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Auf der roten Liste
Neue Zürcher Zeitung

Dresden bangt um Welterbe-Status

15. Juli 2006 - Joachim Güntner
Achtzehn Stätten hat das Welterbe-Komitee der Unesco neu auf seine Liste gesetzt, darunter die Minen von Cornwall und Devon, mittelalterliche Burgen in Syrien, megalithische Steinkreise in Gambia, die heilige islamische Stadt Harar Jugol in Äthiopien, Max Bergs 1913 in Breslau gebaute «Jahrhunderthalle». Auch die Altstadt von Regensburg mit ihren teilweise bis auf die Römerzeit zurückgehenden Bauten ist dabei. Nun muss man nur hoffen, dass Regensburgs Stadtväter nicht irgendeinen anstössigen Bebauungsplan in der Schublade haben, der das gerade errungene Prädikat gleich wieder in Frage stellt.

Am Pranger

Denn Deutschlands Welterbe-Stätten, jetzt 32 an der Zahl, scheinen gern mit einem Fuss auf der roten Liste zu stehen. Im oberen Rheintal streitet man um Brückenprojekte, welche den Sagenfelsen Loreley bedrängen; die Wartburg muss sich mit Hilfe von Gerichten eines Windparks erwehren; in Potsdam verhinderte erst das Drohen mit der roten Liste, dass ein Einkaufscenter die Kulturlandschaft verschandelte. Der Kölner Dom schaffte 2004 den unrühmlichen Sprung unter die bedrohten Weltkulturgüter dann tatsächlich, wurde aber jetzt von der Liste genommen, weil seine «visuelle Integrität» nicht mehr von Neubauten gefährdet ist: Kölns Stadtväter hatten ein Einsehen und lassen die Hochhäuser am gegenüberliegenden Rheinufer nun doch nicht so gross werden.

Dafür steht jetzt Dresden am Pranger. Nicht allein, dass sein vor zwei Jahren zum Welterbe erhobenes Elbtal nun auf der roten Liste gelandet ist. Darüber hinaus hat das Unesco-Komitee gedroht, das für seine Einheit aus Stadtbild und Landschaft, Historie und Bukolik gepriesene Elbtal ganz aus der Welterbe-Liste zu streichen. Es wäre, wenn es denn dazu käme, ein Vorgang ohne Beispiel. Streitpunkt ist die Planung der sogenannten Waldschlösschenbrücke, welche die durch die Elbe getrennten Stadtteile verbinden soll. Wo eine Werbebroschüre behauptet, «aus Sicht des Denkmalschutzes» würden «die nun sehr flach in den Elbauen gelegene Brücke und die Eingrünung des Tunnelmundes im Elbhang akzeptiert», spricht der ehemalige Landeskonservator Heinrich Magirius von einem «gewalttätigen Monstrum». Verfechter des Baus führen an, der Unesco seien die Pläne dazu von Anfang an bekannt gewesen - umso unverständlicher sei jetzt die Stigmatisierung.

Auch sehen sie sich in der Pflicht, die Brücke zu bauen, da sich bei einem Bürgerentscheid zwei Drittel der Abstimmenden für die Elbquerung ausgesprochen haben. Das Votum ist politisch und rechtlich bindend und könnte nur durch ein zweites Plebiszit revidiert werden. Die Gegner des Brückenbaus bestreiten den verkehrspolitischen Bedarf, konzedieren allenfalls eine Tunnellösung und vertreten die Ansicht, die Hüter des Welterbes seien bei Dresdens Bewerbung seinerzeit hinters Licht geführt worden: Die Stadt habe, was Lage und Dimensionierung der Brücke betreffe, nicht mit offenen Karten gespielt.

Dieser Ansicht ist man mittlerweile auch bei der Unesco. Die Welterbe-Hüter hatten sich 2004 auf eine Evaluierung gestützt, welche den Standort der Waldschlösschenbrücke falsch angab: Statt fünf Kilometer flussabwärts vom Zentrum soll sie vielmehr zwei Kilometer flussaufwärts stehen. Damit aber sei sie im Kernbereich der zu schützenden Zone angesiedelt. Anders als in vielen deutschen Feuilletons zu lesen war, geht es nicht um die drohende Zerstörung des berühmten «Canaletto-Blicks». Bernardo Belottos Perspektive auf Dresden war eine ganz andere als jene vom Waldschlösschen aus, die sich dadurch auszeichnet, dass sie vom Scheitelpunkt eines Bogens der Elbe die Einheit von Stadt und Landschaft in einzigartiger Weise erfasst.

Vernichtendes Urteil

Anders aber auch als in den Streitfällen Köln und Potsdam gibt für das Welterbe-Komitee diesmal ohnehin nicht die Störung der Sichtachsen den Ausschlag. «Die Waldschlösschenbrücke zerschneidet den zusammenhängenden Landschaftsraum des Elbbogens an der empfindlichsten Stelle und teilt ihn irreversibel in zwei Hälften.» So steht es in einem unabhängigen Gutachten, erstellt am Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung der Hochschule Aachen, das im Ganzen ein vernichtendes Fazit zieht. Gemessen an seinen eigenen Kriterien - Einzigartigkeit und Authentizität (bei Kulturstätten) sowie Integrität (bei Naturstätten) - konnte das Welterbe-Komitee gar nicht anders, als es jetzt entschied.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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