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Stadtbäume lindern die Hitze
Stadtbäume lindern die Hitze, Foto: Lada Blazevic
TEC21

Die prognostizierte Klimaerwärmung könnte den zukünftigen Kühlbedarf für Gebäude enorm ansteigen lassen. Betroffen sind vor allem urbane Gebiete, die Wärmeinseln ausbilden. Bäume spenden Schatten, verdunsten beträchtliche Mengen Wasser und kühlen so die Umgebung. Parkanlagen in Städten wirken sich nicht nur positiv auf das Stadtklima und das Wohlbefinden der Bevölkerung aus, sondern reduzieren auch den Kühlbedarf.

23. Juni 2006 - Lukas Denzler
Der Hitzesommer 2003 schlug alle Rekorde. Mehr als 5°C lag die Temperatur über dem langjährigen Mittelwert. Im Misox wurde mit 41.5°C ein neuer absoluter Rekordwert gemessen, und in Basel zählte man 41 Hitzetage mit über 30°C. Von der Hitze besonders betroffen waren die Städte Basel, Genf und Lausanne, wo die Anzahl der Todesfälle 13 bis 24 Prozent über dem Durchschnitt lag. In diesen Städten stiegen die Temperaturen an einzelnen Tagen über 35°C und sanken nachts nicht unter 20°C. [1]

In urbanen Gebieten sind die Temperaturen um einige Grade höher als im benachbarten landwirtschaftlich genutzten Umland. Solche Wärmeinseln können weltweit beobachtet werden. [2] In Basel, der klimatisch am besten untersuchten Schweizer Stadt, sind es beispielsweise 2 bis 3°C. Diese Aussage gilt für Jahres-, Monats- und auch Tagesmittelwerte, nicht aber für den gesamten Tagesverlauf. «Der Wärmeinseleffekt macht sich vor allem in der Nacht bemerkbar», sagt Eberhard Parlow, der Vorsteher des Instituts für Meteorologie, Klimatologie und Fernerkundung der Universität Basel. «Am Tag ist es in den Städten hingegen bis zu einem Grad kühler als im Umland.» Während des Tages wird bis zu 50 Prozent der einfallenden Energie in die Bausubstanz geleitet und dort wie in einem Akku gespeichert. Nachts gibt dieser Speicher die Wärme allmählich ab, was zu den hohen nächtlichen Temperaturen in den Städten führt. Urbane Wärmeinseln sind kein neues Phänomen. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts hielt der Brite Luke Howard in einer Studie fest, dass es in London nachts 3.7°C wärmer und tagsüber 0.34°C kälter sei als ausserhalb der Stadt. Mit der zunehmenden Verstädterung hat das Ausmass der Wärmeinseln jedoch zugenommen.

Steigender Kühlbedarf

Infolge der Klimaerwärmung könnten Hitzeperioden
in Zukunft häufiger auftreten. Klimaforscher haben herausgefunden, dass gegen Ende des 21. Jahrhunderts jeder zweite Sommer so warm und trocken sein könnte wie der Hitzesommer 2003.[1] Dies hätte nicht nur Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Menschen, sondern würde unter anderem auch die Menge der für die Klimatisierung der Gebäude benötigten Energie in die Höhe schnellen lassen. Problematisch für die Temperatur im Innern von Gebäuden ist vor allem, wenn sich mehrere Hitzetage aneinander reihen. Forscher der Empa berechneten den Energiebedarf für das Heizen und Kühlen für die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts. Steigt die mittlere Jahrestemperatur um 4.4°C, so nimmt der Kühlbedarf für ein typisches Bürogebäude heutiger Bauweise um das Drei- bis Zehnfache zu. Der Heizbedarf würde demgegenüber ungefähr halbiert. Bei Wohngebäuden sinkt er um 35 bis 45 Prozent, während für deren Kühlung auch in Zukunft passive Systeme wie etwa Nachtkühlung ausreichen sollten. [3]

