Artikel
Spuren eines Schweizer Zuwanderers in Portugal
Eine architektonische «Korrodi-Route» in Leiria
Der aus Zürich stammende Architekt Ernst Korrodi ist in der Schweiz praktisch unbekannt. Einen Namen machte er sich jedoch in Portugal, wo er über 50 Jahre lang lebte. In seiner Wahlheimat Leiria kommt sein Werk jetzt bei einer «Korrodi- Route» zu Ehren.
22. Dezember 2006 - Thomas Fischer
Von der Nationalstrasse zwischen Lissabon und Porto aus ist das medievale Gemäuer nicht zu übersehen. Majestätisch thront die trutzige Burg mit ihrer gotischen Loggia über der in jüngerer Zeit chaotisch gewachsenen Bischofsstadt Leiria, rund 20 Minuten vom Wallfahrtsort Fátima entfernt. Vor 100 Jahren lag die Burg in Ruinen. Ihre Restaurierung erfolgte nach Plänen des Schweizer Architekten Ernst Korrodi (1870 bis 1944), der mit diesem und mehr als 30 anderen Bauprojekten das Bild der Stadt prägte wie kein anderer Architekt seiner Zeit. Als jungen Mann zog es den Sohn eines Zürcher Lehrers nach Portugal, wo er zwischen Chaves im hohen Norden und der Südregion Algarve über 400 Projekte für öffentliche, private und kirchliche Auftraggeber umsetzte. Seinen Lebensmittelpunkt hatte der Eklektiker in Leiria, wo die Gemeinde vor eineinhalb Jahren nun eine «Korrodi-Route» lancierte.
Vom Zeichner zum Architekten
Ausgetüftelt wurde der Streifzug von der Historikerin Genoveva Oliveira. Sie führt selber Schulklassen, Gruppen von Studenten oder Architekten wie auch Touristen zu den vom Historismus geprägten, aber oft von Jugendstil oder Art déco angehauchten Werken des Zuwanderers, der kein gelernter Architekt war, sondern diesen Grad 1926 zugesprochen bekam. Anfangs interessierte sich die Lehrerin auch weniger für den Architekten als für den sozial engagierten Humanisten Korrodi, der in Zürich ein Studium als Zeichner absolvierte, ehe er 1889 über die portugiesische Botschaft in der Schweiz eine Stelle als Lehrer für Industriedesign im nordportugiesischen Braga erhielt. Viereinhalb Jahre später wechselte der republikanisch eingestellte Protestant nach Leiria, wo er die Schwester eines katholischen Klerikers heiratete und unter anderem eine Bewegung für das Recht der Landbevölkerung auf die Sonntagsruhe ins Leben rief.
In Schriften und Artikeln profilierte er sich als Befürworter des Denkmalschutzes, dessen Bedeutung «manche Leute bis heute nicht erkannt haben», wie Genoveva Oliveira ironisierend bemerkt. 1899 veröffentlichte er seine «Studien für die Rekonstruktion der Burg von Leiria». Für die Finanzierung dieses Vorhabens gründete er 1915 die «Liga der Freunde der Burg». Schon 1927 rühmte ein portugiesischer Reiseführer überschwänglich den Einsatz des «illustren Architekten Ernesto Korrodi», der sich vom Meister Violet-le-Duc (1814 bis 1879) inspirieren liess. So entstand auf dem Burghügel ein Zwischending aus Wiederaufbau und Rückkehr in eine imaginäre Vergangenheit.
Korrodis Häuser verraten den Einfluss des portugiesischen Architekten Raul Lino (1879 bis 1974), der die authentische «casa portuguesa» mit Elementen von Gotik, Mudéjar-Stil, Renaissance und Naturalismus idealisierte. Für den Bau von Villen in Leiria liess sich der Schweizer Autodidakt mal vom manuelinischen Stil des 16. Jahrhunderts inspirieren, mal vom regionalen Stil des 18. Jahrhunderts. Nach Korrodis Plänen entstanden aber auch mehrstöckige Wohn- und Geschäftshäuser. Charakteristisch ist an den Fenstern der diskret geschwungene Dekor aus einer von Korrodi gegründeten Steinmetzwerkstatt, die rasch landesweiten Ruhm fand.
Architekten-Dynastie
Gemeinsam mit dem portugiesischen Architekten José Theriaga entwarf Korrodi das 1910 eingeweihte Rathaus. Im Jahr 1924 konzipierte er die fünf Jahre später eröffnete Filiale der nationalen Zentralbank (Banco de Portugal), die auf den ersten Blick wie ein barockes Relikt wirkt. 1929 war ein vom Schweizer Zuwanderer konzipierter Umbau eines ehemaligen Konventes zum Mercado (Markt) de Santana fertig. Zuvor hatte Korrodi schon für den Umbau eines anderen Konventes zum Mühlwerk verantwortlich gezeichnet und sich in der Kathedrale von Leiria mittels dreier italienisch inspirierter Grabplatten für ehemalige Bischöfe verewigt.
