Artikel

Darf ich Ihren Energieausweis sehen?
Der Standard

Sanierung ist ein Stiefkind der Bauwirtschaft. Dabei gäbe es in Österreich genug Handlungsbedarf - allein im Bereich der energetischen Sanierung. Experten hoffen auf ein Umdenken durch den in Kürze verpflichtenden Energieausweis für Gebäude.

9. Dezember 2006 - Anne Isopp
Beim Kauf eines Kühlschrankes sollte man auf einen geringen Stromverbrauch achten. Dies schont nicht nur die Umwelt, sondern reduziert auch die laufenden Betriebskosten. Klassifizierungen helfen dem Konsumenten bei der richtigen Wahl. Das, was sich bei Haushaltsgeräten schon vor einigen Jahren durchgesetzt hat, soll nun auch für Gebäude folgen. Ab Anfang 2008 ist der Energieausweis für Neubauten verpflichtend, ab Anfang 2009 dann auch für Bestandsgebäude. Experten hoffen, dass Mieter und Käufer dann nur noch zu Wohnungen greifen, die die definierten Qualitätskriterien erfüllen.

„Alle, die in unsanierten Häusern leben, müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihre Wohnungen in zehn Jahren nicht mehr zu verkaufen sein werden“, droht Thomas Malloth, Obmann des Fachverbandes der Immobilientreuhänder. Seit der Einführung der Energie-Effizienzklasse sind Haushaltsgeräte mit schlechter Wertung quasi vom Markt verschwunden. Sollte der Energieausweis für Gebäude ähnliche Wirkung zeigen, dann müsste der Sanierungsmarkt in Bälde boomen. Vorerst nimmt der Sanierungsanteil mit 1,37 Milliarden Euro nur knapp zehn Prozent der österreichischen Gesamtbauproduktion ein. Allein für die Umsetzung des Kioto-Protokolls wird es notwendig sein, die Sanierungsrate von derzeit rund ein Prozent des gesamten Bestandes auf mindestens zwei anzuheben. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf Eigenheime gelegt werden.

Lieber gleich tief . . .

Gerade bei Dienstleistungsgebäuden mangelt es an energieeffizienten Bauweisen. Bauherren legen meist ein größeres Augenmerk auf die Investitions- als auf die späteren Betriebskosten. Dabei machen die Investitionskosten nur 20 bis 25 Prozent der gesamten Kosten aus, die im Laufe eines Gebäudelebens relevant werden. Der große Brocken entsteht erst nach Fertigstellung durch Betrieb und Instandhaltung.

Werner Kreilinger von dem auf Bauherrenberatung spezialisierten Unternehmen Bene Consulting betrachtet mit seinen Kunden daher nicht nur die Investitionskosten, sondern die gesamten Lebenszykluskosten für ein geplantes Objekt. „Wir rechnen dem Kunden aus, was es ihn Jahr für Jahr kosten wird, und sagen ihm, dass er lieber vorn etwas mehr Geld in die Hand nehmen soll.“ Die Zusatzkosten werde er schnell wieder einholen können.

„Die gängige Bauweise von Bürogebäuden ist durch Glas-architektur und den Bedarf an hoher Flexibilität geprägt“, sagt Margot Grim von ecofacility, „großflächige Glasfassaden ohne Berücksichtigung eines effizienten, außen liegenden Verschattungssystems führen dazu, dass der Wärmebedarf im Winter und der Kühlbedarf im Sommer immens steigen.“ Da durch eine vorausschauende Planung die Betriebskosten deutlich reduziert werden können, unterstützt das klima:aktiv-Programm ecofacility Bauherren und Planer in der Planungs- und Umsetzungsphase.

. . . in die Tasche greifen

Das Firmengebäude der Drexel und Weiss GmbH, ein Gewerbebau aus den 60er-Jahren, ist ein gern genanntes Beispiel: Vor Kurzem wurde es saniert und weist nun Passivhausstandard auf. Die Energiekennzahlen konnten dabei von 200 auf zehn kWh pro Quadratmeter und Jahr runtergeschraubt werden. Das Projekt wurde mit dem Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2006 ausgezeichnet.

Ein weiteres vorbildliches Sanierungsbeispiel stammt aus Salzburg. Architekt Michael Strobl baute in Zusammenarbeit mit Trauner Architekten sowie Bach Architekten ein Gebäude aus den 60er-Jahren um. Die Zentrale der Bausparkasse Wüstenrot AG wurde mit neuer Dämmung und neuer Glashaut überzogen, gleichzeitig wurden alle Fenster ausgetauscht. Fazit: 60 Prozent Energieersparnis. Um auch die Kühlkosten zu reduzieren und blendfreie Arbeitsplätze zu garantieren, ist das Gebäude von einem Streckmetallgewebe umhüllt. Von jedem Raum aus kann man die außenliegenden Gitter nach oben oder unten fahren.

40 verschiedene Firmen waren mit der Ausführung des Baus beschäftigt. Genau dies ist ein weiteres Argument für Sanierungen: Laut Johannes Lahofer, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes, schafft eine Milliarde Euro in der Sanierung mindestens 20.000 Arbeitsplätze.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: