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Wahrzeichen - oder auch Musentempel?
Grundsteinlegung für die neue Elbphilharmonie in Hamburg
25. Juni 2007 - Marcus Stäbler
Die gleissenden Sonnenstrahlen verliehen dem sanft gekräuselten Elbwasser im Hamburger Hafen ein pittoreskes Glitzern; und selbst die Möwen wirkten stilecht in die frische Brise hineinchoreografiert. Für einen Moment schien es so, als sei sich die Natur draussen der Bedeutung jener Inszenierung bewusst, die zeitgleich im Inneren des Kaispeichers A stattfand: Dort vollzog Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust vor geladenen Gästen nun die Grundsteinlegung für den Bau der geplanten Elbphilharmonie. Mit dem symbolischen Akt läutete er die entscheidende Phase eines langwierigen Prozesses ein, an dessen Ende die Stadt Hamburg nicht bloss einen neuen Konzertsaal von Weltruf, sondern auch ein repräsentatives Wahrzeichen auf architektonischem Spitzenniveau besitzen soll: entworfen und gebaut von den renommierten Schweizer Architekten Herzog & de Meuron an einem städtebaulich spektakulären Standort in der neuen Hafen-City.
Tradition und Aufbruch
Die Idee und Konzeption des Konzertgebäudes stammt von dem Projektentwickler, Investor und Architekten Alexander Gérard und entstand im Frühjahr 2001. Zu diesem Zeitpunkt war das attraktive Grundstück am Kaiserhöft eigentlich fest für ein anderes Vorhaben reserviert: Als Herzstück der Hafen-City - mit 100 Hektaren Landfläche das grösste innerstädtische Entwicklungsprojekt in Europa - sollte hier ein Medienzentrum entstehen. Doch Gérard wusste einerseits um die für die Investoren schwierige Marktlage und wollte andererseits sowohl den Abriss des schützenswerten Kaispeichers wie auch eine strategische Fehlentwicklung vermeiden. Eine Politik, die einseitig auf hohe Grundstückserlöse ziele - so hatte er bereits im Juni 2000 gemahnt -, laufe Gefahr, die eigentlichen Belange einer urbanen Entwicklung aus dem Blick zu verlieren und eine tote Stadtentwicklung zu gebären.
Da auch der Masterplan der Hafen-City eine kulturelle Sondernutzung für den Standort am Kaiserhöft vorgesehen hatte, begann Gérard zusammen mit der Kulturprojektentwicklerin Jana Marko über eine alternative Lösung nachzudenken. Als Musikliebhaber wussten sie vom Bedarf für ein zweites Hamburger Konzerthaus. Der Grosse Saal der bestehenden Laeiszhalle stösst bei stärkeren Orchesterbesetzungen sowohl im Räumlichen wie auch im Klanglichen an seine Grenzen. Er ist nur durch einen hellhörigen Zwischenraum vom Kleinen Saal getrennt und auch deshalb in mehrerlei Hinsicht überfordert - diese Einschätzung wurde in Gesprächen mit ortsansässigen Kulturschaffenden bestärkt.
Obwohl der im Herbst 2001 neu gewählte Senat mit dem Bürgermeister Ole von Beust zunächst am geplanten Medienzentrum festhielt, blieb Gérard seiner Vision treu. Er bereiste die wichtigsten europäischen Konzertsäle, um aus den Erfahrungen der dortigen Intendanten zu lernen, und konnte die Architekten Herzog & de Meuron für sein Vorhaben gewinnen.
In einer Pressekonferenz im Juni 2003 präsentierten Gérard und Pierre de Meuron einen atemberaubenden Entwurf der Elbphilharmonie. Auf dem kantig-schmucklosen Speicher, der als Parkhaus genutzt werden soll, erhebt sich ein wellenförmiger, gläserner Aufbau von damals geplanten 61 Metern, der einerseits das hafentypische Miteinander von Quais und Wasser sowie von Tradition und Aufbruch kongenial bündelt und abbildet, andererseits aber eine assoziative Verbindung zur Musik schafft. In diesem Aufbau sollten nicht allein der zentrische, durch die Berliner Philharmonie inspirierte (und von dem Akustiker Yasuhisa Toyota mitkonzipierte) Hauptsaal für 2150 Zuschauer und ein kleiner Saal Platz finden, sondern auch Luxusapartments, ein Hotel - und eine öffentlich zugängliche Plaza.
Der Entwurf löste nahezu einhellige Begeisterung aus und bescherte dem Vorhaben den Durchbruch: Im Dezember 2003 erklärte der Bürgermeister, Hamburg wolle das Konzerthaus. Daraufhin veranstaltete Gérard im Frühjahr 2004 Hearings mit Konzertsaalplanern und Raumakustikern; er konnte zudem ein hochkarätiges Fachkuratorium mit international bedeutenden Intendanten als Berater gewinnen. Ende 2004 übertrugen Gérard und seine Investoren jedoch überraschend ihre Rechte an die Stadt, unter deren Ägide einige architektonische Veränderungen und Erweiterungen des Konzepts stattfanden. 2006 wurde Christoph Lieben-Seutter, Chef des Wiener Konzerthauses, zum Generalintendanten von Elbphilharmonie und Laeiszhalle berufen. Ende Februar 2007 schliesslich stimmte die Hamburger Bürgerschaft für den Bau, dessen auf 241,3 Millionen Euro gestiegene Gesamtkosten durch private Spenden von bisher 64,2 Millionen Euro mitgetragen werden.
Und die Musik?
Die Grundsteinlegung verlagerte das Gewicht des Projekts nun etwas einseitig auf den Hype des Wahrzeichens. Ausgerechnet der designierte Intendant kam bei der Veranstaltung nicht zu Wort; und auch das kurz zuvor erschienene Buch «Eine Vision wird Wirklichkeit» von Till Briegleb klammert den musikalischen Kontext der Entstehungsgeschichte aus - dabei zählt das künstlerisch-inhaltliche Profil zu den zentralen und meistdiskutierten Aspekten der neuen Elbphilharmonie. Ob das Bauvorhaben, wie geplant, zum Eröffnungsfestival 2010 fertig gestellt werden kann, hängt nicht zuletzt vom Wetter ab. Doch die in Hamburg traditionell wechselhaften Naturgewalten haben ja bereits unmissverständlich ihre Zustimmung signalisiert.
[ Till Briegleb: Eine Vision wird Wirklichkeit auf historischem Grund: Die Elbphilharmonie entsteht. Murmann, Hamburg 2007. 120 S., Euro 22.-. ]
Tradition und Aufbruch
Die Idee und Konzeption des Konzertgebäudes stammt von dem Projektentwickler, Investor und Architekten Alexander Gérard und entstand im Frühjahr 2001. Zu diesem Zeitpunkt war das attraktive Grundstück am Kaiserhöft eigentlich fest für ein anderes Vorhaben reserviert: Als Herzstück der Hafen-City - mit 100 Hektaren Landfläche das grösste innerstädtische Entwicklungsprojekt in Europa - sollte hier ein Medienzentrum entstehen. Doch Gérard wusste einerseits um die für die Investoren schwierige Marktlage und wollte andererseits sowohl den Abriss des schützenswerten Kaispeichers wie auch eine strategische Fehlentwicklung vermeiden. Eine Politik, die einseitig auf hohe Grundstückserlöse ziele - so hatte er bereits im Juni 2000 gemahnt -, laufe Gefahr, die eigentlichen Belange einer urbanen Entwicklung aus dem Blick zu verlieren und eine tote Stadtentwicklung zu gebären.
Da auch der Masterplan der Hafen-City eine kulturelle Sondernutzung für den Standort am Kaiserhöft vorgesehen hatte, begann Gérard zusammen mit der Kulturprojektentwicklerin Jana Marko über eine alternative Lösung nachzudenken. Als Musikliebhaber wussten sie vom Bedarf für ein zweites Hamburger Konzerthaus. Der Grosse Saal der bestehenden Laeiszhalle stösst bei stärkeren Orchesterbesetzungen sowohl im Räumlichen wie auch im Klanglichen an seine Grenzen. Er ist nur durch einen hellhörigen Zwischenraum vom Kleinen Saal getrennt und auch deshalb in mehrerlei Hinsicht überfordert - diese Einschätzung wurde in Gesprächen mit ortsansässigen Kulturschaffenden bestärkt.
Obwohl der im Herbst 2001 neu gewählte Senat mit dem Bürgermeister Ole von Beust zunächst am geplanten Medienzentrum festhielt, blieb Gérard seiner Vision treu. Er bereiste die wichtigsten europäischen Konzertsäle, um aus den Erfahrungen der dortigen Intendanten zu lernen, und konnte die Architekten Herzog & de Meuron für sein Vorhaben gewinnen.
In einer Pressekonferenz im Juni 2003 präsentierten Gérard und Pierre de Meuron einen atemberaubenden Entwurf der Elbphilharmonie. Auf dem kantig-schmucklosen Speicher, der als Parkhaus genutzt werden soll, erhebt sich ein wellenförmiger, gläserner Aufbau von damals geplanten 61 Metern, der einerseits das hafentypische Miteinander von Quais und Wasser sowie von Tradition und Aufbruch kongenial bündelt und abbildet, andererseits aber eine assoziative Verbindung zur Musik schafft. In diesem Aufbau sollten nicht allein der zentrische, durch die Berliner Philharmonie inspirierte (und von dem Akustiker Yasuhisa Toyota mitkonzipierte) Hauptsaal für 2150 Zuschauer und ein kleiner Saal Platz finden, sondern auch Luxusapartments, ein Hotel - und eine öffentlich zugängliche Plaza.
Der Entwurf löste nahezu einhellige Begeisterung aus und bescherte dem Vorhaben den Durchbruch: Im Dezember 2003 erklärte der Bürgermeister, Hamburg wolle das Konzerthaus. Daraufhin veranstaltete Gérard im Frühjahr 2004 Hearings mit Konzertsaalplanern und Raumakustikern; er konnte zudem ein hochkarätiges Fachkuratorium mit international bedeutenden Intendanten als Berater gewinnen. Ende 2004 übertrugen Gérard und seine Investoren jedoch überraschend ihre Rechte an die Stadt, unter deren Ägide einige architektonische Veränderungen und Erweiterungen des Konzepts stattfanden. 2006 wurde Christoph Lieben-Seutter, Chef des Wiener Konzerthauses, zum Generalintendanten von Elbphilharmonie und Laeiszhalle berufen. Ende Februar 2007 schliesslich stimmte die Hamburger Bürgerschaft für den Bau, dessen auf 241,3 Millionen Euro gestiegene Gesamtkosten durch private Spenden von bisher 64,2 Millionen Euro mitgetragen werden.
Und die Musik?
Die Grundsteinlegung verlagerte das Gewicht des Projekts nun etwas einseitig auf den Hype des Wahrzeichens. Ausgerechnet der designierte Intendant kam bei der Veranstaltung nicht zu Wort; und auch das kurz zuvor erschienene Buch «Eine Vision wird Wirklichkeit» von Till Briegleb klammert den musikalischen Kontext der Entstehungsgeschichte aus - dabei zählt das künstlerisch-inhaltliche Profil zu den zentralen und meistdiskutierten Aspekten der neuen Elbphilharmonie. Ob das Bauvorhaben, wie geplant, zum Eröffnungsfestival 2010 fertig gestellt werden kann, hängt nicht zuletzt vom Wetter ab. Doch die in Hamburg traditionell wechselhaften Naturgewalten haben ja bereits unmissverständlich ihre Zustimmung signalisiert.
[ Till Briegleb: Eine Vision wird Wirklichkeit auf historischem Grund: Die Elbphilharmonie entsteht. Murmann, Hamburg 2007. 120 S., Euro 22.-. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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