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Ein Gegenstück zur Gurke?
Neue Zürcher Zeitung

Das Projekt «Tate Modern 2» in London

12. August 2006 - Georges Waser
Es wurde bereits kurz mitgeteilt: In London soll die auf dem südlichen Themseufer ansässige Tate Gallery of Modern Art erweitert werden. Wie schon in den neunziger Jahren, als bekannt wurde, dass die Sammlung in der alten Tate Gallery wegen Platznot aufgeteilt werden würde, liess die Kontroverse nicht auf sich warten. Damals hatte der «Observer» gefordert, statt Geld an den Umbau eines verrosteten, als Ruine dastehenden Kraftwerks zu verschwenden, sollte man gleich ein neues Museum bauen - während der «Daily Telegraph» schrieb, das neue Domizil, eben die Bankside Power Station, sei für ein Museum für moderne Kunst zu gross.

Notwendige Erweiterung

Nun, statt der erhofften 1,8 Millionen Besucher im Jahr kamen seit der Eröffnung der Tate Modern regelmässig weit mehr; letztes Jahr zum Beispiel zählte man 4,1 Millionen Eintritte. Allein deshalb ist eine Erweiterung notwendig geworden. Und dieses Mal ist das Projekt, wie es eben der «Observer» ursprünglich gefordert hatte, ein moderner Bau - er soll im Jahr 2012 bereitstehen und wurde, wie schon die Umwandlung des Kraftwerks, dem Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron in Auftrag gegeben.

Dass die von Herzog & de Meuron vorgesehene, an eine babylonische Zikkurat erinnernde und 215 Millionen Pfund teure Glasstruktur nicht jedermann behagen würde, war vorauszusehen - nicht zuletzt deshalb auch, weil ein diesem leicht ähnliches Projekt, von Daniel Libeskind zur Erweiterung des Victoria & Albert Museum geplant, jahrelang umstritten und schliesslich gescheitert war. Konkret bemängelte am neuen Tate-Projekt zum Beispiel die Twentieth Century Society, eine Denkmalschutzorganisation, dass dieses die bestehende Tate Modern weit überragen und nicht zu deren dominantem horizontalem Gepräge passen würde. Man befürchtet also, dass die verschachtelt anmutende Glaspyramide, obschon sie auf der der Themse abgewandten Seite der Tate Modern entstehe, die bauliche Silhouette der Londoner Bankside verunstalten würde.

Kühnes Gegenstück

Allerdings gibt es auch Befürworter, wie eine Umfrage der Rundfunkorganisation BBC bewies. So eine Stimme aus dem Volk, die das bereits als «Tate Modern 2» bekannte Projekt als Vermächtnis an die Gegenwartskunst pries, beispielhaft insbesondere, wenn man daran denke, wie viel Geld in London für die Olympischen Spiele, also für temporäre Strukturen, vorgesehen sei. Was, ob einer das «Tate Modern 2»-Projekt nun mag oder nicht, gewiss ist: Mit der Glaspyramide hätte die Bankside ein kühnes Gegenstück zu der aus der City über die Themse hinweg grüssenden «Gurke» des Architekten Norman Foster.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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