Artikel
Städte in der Stadt
m vergangenen Herbst lud der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds, verantwortlich für den neuen Stadtteil am Flugfeld Aspern, Vertreter wichtiger europäischer Stadtentwicklungs- projekte zum Erfahrungsaustausch nach Wien.
26. Januar 2008 - Robert Temel
Heuer wird mit dem Bau der Stadt am Flugfeld begonnen: Erst entstehen Straßenanbindungen, Gewerbeflächen, Forschungseinrichtungen und Grünräume, Wohnbauten folgen ab 2010. Das Asperner Projekt ist in seiner Dimension für Wien einmalig. Doch im europäischen Kontext gibt es durchaus Vergleichbares.
Die vier geladenen Projektgruppen kamen aus Deutschland, den Niederlanden und Schweden: Das Tübinger Südstadtprojekt begann in ehemaligen Kasernenarealen nach dem Abzug der französischen Truppen aus der schwäbischen Universitätsstadt. Hamburg HafenCity ist das größte und dichteste der teilnehmenden Projekte, es handelt sich dabei um eine Erweiterung der Hamburger Innenstadt auf ehemaliges Hafengelände mit Universität, Museen und Elbphilharmonie. Ganz ähnlich ist die Situation in Rotterdam mit Kop van Zuid, allerdings befindet sich dieses Hafengebiet nicht in direkter Nachbarschaft zum Zentrum, sondern liegt auf der anderen Seite des Flusses Maas. Und Hammarby Sjöstad umschließt im Süden Stockholms den Hammarby-See. Gemeinsam ist ihnen allen mit Aspern die Ausrichtung als „Stadt in der Stadt“ mit allen Nutzungen, die dazugehören. Das kleinste Projekt ist Tübingen mit 400.000 m² Gesamtfläche und 3000 Wohnungen, das größte Hamburg mit zwei Millionen m2 Fläche und 5500 Wohnungen. Aspern liegt dabei am oberen Ende der Skala mit genauso viel Fläche wie Hamburg und 8500 Wohnungen.
In Zeiten des Stadtmarketing braucht jedes Projekt dieser Größenordnung ein Image, eine Leitidee, um politisch und ökonomisch bestehen zu können. Das älteste Vorhaben unter den vier ist Rotterdam/Kop van Zuid. Nachdem heutige Containerschiffe immer tiefere Hafenbecken benötigen, wandert der Rotterdamer Hafen, der größte außerhalb Asiens, immer weiter ins offene Meer hinaus, sodass riesige Areale in Zentrumsnähe frei wurden. In Kop van Zuid wird seit Mitte der 1990er-Jahre gebaut, bis 2010 soll die Entwicklung abgeschlossen sein. Am Beginn stand die Errichtung der Erasmus-Brücke zwischen Altstadt und Stadterweiterung, die gleichzeitig infrastruktureller Anschluss und Projektsymbol war. Die Bebauung in Kop van Zuid besteht nicht aus Blocks, sondern aus Großstrukturen und ist somit die „modernste“ der vier.
Die Stadt Rotterdam setzt hier massiv auf architektonische und insbesondere Freiraumqualität: Zentrale Instanz des Projektes ist als Quality Supervisor die angesehene Städtebauerin Riek Bakker, die jedem Projekt zustimmen muss. Die städtische Entwicklungsgesellschaft verkauft die Grundstücke erst nach Abschluss der Planung jedes einzelnen Gebäudes und würde einen Planungsprozess eher abbrechen, als niedrigere Qualitätsstandards zu akzeptieren.
Leitidee der Tübinger Südstadt ist das Konzept Baugemeinschaft: Die Stadt ist Grundeigentümer - wie übrigens bei den anderen beschriebenen Projekten auch - und bevorzugt private Baugruppen gegenüber kommerziellen Bauträgern. Cord Söhlke, Leiter des Stadtsanierungsamts, meint: „Die Idee der Baugemeinschaft ist, dass die Privatleute, die das Gebäude später benützen, stark in den Planungsprozess involviert sind und selbst die Verantwortung dafür übernehmen.“ Die Baugruppen schaffen es in Tübingen, um bis zu 25 Prozent günstigere Wohnungen zu errichten als Kommerzielle, und sie erlauben es der Stadt, komplexere städtebauliche Vorgaben umzusetzen - durch viele kleine statt wenigen großen Bauträgern behält sie Entscheidungsfreiheit. Hier werden historischer Bestand und neue kleinteilige Blocks gemischt, um ein buntes Ganzes zu erreichen. Mittlerweile wurden die Tübinger von der englischen Commission for Architecture and the Built Environment (CABE) nach London eingeladen, um dort über kleinteilige Parzellierung und Baugruppen zu referieren. Das Stadtviertel lebt von Vielfalt und Kleinteiligkeit, von der Nutzungsmischung und der hohen Identifikation der Eigentümer mit ihrem Umfeld.
Doppelt so gut
Der neue Stockholmer Stadtteil Hammarby Sjöstad definiert sich als Stadt der Nachhaltigkeit. Es wird höchstes Augenmerk auf umweltgerechte Energieerzeugung und niedrigen Verbrauch, auf ressourcenschonendes Wasser- und Abfallmanagement gelegt. Hammarby Sjöstad möchte bei all dem „doppelt so gut wie die Norm“ sein. Das Nachhaltigkeitsprogramm findet internationale Anerkennung - so wurde kürzlich mit London eine Kooperation zum Informationsaustausch über nachhaltige Stadtentwicklung vereinbart, und chinesische Delegationen besichtigen das Gebiet, das 2015 fertig sein soll.
Die HafenCity in Hamburg ist das städtischste und dichteste der präsentierten Projekte, weil es direkt an die Innenstadt Hamburgs anschließt und sie erweitert. Das ist eine Lagegunst, die anderswo kaum erreicht werden kann. Dementsprechend groß ist das Interesse, und spektakulär sind die geplanten Projekte, von der Elbphilharmonie von Herzog/de Meuron über die Greenpeace-Zentrale bis zum Meeresmuseum. Wichtigstes Instrument zur Qualitätssicherung ist hier der Wettbewerb auf allen Ebenen: Zusätzlich zum Masterplanwettbewerb, den Kees Christiaanse und Hamburgplan 1998 gewannen, gibt es städtebauliche Wettbewerbe für Teilbereiche, Konzeptwettbewerbe zur Grundvergabe an Investoren und Architekturwettbewerbe. Die HafenCity soll 2025 fertiggestellt sein, hat also etwa denselben Zeithorizont wie Aspern. Auch in Hamburg ist der Block wichtige, wenn auch nicht einzige Bauform - hier stehen insbesondere spektakuläre Solitäre im Mittelpunkt des Konzeptes.
Was kann nun Aspern von den vier Städten lernen? Einerseits eine Vielfalt von Methoden, die Qualitätssicherung im Städtebau zu verbessern, wobei der Wettbewerb der architektonischen und Investitionskonzepte ein zentrales Element ist. Und vor allem die Konzentration auf eine Frage: Was ist die Leitidee der „Stadt in der Stadt“ am Flugfeld Aspern?
Die vier geladenen Projektgruppen kamen aus Deutschland, den Niederlanden und Schweden: Das Tübinger Südstadtprojekt begann in ehemaligen Kasernenarealen nach dem Abzug der französischen Truppen aus der schwäbischen Universitätsstadt. Hamburg HafenCity ist das größte und dichteste der teilnehmenden Projekte, es handelt sich dabei um eine Erweiterung der Hamburger Innenstadt auf ehemaliges Hafengelände mit Universität, Museen und Elbphilharmonie. Ganz ähnlich ist die Situation in Rotterdam mit Kop van Zuid, allerdings befindet sich dieses Hafengebiet nicht in direkter Nachbarschaft zum Zentrum, sondern liegt auf der anderen Seite des Flusses Maas. Und Hammarby Sjöstad umschließt im Süden Stockholms den Hammarby-See. Gemeinsam ist ihnen allen mit Aspern die Ausrichtung als „Stadt in der Stadt“ mit allen Nutzungen, die dazugehören. Das kleinste Projekt ist Tübingen mit 400.000 m² Gesamtfläche und 3000 Wohnungen, das größte Hamburg mit zwei Millionen m2 Fläche und 5500 Wohnungen. Aspern liegt dabei am oberen Ende der Skala mit genauso viel Fläche wie Hamburg und 8500 Wohnungen.
In Zeiten des Stadtmarketing braucht jedes Projekt dieser Größenordnung ein Image, eine Leitidee, um politisch und ökonomisch bestehen zu können. Das älteste Vorhaben unter den vier ist Rotterdam/Kop van Zuid. Nachdem heutige Containerschiffe immer tiefere Hafenbecken benötigen, wandert der Rotterdamer Hafen, der größte außerhalb Asiens, immer weiter ins offene Meer hinaus, sodass riesige Areale in Zentrumsnähe frei wurden. In Kop van Zuid wird seit Mitte der 1990er-Jahre gebaut, bis 2010 soll die Entwicklung abgeschlossen sein. Am Beginn stand die Errichtung der Erasmus-Brücke zwischen Altstadt und Stadterweiterung, die gleichzeitig infrastruktureller Anschluss und Projektsymbol war. Die Bebauung in Kop van Zuid besteht nicht aus Blocks, sondern aus Großstrukturen und ist somit die „modernste“ der vier.