Schatten und Verdunstungskälte

Angesichts des Wärmeinseleffektes und der Klimaerwärmung ist dem «klimagerechten Bauen» eine hohe Priorität einzuräumen. In erster Linie umfasst dies einen geeigneten baulichen Wärmeschutz für den Sommer. Es stellt sich aber auch die Frage, inwiefern Pflanzen einer Überhitzung entgegenwirken könnten. Bäume spenden Schatten, und beschattete Flächen wärmen sich weniger stark auf, weil sie vor der direkten Sonneneinstrahlung geschützt sind. Pflanzen verdunsten zudem beträchtliche Mengen Wasser. Ähnlich wie beim Schwitzen erzeugt dies eine kühlende Wirkung. Sehr schwer abzuschätzen ist jedoch, wie gross diese Effekte wirklich sind. Eberhard Parlow schätzt den kühlenden Effekt von Pflanzen, die viel Wasser zur Verfügung haben und dieses auch verdunsten, auf 1 bis 2°C. Unbestritten ist ihr positiver Einfluss auf das Mikroklima. Mark Zimmermann von der Empa sieht den Vorteil von Bäumen in erster Linie in der Beschattung von Strassen und Trottoirs, bezweifelt aber, dass einzelne Gebäude sich so genügend kühlen lassen. In seinen Augen treiben Bäume im Frühling oft zu spät aus, das heisst, sie entfalten ihre beschattende Wirkung zu spät im Jahr. Viele Hauseigentümer scheuen zudem den grossen Unterhalt, den Bäume in Gebäudenähe oder auch Fassaden mit Kletterpflanzen verursachen.

Das Anlegen von Dachgärten könnte zur Vergrösserung der Grünflächen und somit zu einem besseren Klima beitragen, jedoch nur in geringem Ausmasse, so Parlow. Zum einen sei die potenziell verfügbare Fläche für Dachbegrünungen beschränkt, und zum anderen würden auf Dächern Pflanzen wachsen, die nur wenig Wasser benötigten. Ein geringer Wasserbedarf bedeutet aber, dass nur wenig Wasser verdunstet wird, und somit fällt auch der Kühleffekt nicht sehr gross aus. Eine Dachbedeckung mit Kies reflektiert laut Parlow zudem mehr Sonneneinstrahlung, als dies begrünte Flächen tun.

Der Anteil der reflektierten Strahlung wird als Albedo bezeichnet. Dunkle Flächen haben eine kleine Albedo, helle eine deutlich grössere. Wird einfallende Strahlung reflektiert, so kann sich diese an der Oberfläche nicht in Wärme umwandeln. Durch die gezielte Vergrösserung der Albedo liesse sich somit die Aufheizung der Städte verringern.

Grünflächen als Klimaoasen

Mit Hilfe von Infrarotbildern können unterschiedliche Oberflächentemperaturen sichtbar gemacht werden. Asphaltierte Strassen und dunkle Dächer sind bei direkter Sonneneinstrahlung bis zu 40°C wärmer als mit Pflanzen bewachsene Oberflächen. Von der Oberflächentemperatur lässt sich jedoch nicht direkt auf die Lufttemperatur schliessen, denn diese wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. Gleiches gilt auch für das Wärmeempfinden der Menschen. Eberhard Parlow: «Was wir als Wärme fühlen, ist eine Kombination aus Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, direkter Sonneneinstrahlung und langwelliger Wärmestrahlung.» In der Stadt habe man eher das Gefühl von Hitze, weil oft kein kühlender Wind wehe. Grünflächen wirken im urbanen Raum deshalb wie Klimaoasen. Im Schatten eines Baumes wird die Temperatur beispielsweise nur als etwa halb so hoch empfunden wie in der prallen Sonne. Deshalb ziehen Grünflächen Menschen an Hitzetagen magnetisch an.

Für die Stadtplanung ist wichtig zu wissen, wie gross eine Grünfläche sein muss, um im benachbarten Quartier zu einer besseren klimatischen Situation zu führen. Auch stellt sich die Frage, bis zu welcher Entfernung sich der Einfluss einer Grünfläche nachweisen lässt. Im Rahmen seiner Master-Arbeit an der Universität Basel untersuchte Markus Lehmann dies am Beispiel der Grünflächen in Basel.[4] Mit einem Fahrrad fuhr er am Tag und mitten in der Nacht quer durch die Stadt. Die Route umfasste bebaute Quartiere, stark befahrene Strassen, Parkanlagen, Alleen und Brücken. Das Fahrrad war ausgerüstet mit Messgeräten, welche die Temperatur im Sekundentakt aufzeichneten. Die räumliche Zuordnung der Messdaten erfolgte mittels GPS (Global Positioning System).

