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Fremde, moderne Nachbarstadt Bratislava
Der Standard

Wiens Twin-City zwischen umkämpftem Retro-Flair und neuer Investorenarchitektur

8. Mai 2008 - Irene Brickner
Bratislava/Wien - Politische Umbrüche beeinflussen die Art des Bauens. Wie sich das im Städtevergleich auswirkt, kann jeder wahrnehmen, der mit wachem Blick die Strecke von Wien nach Bratislava zurücklegt. Etwa im „Architektur-Linienbus“ im Rahmen der Architekturtage Niederösterreich 2008 am Samstag, dem 17. Mai.

Tatsächlich haben die sieben Jahrzehnte zwischen dem Zusammenbruch des habsburgischen und dem des kommunistischen Reichs im Stadtbild der slowakischen Metropole tiefe Spuren hinterlassen: Spuren von architektonischer Moderne, die Wien in dieser Form nicht kennt. Etwa die an Chicago-Filmkulissen der 1940er-Jahre erinnernden Zweckbauten eines Vladimír Karfík: In der damals aufstrebenden Tschechoslowakei errichtete er eine Filiale des Schuhkonzerns Bat'a nach der anderen.

Dann diverse Amtsgebäude aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, mit Fassaden, die wie in Stein gehauene proletarische Kraftlackel protzen. Oder das großzügige und doch kleinbürgerlich spannteppichbezogene Hotel Kyjev inmitten der Stadt: 1973 von Ivan Matusík erbaut, ist es derzeit noch als Hotel in Betrieb, doch bereits von einem Investor aufgekauft, der hier ein neues Fünfsternehaus mitsamt Shoppingcenter errichten will.

Vor diesem Gebäude, um dessen Erhalt man in der slowakischen Hauptstadt momentan ringt, wird der Bratislava-Teil der „grenzüberschreitenden Busreise“ starten. „In dieser Stadt gibt es für K.-u.-k-Architektur-Freaks, für Ostkitsch-Fanatiker und für Interessenten neuer Investorenarchitektur viel zu sehen“, sagt der Landschaftsarchitekt und Städtebauer Dominik Scheuch, der den Trip in die nahe, doch fremde Twin-City organisiert hat.

Doch das „Fremde“ beginnt zu erodieren, wie es die Besichtigung von Großbaustellen zeigen wird. Etwa beim Riverpark-Projekt am Donauufer, wo Erick van Egeraat einen Büro- und Luxusapartment-Komplex errichtet, aber auch bei bescheideneren Projekten wie der Wohnhausanlage Slanec. „In Bratislava“, sagt der Architekturkritiker Jan Tabor, „wird städtebaulich derzeit etwa gleich viel gepatzt und geleistet wie in Wien.“

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