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Gotik, begehbar
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Wie man einfühlsam mit historischer Substanz umgeht, ohne die eigene Handschrift zu vernachlässigen: die Neubauten im Stift Altenburg, Waldviertel.

2. September 2007 - Liesbeth Waechter-Böhm
Es zählt nicht zu den lässlichen Sünden, dass die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit so gering ist, wenn es um zeitgenössische architektonische Maßnahmen bei kulturhistorischen Denkmälern geht. Ob ein Hochhaus nahe dem Kulturerbe Wiener Innenstadt gebaut werden darf oder nicht, das regt alle auf. Aber ob in unseren Schlössern, Burgen und Klöstern die schiere architektonische Banalität Platz greift, das wird mit leichtfertiger Großzügigkeit übergangen.

Stift Altenburg im Waldviertel liefert dafür zwar keine spektakulär negativen Anschauungsbelege, aber was hier seit Jahrzehnten an baulichen und gärtnerischen Maßnahmen gesetzt wurde, ist doch sehr unterschiedlich und unkoordiniert. Dabei hätte dieser Bau von Josef Munggenast, der hier um 1740 auf gotischen Grundfesten seine barocken Vorstellungen realisierte, wahrhaftig Besseres verdient.

Tatsächlich hat sich die Situation jetzt auch entscheidend gewendet. Allerdings war dafür wieder einmal eine „Katastrophenmeldung“ notwendig: Denn im Jahr 2000 signalisierte ein Statiker bei der Untersuchung der barocken Aussichtsterrasse Altenburgs „Gefahr in Verzug“. Das Bauwerk drohte abzurutschen, war es doch auf einem mit Bauschutt zugeschütteten gotischen „Unterbau“ errichtet. Archäologen begannen zu graben, und was die Öffentlichkeit heute noch nicht sieht: Sie haben das mittelalterliche Mauerwerk freigelegt.

Der notwendige Neubau der Altane lieferte jedenfalls den Anlass, dass Jabornegg & Pálffy die Bühne betraten. Ihre jetzigen Maßnahmen gehen auf einen Wettbewerb zurück, der erst ausgeschrieben werden konnte, nachdem aufgrund der freigelegten mittelalterlichen Substanz die konkreten statischen Bedingungen festgelegt waren.

Jabornegg & Pálffy haben diesen Wettbewerb nicht von ungefähr gewonnen – wie man mit vorhandener Substanz einfühlsam umgeht, ohne die eigene Handschrift zu vernachlässigen, das haben sie schon mehrfach gezeigt. Das zeigt auch das erste Zwischenergebnis ihres Eingriffs in Altenburg: nicht nur in Form des neuen Foyers für den Besucherrundgang, sondern vor allem durchdie wieder erstandene Altane, die ausgedehnte Aussichtsterrasse zum Kamptal. Von dort hat man nicht nur einen wundervollen Blick auf die umgebende Landschaft, es ist auch der einzige Standort, der den Blick auf die Hauptfassade von Altenburg aus der Nähe ermöglicht. Alle anderen Blickpunkte liegen weit weg, jenseits des Kamps.

Das Hauptverdienst der Architekten besteht aber nicht nur in diesem konstruktiv interessanten, teilweise als (befahrbare) Brücke ausgeführten Terrassenbauwerk allein, auch nicht im puristisch-selbstverständlichen, dabei eleganten Foyer. Jabornegg & Pálffy hatten einfach ein Gesamtkonzept im Auge, von vornherein. Und das war in Altenburg sehr notwendig. Bisher konnte man sich dort verlaufen, weil man immer wieder in toten Ecken gelandet ist – ohne verständliche Wegführung, ohne hilfreiche Orientierungspunkte. Das hat sich schon jetzt geändert, mit der Fertigstellung des Gesamtprojekts kommt aber sicher noch eine Dimension dazu: Denn dann wird auch die eindrucksvolle mittelalterliche Ausgrabungsstätte zu besichtigen sein.

Wichtig ist es, zwischen den verschiedenen Ebenen zu unterscheiden, die in Zukunft – mit dem gemeinsamen Ausgangspunkt des neuen Foyers – für die Besucher zugänglich sein werden. Das barocke Niveau – nicht zuletzt durch die neue Altane signifikant definiert – bleibt zwar die Hauptattraktion, schon wegen der Veitskapelle, der Sala Terena, der wundervollen Bibliothek und besonders der grandiosen Krypta.

Aber der jetzt freigelegte mittelalterliche Schauraum, der durch die Altane gedeckt ist, mit seinen von oben belichteten Mönchszellen, in denen die alten, jahrhundertelang zugemauerten Fensteröffnungen wieder aufgemacht werden, mit dem ursprünglichen Abtshaus und der Abtskapelle, der steht dem Barockmeisterwerk atmosphärisch nicht nach. Natürlich sind es in solchen Fällen immer nur Rudimente von Bausubstanz, die zu besichtigen sind. Aber was da vorläufig durch einen Holzsteg erschlossen ist, ist ein Stück begehbare Geschichte. Die Reste eines gotischen Turms reichen übrigens noch tiefer, dort sind auch gotische Kellerräume erhalten.

Altenburg war auch bisher nicht arm an Sehenswertem, durch die Ausgrabungen hat es dennoch einen Mehrwert gewonnen. Sie geschickt und verständlich in eine Besucherroute einzubinden, die in formaler Hinsicht mit der historischen Substanz qualitativ gleichzieht, ist Jabornegg & Pálffy gelungen. Denn die alten Eingriffe – etwa im Kreuzgang, aus den Achtzigerjahren – sind so unbedeutend, dass sie an einem solchen Ort einfach fehl am Platz erscheinen.

Die neuen Maßnahmen – immerhin wurde ein ausgedehnter Garten der Weltreligionen angelegt – sind eher hilflos. Das ist bedauerlich, weil es nicht so oft vorkommt, dassein Themengarten neu geschaffen wird. Der hier ist, milde formuliert, misslungen. Auch andere, kleinere Missgriffe gibt es. Der auf der Böschung zur Altane angeschüttete Kies ist schwarz, auch der um die streng gefassten Rechteckbeete im wieder erstandenen Apothekergarten. Auf die Böschung gehört kein Kies, sinnvollerweise sollte sie durch eine Grasfläche mit dem Umfeld verwachsen. Und im Apothekergarten hat der modische Aspekt dieser Schüttung überhaupt nichts verloren. Ein heller, möglichst normaler Kies, wäre viel passender.

Dass Jabornegg & Pálffy nicht nur am großen Konzept, sondern auch an solchen Details arbeiten, das macht schon überzeugend deutlich, wie komplex solche Aufgaben sind. Die Fotos vom bisher Erreichten sind durch die Bank bearbeitet: So werden minimale Missstimmigkeiten ausgemerzt und schon jetzt zugunsten einer künftigen Stimmigkeit korrigiert. 2009 gibt es in der Nähe der Altenburg eine Landesausstellung. Bis dahin sollte das Konzept umgesetzt sein.

Wie immer liegt alles an der Frage der Finanzierung. Mir scheint nicht, dass man im Stift mit diesem Problem bisher sehr geschickt umgegangen ist. Praktisch kamen 50 Prozent der bisherigen Kosten aus der eigenen Kassa. Das ist von Seiten des Landes ein bisschen schäbig, und es wird nicht besser werden, weil die Gelder sicher der nächsten Landesausstellung zufließen. Entspricht das dem Wert, der Bedeutung von Altenburg? Man kann dem Abt nur viel Geschick und noch mehr Durchsetzungsvermögen bei den Verhandlungen wünschen.

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