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Die beste Sandkiste Europas
Auf dem Grazer Reininghaus-Areal, wo ein neuer Stadtteil entstehen soll, diskutierten Stadtplaner von Miami bis Tokio über die Zukunft von Städten.
5. Juli 2008 - Colette M. Schmidt
Die Situation ist der Wunschtraum eines Städteplaners, eine große Sandkiste für Architekten und andere Raumerfinder: Im Westen der zweitgrößten Stadt Österreichs, nur 1,8 Kilometer vom Altstadtzentrum, das mittelalterlich, schön, aber teilweise von der Unesco-Welterbe-Erstarrung bedroht ist, liegt ein grünes Loch mit den Ausmaßen von 54 Hektar. Für Grazer ist es ein blinder Fleck, es sei denn, sie gehörten zu jenen Arbeitern, die hier einst an der Produktion von Bier beteiligt waren.
Für rund 12.000 Menschen, die hier schon 2017 leben, studieren, arbeiten und spielen sollen, wolle man „keine Trabantensiedlung errichten“ wie Roland Koppensteiner, Vorstand der Immobilienentwicklungs AG Asset One, die das Gelände besitzt, betont, sondern einen neuen Stadtteil. Vielleicht auch ein weiteres Stadtzentrum, ein zweites Gesicht von Graz. Nur eines wolle seitens der Asset One, die seit 2005 mit Experten aus aller Welt über verschiedene Philosophien des Phänomens Stadt nachdenkt, nicht: einen Schnellschuss. Deshalb lud man diese Woche sieben Experten mit klingenden Namen und viel Erfahrung im internationalen Städtebau ein: Dietmar Leyk und Philipp Oswalt aus, Joan Busquets aus Barcelona, Vittorio Magnago aus Mailand, Duane Phillips aus Miami, Erick van Egeraat aus Rotterdam und Kazunari Sakamoto dachten zwei Tage gemeinsam in Graz nach.
Man stellte sich Fragen, wie etwa: Was heißt Urbanität - abseits von inszenierten Events - im Alltag? Welche Form der Mobilität hat Zukunft? Was kann man gegen Shoppingmall-Speckgürtel-Umlandgemeinden tun?
Städte-Recycling
Joan Busquets, Architekt und jahrelang Stadtbaudirektor von Barcelona, erklärte eines der grundsätzlichsten Probleme historischer Städte: Im 19. Jahrhundert sei es eine große Errungenschaft gewesen, Stadtmauern als Begrenzungen loszuwerden. „Doch im 20. Jahrhundert konnten sie dann alles demolieren, wir zerstörten viele Städte“ - mit dem Ergebnis, dass „alle Menschen Städte aus dem 19. Jahrhundert lieben, aber Städte des 20. Jahrhunderts hassen“.
Was solle man also im 21. Jahrhundert machen? Ins 19. zurückgehen? Nein, meint Busquets, man müsse nachhaltige Entwicklungen anstreben: „Wir müssen die Städte recyceln, nicht ausdehnen!“ Dass für Graz die Fläche der Stadt reichen müsste, ohne dass ein Speckgürtel die Innenstadt gefährde, zeigt ein simpler Vergleich: Den 290.000 Bewohnern und Pendlern der Stadt steht eine Fläche zur Verfügung, die größer als Manhattan oder Barcelona ist.
