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Mit dem Blick einer Ente
Türkis schimmernd ist es am Franz-Josefs-Kai vor Anker gegangen: das „Badeschiff Wien“. Der erfrischende Versuch, das Leben einer Stadt im Fluss zu halten.
12. August 2006 - Judith Eiblmayr
Im Juli herrschte Hitze in der Großstadt. Was wir längst ver mutet hatten, wurde Ende des Monats Gewissheit: Der Juli 2006 war der heißeste, seit es klimatische Dokumentationen gibt. Ein Rekord, der uns nicht kalt lässt, denn die Bewältigung des Alltags im innerstädtischen Wien bei diesen Temperaturen kann als schleppend bezeichnet werden.
Wem die Ufer des Entlastungsgerinnes der Donau zu weit und die Lokale an dessen Strandmeile „Copa Cagrana“ zu voll sind, kann sich bereits seit einigen Jahren bei der „Summerstage“ an der Rossauer Lände unter Pappeln und Weiden ans grüne Ufer des Donaukanals setzen. Ein wenig flussabwärts wurde das Angebot an Lokalen am Wasser um zwei Attraktionen erweitert: Am sogenannten Stadtstrand „Adria Wien“ bei der Salztorbrücke und bei „Hermanns Strandbar“ an der Wienflussmündung lässt es sich im Liegestuhl am aufgeschütteten Sand mit kühlen Getränken und leichten Speisen gut entspannen. Was zur Entstehung eines „echten“ Strandgefühls allerdings bislang fehlte, war die Möglichkeit, im Gewässer selbst Abkühlung zu finden. Das ist jetzt anders: Wenn man von der Aspernbrücke hinabschaut, strahlt einem neuerdings im Braungrün des Donaukanals eine pooltürkise Wasserfläche entgegen, die eindeutig zum Schwimmen auffordert. Am Franz-Josefs-Kai ist das „Badeschiff Wien“ vor Anker gegangen, das wie ein Rettungsboot für die in der Innenstadt arbeitende und wohnende Bevölkerung wirkt.
Vier Jahre lang haben die Betreiber der „Expedit-Betriebsges.m.b.H“, die bereits mit dem Speisenangebot ihres Innenstadtlokals und der „Adria-Wien“-Initiative versuchten, mediterrane Stimmung in der Binnenstadt Wien zu verbreiten, benötigt, um die Idee eines Wasserzugangs für die Gäste der „Stadtstrände“ in Form eines Badeschiffes zu realisieren. Die Vorbilder hierfür fanden sich dabei nicht nur in Berlin, wo seit zwei Jahren ein Badeschiff an der Spree vertäut ist und sich großer Beliebtheit erfreut, sondern natürlich in Wien selbst, wo seit dem späten 18. Jahrhundert in das kalte Flusswasser der noch unregulierten Donau Badeflöße mit eingelassenen korbähnlichen Gitterkästen gesetzt wurden. Vom Wiener Arzt Pascal Joseph von Ferro 1781 aus Hygienegründen und zur Krankheitsprophylaxe entwickelt, wurde diese Form der Badeschiffe im frühen 19. Jahrhundert als „Armenbäder“ staatlich institutionalisiert und deren kostenlose Nutzung der Bevölkerung empfohlen. Nach der Donauregulierung wurden die Badeschiffe in das neue Donaubett übersiedelt und um Liegeflächen am Ufer ausgeweitet, da das Baden immer mehr zum Freizeitvergnügen geriet.
Höhepunkt dieser Entwicklung war der endgültige Schritt vom Schiff an Land durch die Etablierung des Gänsehäufls im Altarm der Donau. Die Schwimmkörbe waren nicht mehr notwendig, und anstatt sich stehend vom strömenden Wasser umspülen zu lassen, begannen die Badegäste, dem Geist der Moderne folgend, schwimmend das stehende Gewässer zu durchqueren. Auch im Donaukanal waren nach dem Bau des Hauptsammelkanals um 1900 Strombadeschiffe gelegt worden, die „von den Anhängern des Vereins ,Verkühle dich täglich' wegen der wohltuenden Eigenschaft dieser Badegattung gerne besucht wurden“, wie in einer Zeitschrift aus den 30er-Jahren zu lesen ist. Zu diesem Zeitpunkt waren noch zwei Badeschiffe in Betrieb - eines übrigens in unmittelbarer Nähe des jetzigen Standortes -, die jedoch bald außer Mode gerieten und schließlich aus den Flussläufen verschwanden.