Positive Wirkung auf Umgebung

Die untersuchten Parkanlagen waren in der Regel 0.5 bis 2°C kühler als ihre Umgebung; in einigen Fällen waren es sogar 6°C. Als wichtiges Kriterium erwies sich dabei das so genannte Grünvolumen, ein Mass für die Gesamtvolumen der Vegetation auf einer bestimmten Fläche. Der Wirkungsbereich der Parkanlagen reichte meistens zwischen 10 und 200 m ins bebaute Gebiet hinein, in einzelnen Fällen waren es 350 m. Lehmann fand einen Zusammenhang zwischen dem mittleren und dem maximalen Wirkungsbereich und der Grösse der Grünräume. Die Mindestgrösse, bei der noch eine signifikante Kühlung in der Umgebung festzustellen war, betrug 1.6ha. Grössere Grünanlagen zeichnen sich somit nicht nur durch ein gutes Klima in ihrem Innern aus, sondern tragen auch zu einem angenehmeren Klima in ihrer unmittelbaren Umgebung bei. Sie können ihre Wirkung aber nur entfalten, wenn der Luftaustausch gewährleistet ist. Bei stark befahrenen Strassen sind auch Luftschadstoffe zu berücksichtigen. So zeigte sich beispielsweise in Tokio, dass aus stadtklimatischen Gründen mehr Vegetation sehr erwünscht wäre. Damit würde jedoch der Luftaustausch in den Strassen behindert, was eine Verschlechterung der Luftqualität zur Folge hätte.

Zusatz:
Helle Dächer und mehr Bäume für die USA

In den USA wird für die Klimatisierung von Gebäuden besonders viel Energie benötigt. Auf einer Website propagiert die amerikanische Umweltbehörde EPA daher, vermehrt Bäume zu pflanzen, um den Hitzeinseleffekt etwas zu mildern.[5] Laut dieser Website hat eine durch das Lawrence Berkley National Laboratory durchgeführte Studie, bei der Bäume in Containern um Häuser platziert worden sind, eine Einsparung der Kühlenergie von 7 bis 40 Prozent ergeben. Empfohlen werden insbesondere laubabwerfende Baumarten: Diese beschatten das Gebäude im Sommer, lassen die Sonne im Winter jedoch durch – ein willkommener Beitrag, um das Haus in der kalten Jahreszeit zu heizen.

Anfang Jahr stellten Forscher der Nasa und der Columbia University an einer Tagung der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft eine Studie zur Wärmeinsel in New York City vor.[6] Sie kamen zum Schluss, dass Vegetation eine sehr effiziente Möglichkeit wäre, die Oberflächentemperatur zu reduzieren. Eine andere Option wäre das Anbringen von reflektierenden Oberflächen auf den Dächern. Laut den Forschern sei dies zwar nicht so wirksam wie Vegetation, doch würde dafür in New York mehr Fläche zur Verfügung stehen als
für das Pflanzen von Bäumen.
Literatur / Anmerkungen
[1] ProClim – Forum for Climate and Global Change: Hitzesommer 2003. Synthesebericht, Bern, 2005.
[2] Parlow, Eberhard: The Urban Heat Budget Derived from Satellite Data. In: Geographica Helvetica, Heft 2, 2003.
[3] Frank, T.: Climate change impacts on building heating and cooling energy demand in Switzerland. In: Energy and Buildings 37, S. 1175–1185, 2005.
[4] Lehmann, Markus: Unveröffentlichte Master-Arbeit an der Universität Basel.
[5] Website der EPA: http://www.epa.gov/hiri/strategies/vegetation.html
[6] Rosenzweig, Cynthia et al.: Mitigating New York City’s Heat Island with Urban Forestry, Living Roofs, and Light Surfaces. 2006.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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