Korrodi war aber auch viel unterwegs. Auslandreisen führten ihn nach Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland und in die Schweiz, die er 1939 das letzte Mal besuchte. Seine letzte Ruhe fand er, gemäss seinem eigenen Wunsch, in Leiria, wo er unterhalb der Burg begraben liegt. Als Architekt machte sich übrigens auch sein Sohn Camilo (1905 bis 1985) einen Namen. Ein Urenkel von Ernesto Korrodi lebt in Leiria bis heute in der Villa Hortênsia, 1905 als Residenz des Architekten und seiner Familie erbaut. Für ihre vor einigen Jahren erfolgte Restaurierung erhielt ihr heutiger Bewohner, Miguel Korrodi Ritto, 2004 den Korrodi-Preis, den die Stadt seither alle zwei Jahre vergeben will.
Vom Zeichner zum Architekten
Ausgetüftelt wurde der Streifzug von der Historikerin Genoveva Oliveira. Sie führt selber Schulklassen, Gruppen von Studenten oder Architekten wie auch Touristen zu den vom Historismus geprägten, aber oft von Jugendstil oder Art déco angehauchten Werken des Zuwanderers, der kein gelernter Architekt war, sondern diesen Grad 1926 zugesprochen bekam. Anfangs interessierte sich die Lehrerin auch weniger für den Architekten als für den sozial engagierten Humanisten Korrodi, der in Zürich ein Studium als Zeichner absolvierte, ehe er 1889 über die portugiesische Botschaft in der Schweiz eine Stelle als Lehrer für Industriedesign im nordportugiesischen Braga erhielt. Viereinhalb Jahre später wechselte der republikanisch eingestellte Protestant nach Leiria, wo er die Schwester eines katholischen Klerikers heiratete und unter anderem eine Bewegung für das Recht der Landbevölkerung auf die Sonntagsruhe ins Leben rief.
In Schriften und Artikeln profilierte er sich als Befürworter des Denkmalschutzes, dessen Bedeutung «manche Leute bis heute nicht erkannt haben», wie Genoveva Oliveira ironisierend bemerkt. 1899 veröffentlichte er seine «Studien für die Rekonstruktion der Burg von Leiria». Für die Finanzierung dieses Vorhabens gründete er 1915 die «Liga der Freunde der Burg». Schon 1927 rühmte ein portugiesischer Reiseführer überschwänglich den Einsatz des «illustren Architekten Ernesto Korrodi», der sich vom Meister Violet-le-Duc (1814 bis 1879) inspirieren liess. So entstand auf dem Burghügel ein Zwischending aus Wiederaufbau und Rückkehr in eine imaginäre Vergangenheit.
Korrodis Häuser verraten den Einfluss des portugiesischen Architekten Raul Lino (1879 bis 1974), der die authentische «casa portuguesa» mit Elementen von Gotik, Mudéjar-Stil, Renaissance und Naturalismus idealisierte. Für den Bau von Villen in Leiria liess sich der Schweizer Autodidakt mal vom manuelinischen Stil des 16. Jahrhunderts inspirieren, mal vom regionalen Stil des 18. Jahrhunderts. Nach Korrodis Plänen entstanden aber auch mehrstöckige Wohn- und Geschäftshäuser. Charakteristisch ist an den Fenstern der diskret geschwungene Dekor aus einer von Korrodi gegründeten Steinmetzwerkstatt, die rasch landesweiten Ruhm fand.
Architekten-Dynastie
Gemeinsam mit dem portugiesischen Architekten José Theriaga entwarf Korrodi das 1910 eingeweihte Rathaus. Im Jahr 1924 konzipierte er die fünf Jahre später eröffnete Filiale der nationalen Zentralbank (Banco de Portugal), die auf den ersten Blick wie ein barockes Relikt wirkt. 1929 war ein vom Schweizer Zuwanderer konzipierter Umbau eines ehemaligen Konventes zum Mercado (Markt) de Santana fertig. Zuvor hatte Korrodi schon für den Umbau eines anderen Konventes zum Mühlwerk verantwortlich gezeichnet und sich in der Kathedrale von Leiria mittels dreier italienisch inspirierter Grabplatten für ehemalige Bischöfe verewigt.
Korrodi war aber auch viel unterwegs. Auslandreisen führten ihn nach Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland und in die Schweiz, die er 1939 das letzte Mal besuchte. Seine letzte Ruhe fand er, gemäss seinem eigenen Wunsch, in Leiria, wo er unterhalb der Burg begraben liegt. Als Architekt machte sich übrigens auch sein Sohn Camilo (1905 bis 1985) einen Namen. Ein Urenkel von Ernesto Korrodi lebt in Leiria bis heute in der Villa Hortênsia, 1905 als Residenz des Architekten und seiner Familie erbaut. Für ihre vor einigen Jahren erfolgte Restaurierung erhielt ihr heutiger Bewohner, Miguel Korrodi Ritto, 2004 den Korrodi-Preis, den die Stadt seither alle zwei Jahre vergeben will.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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