetzt ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zufrieden.“
Wien ist da auch nicht viel anders. Bis dato hält man bei zwei dezidiert autounfreundlichen Wohnbauprojekten. Begonnen hat alles vor gut einem Jahrzehnt mit dem Projekt „autofreie Siedlung“ in Floridsdorf, wo 244 geförderte Wohnungen ohne Autoabstellplatz errichtet wurden. Die Mieter verpflichteten sich, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Das zweite Projekt ist die derzeit am Gelände des „Kabelwerks“ in Wien-Meidling entstehende Siedlung, wo nur ein Zehntel der sonst verpflichtend vorgeschriebenen Parkplätze errichtet wird.
Angesichts von rund einer Million Wohnungen in Wien jenseits der Wahrnehmungsgrenze, aber ganz nach dem Geschmack von Gehl, denn: „Wer Parkplätze schafft, stimuliert die Anschaffung von Pkws in den Städten, und wer keine Parkplätze schafft, verbannt die Autos mittelfristig aus den Städten und schafft so automatisch mehr Lebens-und Freiraum für die Menschen.“ Internationale Beispiele bestätigen diese These. Barcelona, Lyon, Kopenhagen, Córdoba in Europa, Portland in den USA oder Melbourne in Australien haben sich gegen mehr Parkplätze und für mehr Fußgängerzonen mit Sitzgelegenheiten entschieden, was auch die Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen signifikant ansteigen ließ.
Renaissance der City
Die Zukunft des Wohnens könnte aussehen wie Kopenhagen. Dort war es die erste große Ölkrise in den 70er-Jahren, die zur Diskriminierung der Pkws geführt hatte. Die Folgen bis heute: 36 Prozent der Kopenhagener fahren mit dem Fahrrad auch zur Arbeit, 33 Prozent benutzen öffentliche Verkehrsmittel, acht Prozent gehen zu Fuß, und nur noch 23 Prozent (von zuvor weit über 60 Prozent) fahren weiterhin mit dem Auto.
Gleichzeitig hat die gesamte Innenstadt eine Renaissance als Wohngegend erlebt. Immer mehr Menschen sind vom Speckgürtel zurück in die Kopenhagener City gezogen - allerdings auch mit dem Effekt, dass die Wohnimmobilienpreise hier überdurchschnittlich gestiegen sind. Schließlich sind hunderte Straßen-Cafés entstanden.
Dass selbst autofanatische Großstädte wie San Francisco mit weniger Hauptverkehrsadern auskommen, sieht Gehl als Bestätigung seiner These. Im Zuge des letzten großen Erdbebens war eine der wichtigsten Stadtautobahnen zerstört, aber nie wieder aufgebaut worden. Heute befindet sich an ihrer Stelle ein großzügiger Spazierweg samt Straßenbahnlinie - und neuen, im Hochpreissegment angesiedelten Wohnprojekten.
Citymaut als Lösung
Einen noch radikaleren Weg haben Städte wie London, Sydney oder Santiago de Chile eingeschlagen, die unterschiedliche Mautsysteme für die Nutzung der Stadtstraßen eingeführt haben. In London entschied man sich etwa für die „Einfahrtsgebühr“ in die Stadt. Nick Gavron, Deputy Mayor of London: „Zu Beginn war die Citymaut ein großer, vorwiegend über die Medien gespielter, Aufruhr. Ich kann aber sagen, dass dadurch die Wohnqualität stark gestiegen ist.“ Sydney und Santiago erheben - vorerst nur auf einzelnen Durchzugsstraßen - eine fahrleistungsabhängige Maut ähnlich der heimischen Lkw-Autobahnmaut. Auch dort folgte dem Aufstand bald ein Gewöhnungsprozess.
Catherine Hart, Leiterin der strategischen Stadtplanung von Sydney, half mit einer gefinkelten Strategie nach nach: „Wir haben die Bemautung aufgrund der Proteste vorübergehend ausgesetzt, dann mit verminderten Kosten wieder eingeführt - und stufenweise auf den ursprünglichen Betrag zurückgeführt. Jetzt ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zufrieden.“
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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