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Wenn die Wurscht System hat
Spectrum

Mangelhafte Raumplanung, gefällte Bäume, unzureichende Ersatzpflanzung und eine erbärmliche Hundezone: wie der Wiener Manès-Sperber-Park auf dem Dach einer Garage neu gestaltet wurde.

8. August 2008 - Judith Eiblmayr
Wiens Parks und Grünflächen“ wie sie publizierterweise dargestellt werden, können sich wahrlich sehen lassen. Wie im Gemeinde-Wien-nahen Perspektiven-Heft vom Juni 2007 nachzulesen und durch herrliche Fotos dokumentiert ist, scheint Wien vom „Erholungsgebiet Steinhof – Dehnepark“ bis zum „Wasser-Kristall-Energiegarten“ in Hirschstetten eine Grünraum-Metropole zu sein. Das „Leitbild zur Parkgestaltung des Wiener Stadtgartenamtes“ versucht „Gender Mainstreaming“ genauso zu integrieren wie „Sicherheit“ oder „ökologische Gesichtspunkte“. In den meist in Stadtrandlage oder gar direkt am Rande des Wienerwalds befindlichen Parks scheint dies mehr als erfüllt, die überdurchschnittliche Größe lässt den Park als „Multifunktionsanlage“ zur Erholung, Ort der Begegnung und Kommunikation wunderbar funktionieren.

Je näher man allerdings dem Stadtzentrum kommt, umso problematischer scheint die Hege und Pflege der Grünräume. Abgesehen von den prestigeträchtigen Anlagen an der Ringstraße wird es in den sogenannten „Beserlparks“ eng, und das Engagement von Bezirksvorstehern und Stadtgartenamt hält sich ostentativ in Grenzen. Zwar ist im zweiten Bezirk, in der Lilienbrunngasse, vor zwei Jahren ein neuer Park entstanden – neu deshalb, weil der gewachsene Park, der über einen ansehnlichen Baumbestand verfügte, einem heiß umstrittenen, von den Anrainern mehrheitlich abgelehnten Tiefgaragenprojekt weichen sollte.

Dazu musste zuerst abgeholzt werden, wobei der älteste, größte und schönste Baum, eine zirka 50 Jahre alte Linde, beim Fällen vor lauter Widerstand in die falsche Richtung und bis ins Stiegenhaus eines – Ironie des Schicksals – Gemeindebaus gekracht ist. Natürlich ist das Fällen von kerngesunden Bäumen mitten im verbauten Gebiet keine attraktive Aktion. Als Zuckerl wurde der besagte neue, schöne Park auf dem Garagendach statt des alten, „schiachen“ versprochen. „Für die Kinder!“, tönte es aus der Gebietsbetreuung. „Von den Kindern!“, hieß es, wenn Kritik an der Ausgestaltung laut wurde. Die Kinder hätten, demokratischlegitimiert, den Park genau so haben wollen. Da darf man natürlich nichts mehr sagen, weil herziger geht es gar nicht. Dass im Park spielende Kinder per se Planungskompetenzfür Stadtgestaltung übernehmen können, ist praktisch, denn so könnte das eine oder andere Studium an der Universität für Bodenkultur eingespart werden. Diese für Wien eher untypische Kinderfreundlichkeit hat wahrscheinlich mit dem Namenspatron des alten wie auch neuen Parks, Manès Sperber, zu tun, denn der Schriftsteller und Philosophhatte sich bis 1927, solange er in Wien gelebt hatte, der sozialpsychologischen Betreuung schwieriger Jugendlicher gewidmet.

Nach zwei Jahren Bauzeit war der Raum fürs Parken geschaffen, und man wartete gespannt auf den Grünraum als Park; immerhinwar abgesehen von der Kindertruppe auch ein Landschaftsplanungsbüro betraut worden, und man durfte annehmen, dass Profis die städtebauliche Chance, die sich durch eine völlige Neugestaltung eines Stücks öffentlichen Raumes bot, ergreifen würden.

Die verräterische Definition der „Oberflächengestaltung beim Garagenbau“ hätte einem schon im Vorfeld zu denken geben müssen. Nicht nur dass 30 Prozent der Fläche pflegeleicht versiegelt wurden und damitlediglich der Straßenraum eine Verbreiterungerfuhr: Man erkennt zwar das Bemühen, auf engstem Raum eine Funktionsgliederung zu erreichen, hat aber nicht mehr erreicht als eine additive Zonierung, die keinerlei zusammenhängendes Raumgebilde erzeugt.

Noch sind die Nachpflanzungen nicht groß genug, um Raum erzeugend zu wirken, denn die Bäumchen auf dem Garagendach sind jung und zart, werden aber hoffentlich noch wachsen. Erstaunt stellt man fest, dass die Anzahl der neuen Bäume nicht korrekt ist: Statt vormals 15 sind es deren nur mehr elf, abgesehen von einem alten, während derBauarbeiten geschützten Baum, der kurz vorBauende von der Baufirma doch noch umgesägt wurde, weil er einem Kanalrohr im Weg war. Dieser Baum mit einer stattlichen Krone hatte vis à vis vom Dianabad einer Plastik von Fritz Wotruba städtebaulichen Rückhalt geboten und einen kleinen Platz definiert. Haftung, Ersatzpflanzung? Kein Thema, der Bezirk hat nämlich kein Geld. Der Baum sollte übrigens auch als Schattenspender für Sitzbänke für „Passanten und Senioren“ dienen. Jetzt sind die Bänke der prallen Sonne ausgesetzt, mit oder ohne Senioren. Und damit der Wotruba-Guss nicht so verloren am Gehsteig herumsteht, hat man ihm drei Mülltonnen zur Seite gestellt – das nennt man aufmerksame Stadtgestaltung.

Auf Anfrage beim Stadtgartenamt, wo die restlichen vier neuen Bäume geblieben seien, erhält der erstaunte Anrainer die Antwort, dass die sowieso gepflanzt wurden. Auf Nachfrage, wo denn, heißt es stolz: in der Oberen Augartenstraße! Die Ersatzpflanzung darf nämlich innerhalb des Bezirks im Umkreis von einem Kilometer des gefällten Baumes vorgenommen werden. Da fühlt man sich dann doch „gepflanzt“, wenn Bäume aus dem dicht verbauten Gebiet an den Rand des Augartens verpflanzt werden. Aber Zynismen ist man schon gewohnt, und es kommt noch dicker – vor allem was die Luft betrifft. An der städtebaulich attraktivsten Stelle, an der Kreuzung zur Gredlerstraße mit Blick auf den Stephansdom, wo früher die Parkbänke standen, hat man eine mit 250 Quadratmetern extrem kleine Hundezone platziert. Dies sei ein dezidierter Wunsch des Bezirksvorstehers Gerhard Kubik gewesen, sagen sowohl die MA 42 wie auch die Landschaftsplaner. Das ist ein löbliches Lobbying für eine offensichtlich wichtige Wählergruppe, das bewirkt, dass ein weiteres Stück Grünland für die Bevölkerung geopfert wird. Denn die Wiese ist großteils niedergetreten, die vollgekoteten Büsche wurden entfernt, und die Efeupflänzchen, die die Wand der Garagenabfahrt hätten bewachsen sollen, sind ausgebuddelt und natürlich nicht nachgepflanzt. Und zur großen Verwunderung aller zuständigen Stellen bleibt häufig das Gackerl als kompaktes Packerl liegen und weht jedem Passanten unverhofft ein Geruchsfähnchen ins Gesicht. Somit verkommt die Hundezone zum trostlosen Hundeklo, und das können dann auch die Hunde nicht mehr riechen. „Die Hygienediskussion im Bezug auf Hundekot entspricht genau jener vor zirka 100 Jahren, als das Urinieren im öffentlichen Raum geächtet wurde“, sagt der Stadtforscher Peter Payer. Hygienische Zustände wie vor 100 Jahren und kein Handlungsbedarf: Ist der Bezirk darauf stolz? Die Segmentierung des öffentlichen Raumes funktioniert vielleicht auf dem Plan, aber Gestank überschreitet gnadenlos die Abzäunungen der „Zone“, und die Fliegen finden den Weg vom Hauferl schnell ins nächste geöffnete Küchenfenster.

Aber die „Wurschtigkeit“ hat offensichtlich System: Die Hinweistafel des Stadtgartenamtes auf Manès Sperber beließ man an ihrem Platz wie im alten Park, und nun steht sie mitten in der Hundezone. Praktischerweise auf zwei Stehern montiert, die den vierbeinigen Freunden eine der wenigen vertikalen Gelegenheiten bieten, naturgemäß das Haxerl zu heben. Manès Sperbers Ansehen wird vielleicht ans Bein gepinkelt, aber so werden wenigstens die drei verbliebenen Bäume geschont!

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