Für nachhaltige Planung hat man sich seitens der Asset One Millionen und Jahre reserviert. Die internationalen Städtebauer fürchten das Wort „Masterplan“ als Synonym für Reißbrettarchitektur aus den 60ern wie der Teufel das Weihwasser. Architekt Max Rieder, der die Gespräche über Stadtszenarien leitete, brachte es auf den Punkt: „Jeder Masterplan ist innerhalb von einem Jahr überholt.“ Kazunari Sakamoto, einer der wichtigsten Architekten Japans, sieht das ähnlich: „Alle Wohnanlagen aus den 50ern und 60ern, nicht nur in Frankreich, Deutschland oder England, sondern auch in Japan sind nicht mehr attraktiv für die Leute“. Dass es in Graz die Möglichkeit gebe, gegen solche „hastig geplanten Misserfolge“ anzudenken, habe ihn angezogen: „Ich wurde auch nach Schanghai und Dubai eingeladen, aber ich will keine schnell hingeworfenen Konzepte.“
Eine Stippvisite der Stadträtin für Stadtplanung, Eva Maria Fluch (VP), bei der prominenten Runde sollte wohl signalisieren, dass das offizielle Graz derzeit freundliche Signale ins neue Viertel sendet. Vielleicht hat die Vision, die Erick van Egeraat formulierte, tatsächlich Chancen, Realität zu werden: „Wenn es hier nicht gelingt, die beste Stadt Europas zu bauen, dann nirgendwo.“
Für rund 12.000 Menschen, die hier schon 2017 leben, studieren, arbeiten und spielen sollen, wolle man „keine Trabantensiedlung errichten“ wie Roland Koppensteiner, Vorstand der Immobilienentwicklungs AG Asset One, die das Gelände besitzt, betont, sondern einen neuen Stadtteil. Vielleicht auch ein weiteres Stadtzentrum, ein zweites Gesicht von Graz. Nur eines wolle seitens der Asset One, die seit 2005 mit Experten aus aller Welt über verschiedene Philosophien des Phänomens Stadt nachdenkt, nicht: einen Schnellschuss. Deshalb lud man diese Woche sieben Experten mit klingenden Namen und viel Erfahrung im internationalen Städtebau ein: Dietmar Leyk und Philipp Oswalt aus, Joan Busquets aus Barcelona, Vittorio Magnago aus Mailand, Duane Phillips aus Miami, Erick van Egeraat aus Rotterdam und Kazunari Sakamoto dachten zwei Tage gemeinsam in Graz nach.
Man stellte sich Fragen, wie etwa: Was heißt Urbanität - abseits von inszenierten Events - im Alltag? Welche Form der Mobilität hat Zukunft? Was kann man gegen Shoppingmall-Speckgürtel-Umlandgemeinden tun?
Städte-Recycling
Joan Busquets, Architekt und jahrelang Stadtbaudirektor von Barcelona, erklärte eines der grundsätzlichsten Probleme historischer Städte: Im 19. Jahrhundert sei es eine große Errungenschaft gewesen, Stadtmauern als Begrenzungen loszuwerden. „Doch im 20. Jahrhundert konnten sie dann alles demolieren, wir zerstörten viele Städte“ - mit dem Ergebnis, dass „alle Menschen Städte aus dem 19. Jahrhundert lieben, aber Städte des 20. Jahrhunderts hassen“.
Was solle man also im 21. Jahrhundert machen? Ins 19. zurückgehen? Nein, meint Busquets, man müsse nachhaltige Entwicklungen anstreben: „Wir müssen die Städte recyceln, nicht ausdehnen!“ Dass für Graz die Fläche der Stadt reichen müsste, ohne dass ein Speckgürtel die Innenstadt gefährde, zeigt ein simpler Vergleich: Den 290.000 Bewohnern und Pendlern der Stadt steht eine Fläche zur Verfügung, die größer als Manhattan oder Barcelona ist.
Für nachhaltige Planung hat man sich seitens der Asset One Millionen und Jahre reserviert. Die internationalen Städtebauer fürchten das Wort „Masterplan“ als Synonym für Reißbrettarchitektur aus den 60ern wie der Teufel das Weihwasser. Architekt Max Rieder, der die Gespräche über Stadtszenarien leitete, brachte es auf den Punkt: „Jeder Masterplan ist innerhalb von einem Jahr überholt.“ Kazunari Sakamoto, einer der wichtigsten Architekten Japans, sieht das ähnlich: „Alle Wohnanlagen aus den 50ern und 60ern, nicht nur in Frankreich, Deutschland oder England, sondern auch in Japan sind nicht mehr attraktiv für die Leute“. Dass es in Graz die Möglichkeit gebe, gegen solche „hastig geplanten Misserfolge“ anzudenken, habe ihn angezogen: „Ich wurde auch nach Schanghai und Dubai eingeladen, aber ich will keine schnell hingeworfenen Konzepte.“
Eine Stippvisite der Stadträtin für Stadtplanung, Eva Maria Fluch (VP), bei der prominenten Runde sollte wohl signalisieren, dass das offizielle Graz derzeit freundliche Signale ins neue Viertel sendet. Vielleicht hat die Vision, die Erick van Egeraat formulierte, tatsächlich Chancen, Realität zu werden: „Wenn es hier nicht gelingt, die beste Stadt Europas zu bauen, dann nirgendwo.“
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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