Moderne Schwimmbadtechnik und eine Stadtpolitik, die zwar wenig konzeptuelle Planung anbietet, jedoch gegenüber privaten Investoren, die das Stadtleben bereichern, aufgeschlossen ist, machen es möglich, dass man nun wieder in der Stadt baden kann. Die „Expeditoren“ kümmerten sich um Planung, Finanzierung und Schiffsbau dieses PPP-Projektes (Public Private Partnership), während gemeindeseits in Person des Donaukanalkoordinators versucht wurde, die reibungslose Installierung inklusive aller notwendigen Genehmigungen und Infrastrukturmaßnahmen wie Wasser- und Kanalanschluss zu gewährleisten. Schiffe sind keine Bauwerke und unterliegen daher nicht den strengen Wiener Bauvorschriften, und so konnte im Schatten der gläsernen „Leuchttürme“ von Stararchitekten am Schlagbrückenufer des Donaukanals ein Stück unprätentiöser Stadtmöblierung entstehen, das in seiner zweckorientierten Einfachheit einen sympathischen Kontrapunkt bietet. Das Badeschiff, das unter Federführung des Designers Retus Wetter von den Betreibern selbst „im Kollektiv“ geplant und in der Nähe von Berlin gefertigt wurde, besteht aus zwei ausgedienten Schubleichtern aus schwarzem Stahl, die über einen Steg miteinander verbunden und mit Rohrstangen an der Kaimauer befestigt sind. Das Schwimmbecken ist in einen der Schiffsrümpfe eingelassen, wobei lediglich ein rundum laufendes Geländer und ein Meter Höhenunterschied das klare Pool- vom trüben Kanalwasser trennen. Das angedockte Versorgungsschiff, das man vom Rotenturmufer her über eine Gangway betritt, ist ein Mittelding zwischen Containerschiff und Hausboot: Eine uferseits mit Blech verkleidete Holzkonstruktion unterteilt in ein Oberdeck mit Gastronomie, Garderoben und Zugang zum Pool und in ein Sonnendeck mit Liegestühlen, teilweise beschattet mit orangen Sonnenschirmen.
Das „Salondeck“ ist im Bauch des ganzjährig am Franz-Josefs-Kai liegenden Schiffes untergebracht und wird in der kalten Jahreszeit als Lokal dienen, wenn die Gäste nicht im Badegewand, sondern eher im Ölzeug an Bord gehen (der Verein „Verkühle dich täglich“ existiert ja leider nicht mehr!).
Aber noch ist Sommer, und ab acht Uhr in der Früh kann um 2,50 Euro im 30 Meter langen Becken geschwommen werden. Geöffnet ist bis 24 Uhr, ein „Badeschluss“, von dem man im städtischen Bad nur träumen kann. Es ist ein spezielles urbanes Erlebnis, wenn man nächtens mitten in der Stadt ins Wasser hüpfen und neben dem Schnellboot nach Pressburg herschwimmen kann. Durch die tiefe Lage im Kanalbecken nimmt man die vorbeiführenden Durchzugsstraßen nicht wahr, sondern entdeckt die Stadt aus der Entenperspektive: Man schaut auf die sprudelnde Heckwasserströmung, sieht unter der Aspernbrücke hindurch auf den Pavillon des Hermannstrandes mit den Lichtern des Wurstelpraters im Hintergrund und über der Brücke auf die Urania rechts und auf die Fassaden-Lichtspiele des Uniqatowers links. Das versöhnt mit 30 Grad heißen Abenden und unbarmherzig aufgeheizten Wohnungen.
