Artikel
Rainers rigoroser Raster
Eine Ikone der Spätmoderne: Roland Rainers Universitäts-bau in Klagenfurt. Jetzt wurde er saniert und rückgebaut, sensibel und einfallsreich. Und kräftig entrümpelt.
15. März 2009 - Liesbeth Waechter-Böhm
Das Vorstufengebäude der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt ist nicht das erste und sicher nicht das letzte Haus einer inzwischen schon klassisch gewordenen Nachkriegsmoderne in Österreich, das zum Sanierungsfall wurde. Es stammt aus den Jahren 1970/71 und ist ein wunderbares Beispiel für das industrielle, auf einem strengen Rastersystem basierende Bauen jener Jahre. Die Logik der Konstruktion und Organisation beeindrucken auch heute noch. Und die Art, wie Roland Rainer sein eingeschoßiges, flaches Haus ins Gelände und um das Herzstück eines großen Innenhofes komponierte – ein Motiv, das sich durch viele Arbeiten Rainers zieht, auch als wesentliches Element seiner Wohnanlagen –, machen den Austausch zwischen Innen- und Außenraum zu einem wirklichen Erlebnis.
Aber wie so oft in der scheinbar immer kürzer werdenden Geschichte solcher Häuser hat es ein wechselvolles Schicksal hinter sich. Das Klagenfurter Büro frediani + gasserarchitettura, das die Sanierung, den Rückbau und die teilweise Neuorganisation dieser – vor allem für Kärnten sehr wichtigen, weil fast einzigartigen – Ikone der Spätmoderne übernommen hat, stand vor keiner leichten Aufgabe. Wobei die Hauptschwierigkeiten vielleicht gar nicht darin lagen, etwa ein unsägliches Satteldach über dem Eingangsgebäude oder einen noch unsäglicheren Porphyrboden wieder zu entfernen, die die Material- und Formensprache Rainers pervertierten. Oder die Eichenholzzargen, die inzwischen Rainers einfache Stahlzargen ersetzt hatten, zu beseitigen.
Die grundlegende Schwierigkeit liegt in der Sanierung solcher Konstruktionen. Wie soll man heutige thermische Ansprüche erfüllen, wenn der Dachaufbau so dünn ist, dass man kaum weiß, wohin mit der Wärmedämmung? Oder wenn der Bodenaufbau einen Spielraum von acht bis zehn Zentimetern bietet? Auch war die statische Konstruktion so minimalisiert, dass sie den heutigen Vorgaben bei Weitem nicht entsprochen hat. Denn in einer Krisensituation – etwa einem leichten Erdbeben – hätte es bei so gering dimensionierten Auflageflächen zu ernsthaften statischen Problemen kommen können. Da mussten die Architekten schon mit großem Einfallsreichtum und viel Sensibilität vorgehen. – Es gibt eine aufschlussreiche Fotodokumentation, teilweise mit Originalfotos von Roland Rainer, die den ursprünglichen Zustand des Hauses von 2004 zeigt, als Frediani und Gasser die Aufgabe übernommen haben – und das jetzige Resultat. Von außen am auffallendsten: Der Baukörper schien über dem Gelände zu schweben. Diesen Effekt hat Rainer erzielt, weil er das Kellergeschoß, in dem eine Tiefgarage war, zwar natürlich belichtet hat, das schmale, dunkle Fensterband aber wie eine Schattenfuge gewirkt hat. Nun hat sich die Funktion dieses Kellergeschoßes aber geändert – heute ist dort ein Bücherspeicher. Also wurden auch die Fenster geändert – und damit stand das Haus plötzlich fest auf der Erde. Das konnte natürlich nicht mehr rückgebaut werden – heute ist das Gelände geringfügig angeböscht und in einigem Abstand durch eine niedrige Stützmauer gesichert, die Fenster sind mit dunkler Folie beklebt. Dadurch ist der ursprüngliche Effekt zumindest von Weitem wieder hergestellt.
Im Inneren haben die Architekten alles rigoros ausgeräumt, was den Rainerschen Materialpurismus vernichtet hat. Beim Marmorboden angefangen, bis zu den abgehängten Decken, die in den Gängen sehr störend gewesen sein müssen. Außerdem haben sie den Licht- und Leitungskanal an die Seite verlegt. Dadurch wird nicht nur die alte Konstruktion – samt ihrer feinfühlig umgesetzten „Verstärkung“ – sichtbar, sondern die Raumhöhe ist größer. Und das spielt bei den Verkehrsflächen eine erhebliche Rolle.
Bestimmte Materialwahrheiten konnten natürlich nicht rekonstruiert werden. Sichtbeton, der einmal zugekleistert wurde, ist nicht wieder herstellbar. Aber das Hellgelb des zwischenzeitlichen Anstrichs ist wenigstens verschwunden, ersetzt durch ein dezentes Grau, das die Poren des Betons spürbar macht. Und das wunderbare Ziegelmauerwerk aus Sichtbetonsteinen wirkt wie neu. Leider scheinen in diesem Haus unzählige Anschlagstafeln notwendig zu sein. Aber da haben sich die Architekten die schlichteste – und eleganteste – Lösung einfallen lassen, die ich seit Langem gesehen habe: rahmenlose Glastafeln, mit vier Schrauben befestigt, fast unsichtbar. Da pickt dann zwar irgendetwas darauf, aber das Ziegelmauerwerk ist eindeutig stärker, es zieht sich und setzt sich als Fläche glücklicherweise durch.
Rainer hat sein Haus unheimlich rigoros konzipiert. Es gibt den Acht-Meter-Raster miteingehängten Betonfertigteilen und einem raffinierten, fein gegliederten Fensterband – oben offen für die Aussicht, unten Schiebefenster, die sich im Hinblick auf die heutigenComputer-Arbeitsplätze verschatten lassen. Diesem Raster hat er auch alle Bürogrößen untergeordnet. Acht Meter breite Büros! Da sind wir in einer Zeit, als man sich über die Qualität von Arbeitsräumen und Arbeitsbedingungen noch Gedanken gemacht hat. Man muss sich vor Augen halten, dass Rainers Haus das erste Gebäude des inzwischen angewachsenen Universitätskomplexes von Klagenfurt gewesen ist. Als Hochschul-Institution ist diese Kärntner Ausbildungsstätte nach wie vor von nachrangiger Bedeutung. Und alles, was nach Rainer gebaut wurde, scheint das geradezu beweisen zu wollen. Da reiht sich eine architektonische Banalität an die nächste. Was einmal freies Feld war, auch in der weiteren Umgebung, ist und wird zugebaut. Und zwar mit schandbaren architektonischen Tatbeständen.
In diesem Umfeld ist Rainers Haus ein Hochkaräter. Und fabiani + gasser architettura haben diesem Edelstein wieder zum Glänzen verholfen. Wer das inmitten der Trivialität der Umgebung nicht sieht, den kann man eigentlich nur bedauern.
Aber wie so oft in der scheinbar immer kürzer werdenden Geschichte solcher Häuser hat es ein wechselvolles Schicksal hinter sich. Das Klagenfurter Büro frediani + gasserarchitettura, das die Sanierung, den Rückbau und die teilweise Neuorganisation dieser – vor allem für Kärnten sehr wichtigen, weil fast einzigartigen – Ikone der Spätmoderne übernommen hat, stand vor keiner leichten Aufgabe. Wobei die Hauptschwierigkeiten vielleicht gar nicht darin lagen, etwa ein unsägliches Satteldach über dem Eingangsgebäude oder einen noch unsäglicheren Porphyrboden wieder zu entfernen, die die Material- und Formensprache Rainers pervertierten. Oder die Eichenholzzargen, die inzwischen Rainers einfache Stahlzargen ersetzt hatten, zu beseitigen.
Die grundlegende Schwierigkeit liegt in der Sanierung solcher Konstruktionen. Wie soll man heutige thermische Ansprüche erfüllen, wenn der Dachaufbau so dünn ist, dass man kaum weiß, wohin mit der Wärmedämmung? Oder wenn der Bodenaufbau einen Spielraum von acht bis zehn Zentimetern bietet? Auch war die statische Konstruktion so minimalisiert, dass sie den heutigen Vorgaben bei Weitem nicht entsprochen hat. Denn in einer Krisensituation – etwa einem leichten Erdbeben – hätte es bei so gering dimensionierten Auflageflächen zu ernsthaften statischen Problemen kommen können. Da mussten die Architekten schon mit großem Einfallsreichtum und viel Sensibilität vorgehen. – Es gibt eine aufschlussreiche Fotodokumentation, teilweise mit Originalfotos von Roland Rainer, die den ursprünglichen Zustand des Hauses von 2004 zeigt, als Frediani und Gasser die Aufgabe übernommen haben – und das jetzige Resultat. Von außen am auffallendsten: Der Baukörper schien über dem Gelände zu schweben. Diesen Effekt hat Rainer erzielt, weil er das Kellergeschoß, in dem eine Tiefgarage war, zwar natürlich belichtet hat, das schmale, dunkle Fensterband aber wie eine Schattenfuge gewirkt hat. Nun hat sich die Funktion dieses Kellergeschoßes aber geändert – heute ist dort ein Bücherspeicher. Also wurden auch die Fenster geändert – und damit stand das Haus plötzlich fest auf der Erde. Das konnte natürlich nicht mehr rückgebaut werden – heute ist das Gelände geringfügig angeböscht und in einigem Abstand durch eine niedrige Stützmauer gesichert, die Fenster sind mit dunkler Folie beklebt. Dadurch ist der ursprüngliche Effekt zumindest von Weitem wieder hergestellt.
Im Inneren haben die Architekten alles rigoros ausgeräumt, was den Rainerschen Materialpurismus vernichtet hat. Beim Marmorboden angefangen, bis zu den abgehängten Decken, die in den Gängen sehr störend gewesen sein müssen. Außerdem haben sie den Licht- und Leitungskanal an die Seite verlegt. Dadurch wird nicht nur die alte Konstruktion – samt ihrer feinfühlig umgesetzten „Verstärkung“ – sichtbar, sondern die Raumhöhe ist größer. Und das spielt bei den Verkehrsflächen eine erhebliche Rolle.
Bestimmte Materialwahrheiten konnten natürlich nicht rekonstruiert werden. Sichtbeton, der einmal zugekleistert wurde, ist nicht wieder herstellbar. Aber das Hellgelb des zwischenzeitlichen Anstrichs ist wenigstens verschwunden, ersetzt durch ein dezentes Grau, das die Poren des Betons spürbar macht. Und das wunderbare Ziegelmauerwerk aus Sichtbetonsteinen wirkt wie neu. Leider scheinen in diesem Haus unzählige Anschlagstafeln notwendig zu sein. Aber da haben sich die Architekten die schlichteste – und eleganteste – Lösung einfallen lassen, die ich seit Langem gesehen habe: rahmenlose Glastafeln, mit vier Schrauben befestigt, fast unsichtbar. Da pickt dann zwar irgendetwas darauf, aber das Ziegelmauerwerk ist eindeutig stärker, es zieht sich und setzt sich als Fläche glücklicherweise durch.
Rainer hat sein Haus unheimlich rigoros konzipiert. Es gibt den Acht-Meter-Raster miteingehängten Betonfertigteilen und einem raffinierten, fein gegliederten Fensterband – oben offen für die Aussicht, unten Schiebefenster, die sich im Hinblick auf die heutigenComputer-Arbeitsplätze verschatten lassen. Diesem Raster hat er auch alle Bürogrößen untergeordnet. Acht Meter breite Büros! Da sind wir in einer Zeit, als man sich über die Qualität von Arbeitsräumen und Arbeitsbedingungen noch Gedanken gemacht hat. Man muss sich vor Augen halten, dass Rainers Haus das erste Gebäude des inzwischen angewachsenen Universitätskomplexes von Klagenfurt gewesen ist. Als Hochschul-Institution ist diese Kärntner Ausbildungsstätte nach wie vor von nachrangiger Bedeutung. Und alles, was nach Rainer gebaut wurde, scheint das geradezu beweisen zu wollen. Da reiht sich eine architektonische Banalität an die nächste. Was einmal freies Feld war, auch in der weiteren Umgebung, ist und wird zugebaut. Und zwar mit schandbaren architektonischen Tatbeständen.
In diesem Umfeld ist Rainers Haus ein Hochkaräter. Und fabiani + gasser architettura haben diesem Edelstein wieder zum Glänzen verholfen. Wer das inmitten der Trivialität der Umgebung nicht sieht, den kann man eigentlich nur bedauern.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom