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Der Überdrüber-Bau
Der Standard

Bebaubare Flächen sind rar geworden. Als Alternative zur Verlegung von Flächen an den Stadtrand bieten sich Überbauungen von Straßen und Bahngleisen an. Damit schafft man neue Stadt quasi aus dem Nichts. Zu den genauen Kostenpunkten will leider niemand etwas sagen.

9. Juni 2007 - Robert Temel
Was tun, wenn die Stadt schlicht und einfach keine Flächen mehr hergibt? Die Antwort ist so simpel wie bewährt: Bereits in den Sechzigerjahren wurde der Pariser Bahnhof Gare Montparnasse mit Büro- und Wohnbauten überbaut. Zur gleichen Zeit entstand in New York die unterirdische Pennsylvania Station, über der sich der riesige Veranstaltungskomplex Madison Square Garden befindet. Die ersten Wiener Projekte, die derartige Überbauungskonzepte in die Realität umsetzten, waren der Franz-Josephs-Bahnhof und - viel später - die Donau-City, deren vorderste Bebauungsreihe sich über der Donauufer-Autobahn befindet. Ähnlich das Konzept für den neuen Stadtteil Monte Laa in Favoriten: Durch die Überplattung der Südosttangente entstand quasi aus dem Nichts neuer Grund und Boden für einen Wohn- und Bürokomplex über der Autobahn. Dass die Verkehrserschließung reichlich zu wünschen übrig lässt, ist ein anderes Kapitel.

In jüngster Zeit nimmt die Zahl der Projekte, die durch Überbauung neue Baugründe in der Stadt lukrieren sollen, weiter zu. In Wiens Wachstumsareal im Südosten, mitten im Stadtentwicklungsgebiet Erdberger Mais, entsteht seit Ende 2005 der Business-Stadtteil TownTown. Bis heute ist nicht geklärt, wie englische „native speakers“ zu dieser Namensgebung stehen.

Das „Fundament“ dieser neuen TownTown bildet der U-Bahn-Betriebsbahnhof Erdberg. Zur Entwicklung des ungenutzten Stadtraums darüber bildeten die Eigentümer mit der Soravia-Gruppe eine Public-Private-Partnership. Die so entstandene Gesellschaft Immobiliendevelopment Wiener Stadtwerke BMG & Soravia AG erhielt das Grundstück des Bahnhofs von den Wiener Linien und sicherte ihnen im Gegenzug die Nutzung der U-Bahn-Infrastruktur durch grundbücherlich festgelegte Servitutsrechte zu. „Durch die Überplattung entsteht de facto ein neues Baugrundstück“, sagt Vorstand Erwin Soravia, „bei entsprechender Top-Lage, wie sie im Projekt TownTown jedenfalls gegeben ist, wird der Nachteil der relativ hohen Plattenkosten kompensiert.“

Was kostet eine Platte?

TownTown liegt verkehrsgünstig an der Kreuzung von Flughafenautobahn und Südosttangente. Die fußläufige Frequenz wird - das ist absehbar - nicht außerordentlich hoch sein. Die aufwändige Bauweise macht das Projekt komplex: „Die Umsetzung erfordert in der Planungs- und Ausführungsphase entsprechendes Know-how.“ Auf die Rendite habe die teure Überplattung jedenfalls keine Auswirkungen, so Soravia. Das ist schwer zu glauben. Doch über konkrete Zahlen und Fakten, die die Milchmädchenrechnung etwas transparenter machen könnten, wolle man sich zurzeit nicht äußern.

In rechtlicher Hinsicht ist die Situation vergleichbar mit dem lange umstrittenen Immobilienprojekt über dem Bahnhof Wien Mitte. Der Bau soll heuer beginnen. Eigentümerin ist die Wien Mitte Immobilien GmbH, die für die Bahnhofsnutzerin ÖBB im Grundbuch ebenfalls Servitutsrechte fixiert hat. Diese beinhalten hauptsächlich Wege- und Leitungsrechte, wobei unzählige Eventualitäten vorab zu klären sind.

Doch was passiert im Falle eines Verkaufs oder einer Nutzungsänderung? Thomas Jakoubek, Vorstand des Projektentwicklers BAI Bauträger Austria Immobilien GmbH, sieht bei einem derartigen Projekt viele Nachteile: „Die Vorbereitung des Projekts, bis alle Eventualitäten abgeklärt sind, ist rechtlich sehr schwierig. Die Überbauung selbst erfordert zusätzlichen konstruktiven Aufwand im Vergleich zu konventionellen Projekten.“ Kompliziert sei auch die Technik: Alle Fluchtwege müssten auf derselben Fläche untergebracht werden. Das könne nur durch einen großen Vorteil kompensiert werden: „Erst die große Passantenfrequenz führt zusammen mit der richtigen Nutzung dazu, dass sich das Projekt überhaupt rechnet.“

Michael Satkes „Trialto“ über dem Donaukanal ist ebenfalls eine zweifache Nutzung derselben städtischen Grundfläche, wenngleich man lieber von einer „Brückengruppe“ denn von einer einer simplen Überplattung spricht. Trialto soll sowohl öffentlichen Raum schaffen, als auch Gastronomie- und Verkaufsflächen anbieten. Die hohen Konstruktionskosten werden dadurch kompensiert, dass keine Grundkosten anfallen. Billig wird die Miete jedenfalls auch dort nicht sein.

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