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„Bauten, die mich erschaudern lassen“
Der Standard

Roms Bürgermeister will „negative Eingriffe“ im Stadtbild korrigieren und „frevlerische Bauten“ abtragen. Überhaupt setzt Italiens Rechte auf traditionsorientierte Ästhetik, während die Front der linken Kultur bröckelt.

19. Juni 2008 - Gerhard Mumelter
Das pompöse Mausoleum, das er sich im Park seiner Villa vom Bildhauer Piero Cascella errichten ließ, hält Silvio Berlusconi für das Maß aller Dinge. Zumindest ästhetisch.

Verständlich, dass es zwischen dem italienischen Premier und Daniel Libeskind keine Berührungspunkte gibt. „Absolut horrend“ findet der Regierungschef das Hochhaus des US-Architekten, dessen Bau in Kürze in Mailand begonnen werden soll. Ein „Symbol der Impotenz“ stellt das „schräge Machwerk“ in den Augen des Cavaliere dar. Kaum milder beurteilt er zwei weitere Hochhäuser, die zur Expo 2015 von Zaha Hadid und Arata Isozaki entworfen wurden: „Projekte, die nicht nur mich erschaudern lassen, sondern die meisten Mailänder. Diese Fremdkörper haben mit der architektonischen Tradition unserer Stadt nichts gemein.“ Berlusconis Forderung, die „Horrorprojekte“ sofort zu stoppen, löste in der Stadtverwaltung Alarmstimmung aus. Bürgermeisterin Letizia Moratti musste den Premier darüber aufklären, dass die drei Hochhäuser bereits genehmigt und finanziert seien. Jede Änderung führe zu „verhängnisvollen Verzögerungen im Expo-Zeitplan“.

Roms neuer Bürgermeister Gianni Alemanno geht schon einen Schritt weiter. Zu seinen Prioritäten gehört der Abriss des neuen Ara-Pacis-Museums von Richard Meier. Der „frevlerische Bau“ werde abgetragen und „irgendwo am Stadtrand“ wieder aufgestellt, versicherte der ehemalige faschistische Hardliner. Meiers umstrittenes Museum war 1995 von Bürgermeister Francesco Rutelli in Auftrag gegeben und nach einer wechselvollen Baugeschichte erst 2006 fertiggestellt worden. Mit 14 Millionen Euro betrugen die Baukosten das Doppelte der veranschlagten Summe.

Nicht nur Richard Meiers neben dem Mausoleum des Augustus platzierter Bau ist Denkmalstürmer Alemanno ein Dorn im Auge. Alle „negativen Eingriffe“ ins Stadtbild müssten korrigiert werden. Dabei müsse „italienischen Architekten“ Vorrang eingeräumt werden. Nicht ohne Einschränkung: der Römer Massimiliano Fuksas etwa genießt als Kommunist nicht Alemannos Vertrauen.

Spuren Veltronis tilgen

Dessen Projekt für die Küstenbebauung in Ostia lehnte er ab, weil es „ohne Wettbewerb“ entstanden sei. In der Tat: Fuksas hatte sein Projekt der Stadtverwaltung kostenlos überlassen. Mit pathetischer Eile versucht Alemanno, die kulturpolitischen Spuren seines Vorgängers Walter Veltroni zu tilgen. Dessen Vertrauensmann Goffredo Bettini musste als Präsident der Festa del Cinema zurücktreten und wurde durch den 88-jährigen Filmkritiker Gianluigi Rondi ersetzt, der „mehr italienisches Kino“ in Aussicht stellte. La Repubblica bedachte die peinliche Rochade mit beißendem Spott: „Jugend voran!“ Die Direktoren der städtischen Galerien mussten zurücktreten, der römische Kultursommer wurde „aus Kostengründen“ beschnitten.

Alemannos Bannstrahl traf auch den symbolhaftesten Ort linker Kulturpolitik: das Auditorium von Renzo Piano, mit über einer Million Besuchern Europas erfolgreichstes Musiktheater. Stattdessen kündigte der neue Bürgermeister eine verstärkte Förderung des antiquierten Teatro dell' Opera an, dessen Qualität trotz hoher Subventionen auch von kleinen Opernhäusern wie Parma und Cagliari übertroffen wird. Als neuer Stadtradt für Kultur agiert in der Hauptstadt nun Umberto Croppi, ehemaliges Vorstandsmitglied der rechtsextremen Fronte della Gioventù, in der auch Alemanno als faschistischer Schläger aktiv war.

Sandro Bondi kommt aus der entgegengesetzten politischen Ecke. Italiens neuer Kulturminister kann auf eine Laufbahn als Aktivist der KPI zurückblicken. Er wirkte als Bürgermeister der toskanischen Gemeinde Fivizzano, bevor er sich unversehens zum Bewunderer Silvio Berlusconis mauserte. Weil „Kultur nicht links ist“, umwirbt der priesterlich wirkende 49-Jährige, der die „Wiederentdeckung der Schönheit“ propagiert, linke Ikonen wie den Liedermacher Jovanotti. Der findet es „durchaus sympathisch“, dass der Minister ihm ein Gedicht gewidmet habe. Musik sei schließlich „weder links noch rechts“. Geschickt nützt Bondi das Bröckeln der linken Front der Kulturschaffenden. Den Sänger Francesco De Gregori, Leitfigur der 68er-Generation, preist er als „unverzichtbaren Begleiter“ seiner Jugendjahre. Von der Linken enttäuscht, erwartet sich De Gregori von Berlusconi eine „Modernisierung des Landes“.

Schmusen mit dem Kaiman

Neapels populärster Liedermacher, Pino Daniele, der von Lega-Chef Umberto Bossi wegen Beleidigung angezeigt worden war, bescheinigt der Lega Nord jetzt „größere Reife und Ausgewogenheit“. Zu den Unbeugsamen zählt Regisseur Nanni Moretti. Er sieht im Cavaliere „nach wie vor den Kaiman“. Vom „Klima der Verbrüderung“ will er sich nicht blenden lassen: „Berlusconi war 15 Jahre lang eine Katastrophe. An eine Änderung glaube ich nicht.“ Auch Roms populärster Theaterschauspieler Gigi Proietti beurteilt den „Schmusekurs“ mit Skepsis. Dagegen wollen linke Sänger wie Antonello Venditti und Giuliana De Sio Roms neuem Bürgermeister ebenso einen Vertrauensvorschuss gewähren wie die Schauspieler Michele Placido und Sabrina Ferilli. „Ich bleibe links, aber Alemanno gebe ich durchaus eine Chance“, versichert Ferilli.

Der linke Schauspieler Massimo Ghini ist es leid, „mit dem Etikett eines Parteigängers herumzulaufen“. Das Spiel mit den „politischen Tifosi“ müsse aufhören. Von einer „neuen Rechtskultur“ träumt Ghinis Kollege Luca Babareschi. Der rechte Schauspieler, der sich als Abgeordneter von Berlusconis Koalition vergeblich um das Staatssekretariat im Kulturministerium bemüht hatte, sitzt nun im Vorstand der römischen Festa del Cinema.

Dort ereifert er sich über die italienischen Beiträge zum Festival von Cannes. Die preisgekrönten Filme über die Camorra und Giulio Andreotti seien „eine skandalöse Nestbeschmutzung Italiens, die sich nicht wiederholen“ dürfe.

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