Die Stadt Rotterdam setzt hier massiv auf architektonische und insbesondere Freiraumqualität: Zentrale Instanz des Projektes ist als Quality Supervisor die angesehene Städtebauerin Riek Bakker, die jedem Projekt zustimmen muss. Die städtische Entwicklungsgesellschaft verkauft die Grundstücke erst nach Abschluss der Planung jedes einzelnen Gebäudes und würde einen Planungsprozess eher abbrechen, als niedrigere Qualitätsstandards zu akzeptieren.
Leitidee der Tübinger Südstadt ist das Konzept Baugemeinschaft: Die Stadt ist Grundeigentümer - wie übrigens bei den anderen beschriebenen Projekten auch - und bevorzugt private Baugruppen gegenüber kommerziellen Bauträgern. Cord Söhlke, Leiter des Stadtsanierungsamts, meint: „Die Idee der Baugemeinschaft ist, dass die Privatleute, die das Gebäude später benützen, stark in den Planungsprozess involviert sind und selbst die Verantwortung dafür übernehmen.“ Die Baugruppen schaffen es in Tübingen, um bis zu 25 Prozent günstigere Wohnungen zu errichten als Kommerzielle, und sie erlauben es der Stadt, komplexere städtebauliche Vorgaben umzusetzen - durch viele kleine statt wenigen großen Bauträgern behält sie Entscheidungsfreiheit. Hier werden historischer Bestand und neue kleinteilige Blocks gemischt, um ein buntes Ganzes zu erreichen. Mittlerweile wurden die Tübinger von der englischen Commission for Architecture and the Built Environment (CABE) nach London eingeladen, um dort über kleinteilige Parzellierung und Baugruppen zu referieren. Das Stadtviertel lebt von Vielfalt und Kleinteiligkeit, von der Nutzungsmischung und der hohen Identifikation der Eigentümer mit ihrem Umfeld.
Doppelt so gut
Der neue Stockholmer Stadtteil Hammarby Sjöstad definiert sich als Stadt der Nachhaltigkeit. Es wird höchstes Augenmerk auf umweltgerechte Energieerzeugung und niedrigen Verbrauch, auf ressourcenschonendes Wasser- und Abfallmanagement gelegt. Hammarby Sjöstad möchte bei all dem „doppelt so gut wie die Norm“ sein. Das Nachhaltigkeitsprogramm findet internationale Anerkennung - so wurde kürzlich mit London eine Kooperation zum Informationsaustausch über nachhaltige Stadtentwicklung vereinbart, und chinesische Delegationen besichtigen das Gebiet, das 2015 fertig sein soll.
Die HafenCity in Hamburg ist das städtischste und dichteste der präsentierten Projekte, weil es direkt an die Innenstadt Hamburgs anschließt und sie erweitert. Das ist eine Lagegunst, die anderswo kaum erreicht werden kann. Dementsprechend groß ist das Interesse, und spektakulär sind die geplanten Projekte, von der Elbphilharmonie von Herzog/de Meuron über die Greenpeace-Zentrale bis zum Meeresmuseum. Wichtigstes Instrument zur Qualitätssicherung ist hier der Wettbewerb auf allen Ebenen: Zusätzlich zum Masterplanwettbewerb, den Kees Christiaanse und Hamburgplan 1998 gewannen, gibt es städtebauliche Wettbewerbe für Teilbereiche, Konzeptwettbewerbe zur Grundvergabe an Investoren und Architekturwettbewerbe. Die HafenCity soll 2025 fertiggestellt sein, hat also etwa denselben Zeithorizont wie Aspern. Auch in Hamburg ist der Block wichtige, wenn auch nicht einzige Bauform - hier stehen insbesondere spektakuläre Solitäre im Mittelpunkt des Konzeptes.
Was kann nun Aspern von den vier Städten lernen? Einerseits eine Vielfalt von Methoden, die Qualitätssicherung im Städtebau zu verbessern, wobei der Wettbewerb der architektonischen und Investitionskonzepte ein zentrales Element ist. Und vor allem die Konzentration auf eine Frage: Was ist die Leitidee der „Stadt in der Stadt“ am Flugfeld Aspern?
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom