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Palladio und die Finanzkrise
Neue Zürcher Zeitung

Architekten retten eine Londoner Schau

27. Dezember 2008 - Georges Waser
Ein englischer Tribut zum 500. Geburtstag von Andrea Palladio ist ein Muss. Palladios Einfluss auf die Architektur Grossbritanniens begann, als Inigo Jones im Jahr 1614 mit Zeichnungen des Meisters aus Vicenza nach London zurückkehrte und in Greenwich das Queen's House errichtete. Beispiele sind aber auch Ragley Hall in Warwickshire oder – unweit davon – Hagley Hall: grandiose Landhäuser, die ihre Besitzer im Stil Palladios umwandeln liessen. Ebenso Chiswick House und Burlington House am Londoner Piccadilly, mit denen der dritte Earl of Burlington zum «Palladian Revival» den Auftakt gab. Im Burlington House, dem heutigen Domizil der Royal Academy of Arts, wird nun vom 31. Januar bis zum 13. April die grosse, zuvor in Vicenza zelebrierte Palladio-Ausstellung (NZZ 7. 11. 08) gastieren, nachdem das Ganze im letzten Moment fast gescheitert wäre.

Dass sich in Grossbritannien die Finanzkrise auch auf Museen auswirken würde, war voraussehbar, sind doch diese Institutionen – zumindest im Falle teurer Ausstellungen – oft auf Sponsoren angewiesen. Zudem kam das Sponsoring bis anhin meist aus der Londoner City. Da sie keine staatliche Subvention empfängt, ist die Royal Academy im gegenwärtigen Klima besonders verwundbar. Unerwartet schnell kam nun die Hiobsbotschaft: Für ihre Palladio-Ausstellung konnte die Royal Academy keinen Sponsor anziehen. Übrigens war bereits im November an der nationalen Konferenz der Museumsdirektoren ein Rückgang an Zuschüssen aus der Businesswelt festgestellt worden. Doch nun folgte auf die schlechte Nachricht aus der Royal Academy eine gute Kunde: Eine Gruppe von Royal Academicians habe in die eigene Tasche gegriffen und die Palladio-Schau gerettet – allen voran die Architekten Richard Rogers und Norman Foster.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Royal Academy keine Probleme hatte, für ihre dreimonatige, der Gegenwartskunst gewidmete «Saison» den Sponsor zu halten. Nach diesem, GlaxoSmithKline, ist das Ereignis nämlich mit «GSK Contemporary» benannt. Allerdings weist sich ein Unternehmen durch das Sponsoring eines solchen Anlasses eben als «cool» aus. Und mit einem solchen Etikett lässt sich in einer modischen Trends ergebenen Gesellschaft für die eigene Sache leichter Werbung treiben als mit dem Namen eines grossen Klassizisten! Insbesondere wenn dieser, wie Palladio in Grossbritannien, als «the architects' architect» gilt – was sich im glücklichen Umstand spiegelt, dass der Royal Academy für ihre Ausstellung jetzt gerade zwei Stararchitekten zu Hilfe kamen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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