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Bauen Wohnen Forschen
Klassische moderne Architektur ist untrennbar mit Innovation verbunden: durch neue Baumaterialien wie Stahl, Glas und Beton, neue Bautechniken wie Fertigbau, neue Bautypen wie sozialen Wohnbau und neue Baukonzepte wie die Gartenstadt oder den Hochhauscluster. Heute, in der so genannten Zweiten Moderne, sieht das anders aus.
27. Januar 2007 - Robert Temel
Die Innovationen der Hochzeit der architektonischen Moderne bis in die 1930er-Jahre waren möglich durch die Kooperation von Architekten, Bauunternehmern und Industrie. In einer späteren Phase der modernen Architektur, den 1960er- und 70er-Jahren, wurde der damals so genannte „Bauwirtschaftsfunktionalismus“, also die massenhafte Vulgarisierung der Moderne in Form schlechter Bauten, heftiger Kritik unterzogen. Auch das war wieder eine Zeit der Erneuerung: Nun standen etwa Formen des Städtischen, die Weiterentwicklung des industrialisierten Bauens und die Partizipation, also die Beteiligung der zukünftigen Benützer an der Planung, auf der Agenda.
Heute scheint es zwischen Bauen und Innovation keine direkte Verbindung mehr zu geben, wenn man von neuen Fassadenlösungen für Auto- und sonstige Museen absieht. Der Wohnbauforscher Wolfgang Amann stellte kürzlich in einer Studie zum Thema fest, dass die gesamtösterreichische Forschungsquote im vergangenen Jahr bei 2,43 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag, während die Bauwirtschaft bei 0,24 Prozent, also einem Zehntel, dahindümpelt.
Das ist bei einer Branche mit derartiger Bedeutung - immerhin ein Zehntel der österreichischen Wirtschaftsleistung - ein Problem. Es geht beileibe nicht nur um neue Betonarten oder Ziegelformen. Amann unterteilt die Bauwirtschaft in vier Bereiche: die bauausführende Wirtschaft, also Baugewerbe und Bauindustrie, wozu Unternehmen wie Strabag und Porr zählen; die Bauprodukte-Lieferanten von Wienerberger bis Eckelt Glas, von Waagner-Biró Stahlbau bis Zumtobel; die Bauträger, Architekten, Planer und Ingenieure; und schließlich immobilienbezogene Dienstleistungen wie Verwalter, Makler, Facility Management und Finanzierung.
Nach dieser Aufzählung überaus innovativer Unternehmen mag es überraschen, dass Forschung in der Branche ein Nischendasein fristet. Schließlich gibt es einige Felder, in denen die österreichischen Anbieter besonders stark sind. Dazu zählen das energieeffiziente und nachhaltige Bauen etwa in Form von Passivhäusern, Solartechnologie, die Neue Österreichische Tunnelbaumethode oder der Holzbau. Die positiven Beispiele zeigen, welche Möglichkeiten in einer Weiterentwicklung der Bauwirtschaft lägen. Im Durchschnitt über alle Marktteilnehmer gerechnet lässt die Innovationskraft allerdings zu wünschen übrig, wie ein Blick auf eine durchschnittliche österreichische Baustelle deutlich macht.
Wolfgang Amann relativiert die geringe Forschungsquote durch den Hinweis auf die europaweit vergleichbare niedrige Innovationsbereitschaft in der Baubranche. Was fehlt, ist auch ein positives Bild von Innovation, sagt er: „Verfahren der öffentlichen Hand wie der Wiener Bauträgerwettbewerb könnten von den Unternehmen viel stärker als Anlass für Forschung und Entwicklung genützt werden.“
Auch der Blick auf den Teilbereich der architektonischen Planung bringt nichts Besseres zutage: Forschung ist in der österreichischen Architektur kein zentrales Thema, wenn man die Entwicklungsarbeit, die Architekten im Rahmen ihrer Planungstätigkeit jeden Tag leisten, nicht dazuzählen will. Die ehemals sehr wichtige Wohnbauforschung führt seit 1988, als sie von der Bundes- in die Länderzuständigkeit wechselte, ein Mauerblümchendasein. Das Defizit wird auch im aktuellen Baukulturreport an die österreichische Bundesregierung thematisiert, der den Begriff Baukultur endlich ganzheitlich betrachtet und sich nicht nur auf die Architektensicht beschränkt. Der Report fordert massive Investitionen in Forschung und Entwicklung im Planungs- und Baubereich. Und dabei kann es nicht nur um Innovation im Hinblick auf Materialien und Bauabläufe gehen, sondern ebenso wichtig ist Forschung zu Planungsprozessen und Nutzungsformen. Die Architekturforscherin Edeltraud Haselsteiner formuliert das so: „Wesentlich für einen Innovationsschub im Baubereich ist das Einbeziehen der gesamten Wertschöpfungskette, von den Planern, Produzenten und Ausführenden bis zu den Nutzern.“ Zum Erfolg braucht es einerseits die klare Orientierung am Bedarf und andererseits die Kooperation quer durch die Sektoren. Wenn Bauunternehmen, Hersteller und Architekten getrennt voneinander forschen, ist die Effektivität jedenfalls drastisch reduziert.
Einen ersten Schritt in die richtige Richtung setzte die Forschungsförderungsgesellschaft FFG im vergangenen Herbst, indem sie die „Brancheninitiative Bauwirtschaft“ startete. Die bisher etwa sechs Millionen Euro Forschungsförderung, die pro Jahr in den Baubereich fließen, sollen nun verdoppelt werden. Die Initiative bewegt sich allerdings ausschließlich im Rahmen der bestehenden Programme, ohne eigene Angebote speziell für die Bauforschung.
Ergänzende Schritte scheinen nötig, wenn die hiesige Bauwirtschaft sich im europäischen Kontext behaupten will. Peter Kremnitzer von Porr, Koordinator der von den Forschungsnutzern ins Leben gerufenen Austrian Construction Technology Platform, meint, dass die vorhandenen Förderangebote von der Branche zu wenig ausgenützt werden. Ein besonderes Problem ist die kleinteilige Strukturierung der Bauwirtschaft, die Forschungsinvestitionen sehr schwierig macht: „Die Lösung dafür sind Cluster von kleinen und mittleren Unternehmen wie beispielsweise die Holzcluster in vielen österreichischen Bundesländern.“ Durch derartige Zusammenschlüsse kann die kritische Größe für Forschungsprojekte erreicht werden. Aus seiner Sicht ist außerdem das aktuelle Vergaberecht in Österreich nicht gerade innovationsfreundlich, weil es - jedenfalls in seiner üblichen Anwendung - auf konservative Standardlösungen setzt und innovative Alternativvorschläge bestraft.
Der Betonproduzent Wolfgang Rieder gibt eine Perspektive vor: „Um weiterbestehen zu können, wenn die österreichische Bauleistung langfristig auf den um zwei Prozent niedrigeren EU-Schnitt sinkt, müssen wir innovativ sein und exportieren.“ Er setzt mit seinen Produkten auf Nachhaltigkeit durch längere Lebensdauer und durch die Verwendung natürlicher Beschichtungen. Rieder konnte sich mit einer neuen Produktlinie für Faserbeton innerhalb weniger Jahre international positionieren, liefert heute in Länder von Neuseeland bis USA und baut mit Architekturstars wie Zaha Hadid und Norman Foster.
Heute scheint es zwischen Bauen und Innovation keine direkte Verbindung mehr zu geben, wenn man von neuen Fassadenlösungen für Auto- und sonstige Museen absieht. Der Wohnbauforscher Wolfgang Amann stellte kürzlich in einer Studie zum Thema fest, dass die gesamtösterreichische Forschungsquote im vergangenen Jahr bei 2,43 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag, während die Bauwirtschaft bei 0,24 Prozent, also einem Zehntel, dahindümpelt.
Das ist bei einer Branche mit derartiger Bedeutung - immerhin ein Zehntel der österreichischen Wirtschaftsleistung - ein Problem. Es geht beileibe nicht nur um neue Betonarten oder Ziegelformen. Amann unterteilt die Bauwirtschaft in vier Bereiche: die bauausführende Wirtschaft, also Baugewerbe und Bauindustrie, wozu Unternehmen wie Strabag und Porr zählen; die Bauprodukte-Lieferanten von Wienerberger bis Eckelt Glas, von Waagner-Biró Stahlbau bis Zumtobel; die Bauträger, Architekten, Planer und Ingenieure; und schließlich immobilienbezogene Dienstleistungen wie Verwalter, Makler, Facility Management und Finanzierung.
Nach dieser Aufzählung überaus innovativer Unternehmen mag es überraschen, dass Forschung in der Branche ein Nischendasein fristet. Schließlich gibt es einige Felder, in denen die österreichischen Anbieter besonders stark sind. Dazu zählen das energieeffiziente und nachhaltige Bauen etwa in Form von Passivhäusern, Solartechnologie, die Neue Österreichische Tunnelbaumethode oder der Holzbau. Die positiven Beispiele zeigen, welche Möglichkeiten in einer Weiterentwicklung der Bauwirtschaft lägen. Im Durchschnitt über alle Marktteilnehmer gerechnet lässt die Innovationskraft allerdings zu wünschen übrig, wie ein Blick auf eine durchschnittliche österreichische Baustelle deutlich macht.
Wolfgang Amann relativiert die geringe Forschungsquote durch den Hinweis auf die europaweit vergleichbare niedrige Innovationsbereitschaft in der Baubranche. Was fehlt, ist auch ein positives Bild von Innovation, sagt er: „Verfahren der öffentlichen Hand wie der Wiener Bauträgerwettbewerb könnten von den Unternehmen viel stärker als Anlass für Forschung und Entwicklung genützt werden.“
Auch der Blick auf den Teilbereich der architektonischen Planung bringt nichts Besseres zutage: Forschung ist in der österreichischen Architektur kein zentrales Thema, wenn man die Entwicklungsarbeit, die Architekten im Rahmen ihrer Planungstätigkeit jeden Tag leisten, nicht dazuzählen will. Die ehemals sehr wichtige Wohnbauforschung führt seit 1988, als sie von der Bundes- in die Länderzuständigkeit wechselte, ein Mauerblümchendasein. Das Defizit wird auch im aktuellen Baukulturreport an die österreichische Bundesregierung thematisiert, der den Begriff Baukultur endlich ganzheitlich betrachtet und sich nicht nur auf die Architektensicht beschränkt. Der Report fordert massive Investitionen in Forschung und Entwicklung im Planungs- und Baubereich. Und dabei kann es nicht nur um Innovation im Hinblick auf Materialien und Bauabläufe gehen, sondern ebenso wichtig ist Forschung zu Planungsprozessen und Nutzungsformen. Die Architekturforscherin Edeltraud Haselsteiner formuliert das so: „Wesentlich für einen Innovationsschub im Baubereich ist das Einbeziehen der gesamten Wertschöpfungskette, von den Planern, Produzenten und Ausführenden bis zu den Nutzern.“ Zum Erfolg braucht es einerseits die klare Orientierung am Bedarf und andererseits die Kooperation quer durch die Sektoren. Wenn Bauunternehmen, Hersteller und Architekten getrennt voneinander forschen, ist die Effektivität jedenfalls drastisch reduziert.
Einen ersten Schritt in die richtige Richtung setzte die Forschungsförderungsgesellschaft FFG im vergangenen Herbst, indem sie die „Brancheninitiative Bauwirtschaft“ startete. Die bisher etwa sechs Millionen Euro Forschungsförderung, die pro Jahr in den Baubereich fließen, sollen nun verdoppelt werden. Die Initiative bewegt sich allerdings ausschließlich im Rahmen der bestehenden Programme, ohne eigene Angebote speziell für die Bauforschung.
Ergänzende Schritte scheinen nötig, wenn die hiesige Bauwirtschaft sich im europäischen Kontext behaupten will. Peter Kremnitzer von Porr, Koordinator der von den Forschungsnutzern ins Leben gerufenen Austrian Construction Technology Platform, meint, dass die vorhandenen Förderangebote von der Branche zu wenig ausgenützt werden. Ein besonderes Problem ist die kleinteilige Strukturierung der Bauwirtschaft, die Forschungsinvestitionen sehr schwierig macht: „Die Lösung dafür sind Cluster von kleinen und mittleren Unternehmen wie beispielsweise die Holzcluster in vielen österreichischen Bundesländern.“ Durch derartige Zusammenschlüsse kann die kritische Größe für Forschungsprojekte erreicht werden. Aus seiner Sicht ist außerdem das aktuelle Vergaberecht in Österreich nicht gerade innovationsfreundlich, weil es - jedenfalls in seiner üblichen Anwendung - auf konservative Standardlösungen setzt und innovative Alternativvorschläge bestraft.
Der Betonproduzent Wolfgang Rieder gibt eine Perspektive vor: „Um weiterbestehen zu können, wenn die österreichische Bauleistung langfristig auf den um zwei Prozent niedrigeren EU-Schnitt sinkt, müssen wir innovativ sein und exportieren.“ Er setzt mit seinen Produkten auf Nachhaltigkeit durch längere Lebensdauer und durch die Verwendung natürlicher Beschichtungen. Rieder konnte sich mit einer neuen Produktlinie für Faserbeton innerhalb weniger Jahre international positionieren, liefert heute in Länder von Neuseeland bis USA und baut mit Architekturstars wie Zaha Hadid und Norman Foster.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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