Es sind vergleichsweise kleine Maßnahmen wie ein Badesschiff, die eine Stadt lebenswert machen und die Abwanderung der Wohnbevölkerung in den „Speckgürtel“ verhindern können, und die Stadtverwaltung tut gut daran, solche Initiativen zu unterstützen. Urbanität heißt nicht, eine möglichst hohe PKW-Frequenz zu erzeugen, um die Schanigärten der Innenstadt zu füllen, denn dieses Bad ist auch ohne Stellplatznachweis voll. Urbanität heißt, die Stadt im Fluss zu halten und dafür ist das Badeschiff Wien eine gelungene konkrete Metapher.
Wem die Ufer des Entlastungsgerinnes der Donau zu weit und die Lokale an dessen Strandmeile „Copa Cagrana“ zu voll sind, kann sich bereits seit einigen Jahren bei der „Summerstage“ an der Rossauer Lände unter Pappeln und Weiden ans grüne Ufer des Donaukanals setzen. Ein wenig flussabwärts wurde das Angebot an Lokalen am Wasser um zwei Attraktionen erweitert: Am sogenannten Stadtstrand „Adria Wien“ bei der Salztorbrücke und bei „Hermanns Strandbar“ an der Wienflussmündung lässt es sich im Liegestuhl am aufgeschütteten Sand mit kühlen Getränken und leichten Speisen gut entspannen. Was zur Entstehung eines „echten“ Strandgefühls allerdings bislang fehlte, war die Möglichkeit, im Gewässer selbst Abkühlung zu finden. Das ist jetzt anders: Wenn man von der Aspernbrücke hinabschaut, strahlt einem neuerdings im Braungrün des Donaukanals eine pooltürkise Wasserfläche entgegen, die eindeutig zum Schwimmen auffordert. Am Franz-Josefs-Kai ist das „Badeschiff Wien“ vor Anker gegangen, das wie ein Rettungsboot für die in der Innenstadt arbeitende und wohnende Bevölkerung wirkt.
Vier Jahre lang haben die Betreiber der „Expedit-Betriebsges.m.b.H“, die bereits mit dem Speisenangebot ihres Innenstadtlokals und der „Adria-Wien“-Initiative versuchten, mediterrane Stimmung in der Binnenstadt Wien zu verbreiten, benötigt, um die Idee eines Wasserzugangs für die Gäste der „Stadtstrände“ in Form eines Badeschiffes zu realisieren. Die Vorbilder hierfür fanden sich dabei nicht nur in Berlin, wo seit zwei Jahren ein Badeschiff an der Spree vertäut ist und sich großer Beliebtheit erfreut, sondern natürlich in Wien selbst, wo seit dem späten 18. Jahrhundert in das kalte Flusswasser der noch unregulierten Donau Badeflöße mit eingelassenen korbähnlichen Gitterkästen gesetzt wurden. Vom Wiener Arzt Pascal Joseph von Ferro 1781 aus Hygienegründen und zur Krankheitsprophylaxe entwickelt, wurde diese Form der Badeschiffe im frühen 19. Jahrhundert als „Armenbäder“ staatlich institutionalisiert und deren kostenlose Nutzung der Bevölkerung empfohlen. Nach der Donauregulierung wurden die Badeschiffe in das neue Donaubett übersiedelt und um Liegeflächen am Ufer ausgeweitet, da das Baden immer mehr zum Freizeitvergnügen geriet.
Höhepunkt dieser Entwicklung war der endgültige Schritt vom Schiff an Land durch die Etablierung des Gänsehäufls im Altarm der Donau. Die Schwimmkörbe waren nicht mehr notwendig, und anstatt sich stehend vom strömenden Wasser umspülen zu lassen, begannen die Badegäste, dem Geist der Moderne folgend, schwimmend das stehende Gewässer zu durchqueren. Auch im Donaukanal waren nach dem Bau des Hauptsammelkanals um 1900 Strombadeschiffe gelegt worden, die „von den Anhängern des Vereins ,Verkühle dich täglich' wegen der wohltuenden Eigenschaft dieser Badegattung gerne besucht wurden“, wie in einer Zeitschrift aus den 30er-Jahren zu lesen ist. Zu diesem Zeitpunkt waren noch zwei Badeschiffe in Betrieb - eines übrigens in unmittelbarer Nähe des jetzigen Standortes -, die jedoch bald außer Mode gerieten und schließlich aus den Flussläufen verschwanden.
Moderne Schwimmbadtechnik und eine Stadtpolitik, die zwar wenig konzeptuelle Planung anbietet, jedoch gegenüber privaten Investoren, die das Stadtleben bereichern, aufgeschlossen ist, machen es möglich, dass man nun wieder in der Stadt baden kann. Die „Expeditoren“ kümmerten sich um Planung, Finanzierung und Schiffsbau dieses PPP-Projektes (Public Private Partnership), während gemeindeseits in Person des Donaukanalkoordinators versucht wurde, die reibungslose Installierung inklusive aller notwendigen Genehmigungen und Infrastrukturmaßnahmen wie Wasser- und Kanalanschluss zu gewährleisten. Schiffe sind keine Bauwerke und unterliegen daher nicht den strengen Wiener Bauvorschriften, und so konnte im Schatten der gläsernen „Leuchttürme“ von Stararchitekten am Schlagbrückenufer des Donaukanals ein Stück unprätentiöser Stadtmöblierung entstehen, das in seiner zweckorientierten Einfachheit einen sympathischen Kontrapunkt bietet. Das Badeschiff, das unter Federführung des Designers Retus Wetter von den Betreibern selbst „im Kollektiv“ geplant und in der Nähe von Berlin gefertigt wurde, besteht aus zwei ausgedienten Schubleichtern aus schwarzem Stahl, die über einen Steg miteinander verbunden und mit Rohrstangen an der Kaimauer befestigt sind. Das Schwimmbecken ist in einen der Schiffsrümpfe eingelassen, wobei lediglich ein rundum laufendes Geländer und ein Meter Höhenunterschied das klare Pool- vom trüben Kanalwasser trennen. Das angedockte Versorgungsschiff, das man vom Rotenturmufer her über eine Gangway betritt, ist ein Mittelding zwischen Containerschiff und Hausboot: Eine uferseits mit Blech verkleidete Holzkonstruktion unterteilt in ein Oberdeck mit Gastronomie, Garderoben und Zugang zum Pool und in ein Sonnendeck mit Liegestühlen, teilweise beschattet mit orangen Sonnenschirmen.
Das „Salondeck“ ist im Bauch des ganzjährig am Franz-Josefs-Kai liegenden Schiffes untergebracht und wird in der kalten Jahreszeit als Lokal dienen, wenn die Gäste nicht im Badegewand, sondern eher im Ölzeug an Bord gehen (der Verein „Verkühle dich täglich“ existiert ja leider nicht mehr!).
Aber noch ist Sommer, und ab acht Uhr in der Früh kann um 2,50 Euro im 30 Meter langen Becken geschwommen werden. Geöffnet ist bis 24 Uhr, ein „Badeschluss“, von dem man im städtischen Bad nur träumen kann. Es ist ein spezielles urbanes Erlebnis, wenn man nächtens mitten in der Stadt ins Wasser hüpfen und neben dem Schnellboot nach Pressburg herschwimmen kann. Durch die tiefe Lage im Kanalbecken nimmt man die vorbeiführenden Durchzugsstraßen nicht wahr, sondern entdeckt die Stadt aus der Entenperspektive: Man schaut auf die sprudelnde Heckwasserströmung, sieht unter der Aspernbrücke hindurch auf den Pavillon des Hermannstrandes mit den Lichtern des Wurstelpraters im Hintergrund und über der Brücke auf die Urania rechts und auf die Fassaden-Lichtspiele des Uniqatowers links. Das versöhnt mit 30 Grad heißen Abenden und unbarmherzig aufgeheizten Wohnungen.
Es sind vergleichsweise kleine Maßnahmen wie ein Badesschiff, die eine Stadt lebenswert machen und die Abwanderung der Wohnbevölkerung in den „Speckgürtel“ verhindern können, und die Stadtverwaltung tut gut daran, solche Initiativen zu unterstützen. Urbanität heißt nicht, eine möglichst hohe PKW-Frequenz zu erzeugen, um die Schanigärten der Innenstadt zu füllen, denn dieses Bad ist auch ohne Stellplatznachweis voll. Urbanität heißt, die Stadt im Fluss zu halten und dafür ist das Badeschiff Wien eine gelungene konkrete Metapher.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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